Vorlage - VO/2021/10473  

Betreff: Neuregelungen von Erbbaurechten für Mehrfamilienhäuser, gewerbliche Nutzungen und Gemeinbedarfsnutzungen
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senator Sven Schindler
Federführend:2.280 - Wirtschaft und Liegenschaften Bearbeiter/-in: Csösz, Piroska
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Wirtschaftsausschuss und Ausschuss für den "Kurbetrieb Travemünde (KBT)" zur Vorberatung
08.11.2021 
27. Sitzung des Wirtschaftsausschusses und Ausschuss für den "Kurbetrieb Travemünde (KBT)" zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bauausschuss zur Vorberatung
15.11.2021 
60. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
06.12.2021 
61. Sitzung des Bauausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Vorberatung
23.11.2021 
57. Sitzung des Hauptausschusses geändert beschlossen   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Entscheidung
25.11.2021 
Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck geändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Anlage 1 - Bürgerschaftsbeschluss v. 20.06.1974

Beschlussvorschlag

 

Der Bürgermeister wird beauftragt, Erbbaurechte für Mehrfamilienhäuser im Geschosswohnungsbau mit mehr als zwei abgeschlossenen Wohneinheiten sowie Erbbaurechte für gemeinnützige und gewerbliche Nutzungen wie folgt neu zu ordnen:
 

  1. r neu abzuschließende Erbbaurechte, vorzeitig zu verlängernde und nach Vertragsende zu verlängernde Erbbaurechte für Mehrfamilienhäuser im Geschosswohnungsbau mit mehr als zwei abgeschlossenen Wohneinheiten gilt:
     

a)      Im Erbbaurechtsvertrag wird vereinbart, eine Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) zukünftig schuldrechtlich auszuschließen.

 

b)      Erbbaurechtsgrundstücke sind, unabhängig ob diese bereits nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geteilt, im Eigentum der Hansestadt Lübeck zu halten und nicht an die Erbbauberechtigten zu verkaufen.
 

c)       Bei neu zu vergebenden Erbbaurechten und bei der Verlängerung von bestehenden Erbbaurechten ist der Erbbauzins dinglich auf 2 % des Bodenwertes festzusetzen und mit einer automatischen Wertsicherungsklausel (Bindung an den Verbraucherpreisindex VPI) zu versehen. Der zugrunde liegende Bodenwert ist durch Stellungnahme der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Hansestadt Lübeck zu ermitteln.
 

d)      Unter Berücksichtigung der Laufzeit der umgebenden Erbbaurechte beträgt die Laufzeit ab Vertragsschluss 40, 60 oder 80 Jahre.
 

e)       Sofern das einzelne Gebäude anteilig mehr als 50% sozial geförderte Wohneinheiten (soziale Wohnraumförderung 1. / 2. Förderweg, bzw. entsprechende Regelungen nach städtebaulichen Verträgen) enthält, ist für die ersten 35 Jahre der Laufzeit der dingliche Erbbauzins auf 1,7 % des Bodenwertes (gem. Stellungnahme der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Hansestadt Lübeck) festzusetzen und mit einer automatischen Wertsicherungsklausel (Bindung an den Verbraucherpreisindex) zu versehen. Ab dem 36. Jahr ist der Erbbauzins auf 2% dinglich festzusetzen und mit einer automatischen Wertsicherungsklausel zu versehen.
 

f)         r mietpreisgebundene Schüler-, Azubi-/Studierendenwohnheime und vergleichbare Wohnformen mit ausschließlich sozialem Charakter ist für die gesamte Laufzeit der dinglich wertgesicherte Erbbauzins auf 1,7 % des auf Basis einer Stellungnahme der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Hansestadt Lübeck ermittelten Bodenwertes festzusetzen.
 

g)       Eine Überprüfung des sozialen Förderzwecks (gem. Ziff. 1e, f) findet alle 5 Jahre statt. Es ist zu regeln, dass der Erbbauzins i.H.v. 2% des Bodenwertes sofort fällig wird, wenn der soziale Förderzweck nicht mehr nachgewiesen werden kann.

 

h)       Die Höhe der Entschädigung von Erbbaurechten, welche Gegenstand dieses Beschlusses sind, beträgt bei Auslaufen des Erbbaurechtes 100%.
 

i)        Alle Kosten, die in Zusammenhang mit dem Abschluss des Erbbaurechtsvertrages stehen, inkl. notwendiger Vermessungskosten und weiterer Beiträge / Abgaben etc. sind von dem Erbbaurechtsnehmer zu zahlen.

 

j)         r Erbbaurechte, welche Gegenstand dieses Beschlusses sind, ist der Bürgerschaftsbeschluss vom 20.06.1974, Drs.Nr. 77 (s. Anlage 1) aufzuheben sowie die Beschlüsse für die „Erbbaurechte bis 2045 auslaufend“ (VO 2015/03216, VO 2016/03462, VO 2017/04955) nicht anzuwenden.
 

  1. r bestehende Erbbaurechte gilt:
     

a)        Erbbaurechtsgrundstücke mit Mehrfamilienhäusern im Geschosswohnungsbau mit mehr als zwei abgeschlossenen Wohneinheiten sind, unabhängig ob diese bereits nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geteilt sind oder nicht, zukünftig im Eigentum der Hansestadt Lübeck zu halten und nicht an die Erbbauberechtigten zu verkaufen soweit dies im Einzelfall rechtlich zulässig ist. Für diese Fälle ist der Bürgerschaftsbeschluss vom 20.06.1974 aufzuheben.
 

b)       Erbbaurechtsgrundstücke mit gewerblicher Nutzung oder einer Nutzung durch gemeinnützig anerkannte (Sport-) Vereine, von Kirchen, Kinder-/Seniorentagesstätten sind zukünftig im Eigentum der Hansestadt Lübeck zu halten und nicht an die Erbbauberechtigten zu verkaufen soweit dies im Einzelfall rechtlich zulässig ist.
 

c)       r Erbbaurechte, welche Gegenstand dieses Beschlusses sind, ist der Bürgerschaftsbeschluss vom 20.06.1974 aufzuheben sowie die Beschlüsse für die
Erbbaurechte bis 2045 auslaufend“ (VO 2015/03216, VO 2016/03462,
VO 2017/04955) nicht anzuwenden.


 


Verfahren

 

Bereiche/Projektgruppen

Ergebnis

1.101 Bürgermeisterkanzlei

Zustimmung

1.201 Haushalt und Steuerung

Zustimmung

1.300 Recht

Keine rechtlichen Bedenken

5.610 Stadtplanung

Zustimmung

 

 

 

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

 

Ja

gem. § 47 f GO ist erfolgt:

X

Nein- Begründung:

Eine Beteiligung von Kindern und Jugendlichen hat nicht stattgefunden, da negative Auswirkungen auf Kinder und/oder Jugendliche nicht gegeben sind.

 

 

 

 

 

 

 

Die Maßnahme ist:

X

neu

 

X

freiwillig

 

 

vorgeschrieben durch: 

 

 

 

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

X

Ja (derzeit nicht abschätzbar, s. Begründung )

 

 

Nein

 

Auswirkung auf den Klimaschutz:

X

Nein

 

 

Ja Begründung:

 

 

 

 

 

 

Begründung der Nichtöffentlichkeit

gem. § 35 GO:

 

 

 

 


Begründung

 

Um das Ziel einer sozial gerechten Bodennutzung und Sicherung von bezahlbarem Wohnraum in den Städten zu erreichen gerät das Erbbaurecht bundesweit zunehmend in den Fokus.

Das wohnungspolitische Ziel der Schaffung bezahlbaren Wohnraums wurde in den vergangenen Jahren auch durch die Lübecker Bürgerschaft mehrfach diskutiert (siehe dazu VO 2018/05895, VO 2020/09014, VO 2020/09259). Einige Beschlüsse enthalten Vorschläge und Prüfaufträge, wie das Erbbaurecht als Instrument zur Wohnraumförderung verstärkt genutzt werden kann.

 

r den Neubau von Mietwohnungen im niedrigen bis mittleren Preissegment, bspw. im 1. oder 2. Förderweg, ist das Erbbaurecht in der Hansestadt Lübeck jedoch in seiner aktuellen Ausgestaltung nicht geeignet. Es ist wirtschaftlich nicht marktfähig und wegen derzeit noch ausreichend vorhandener Bauflächenpotenziale sowie aufgrund des historisch niedrigen Kapitalmarktzinses, im Vergleich zum Volleigentum nicht attraktiv. Erschwerend hinzu kommt die vertragliche Ausgestaltung mit dem bisher geltenden jährlichen Erbbauzins i.H.v. 5% für Mehrfamilienhäuser sowie restriktiven Vertragsbestandteilen u.a. hinsichtlich der Beleihbarkeit sowie der Entschädigung bei Ablauf, die für die Verbreitung des Erbbaurechts ebenfalls nicht förderlich ist.

Obwohl die Hansestadt Lübeck noch über ein vergleichsweise breites Angebot stadteigener Bauflächen für den Geschosswohnungsbau in den unterschiedlichen Quartieren verfügt, ist die Nachfrage nach Erbbaurechtsgrundstücken faktisch nicht vorhanden. In der Folge sieht sich die Stadt gezwungen, Flächen zu veräern und somit langfristig die Einflussnahme auf das Grundstück zu verlieren. Die Forderung, günstigen Wohnraum zu schaffen, lässt sich somit kaum langfristig über die Dauer der Wohnraumförderung hinaus durchsetzen.

Mit dem vorliegenden Beschlussvorschlag sollen einige der wichtigsten Hürden genommen und wirtschaftliche Anreize für Investitionen in den Wohnungsbau auf stadteigenen Erbbaurechtsgrundstücken gegeben werden. Vorhandene Erbbaurechte im Geschosswohnungsbau sollen zudem erhalten und der Mietwohnungsbestand langfristig gesichert werden:
Bei einer Anpassung des Erbbauzinses auf 2% (s. Ziffer 1c) wird die Differenz zum Kapitalmarktzins deutlich verringert. Über den Vertragszeitraum von mehreren Jahrzehnten ist darüber hinaus von einer steigenden Zinsentwicklung am Kapitalmarkt auszugehen, so dass der niedrige Erbbauzins langfristig attraktiv ist.

Ein zusätzlicher Anreiz für einen hohen Anteil sozial geförderten Wohnraums soll mit dem vorgeschlagenen verringerten Erbbauzins (s. Ziffer 1e,f) geschaffen werden.

Mit der Neuregelung der Entschädigung nach Ablauf des Erbbaurechtes (s. Ziffer 1h) wird ein wesentliches Hemmnis beseitigt. Eine Entschädigung in voller Höhe des Gebäudewertes (gem. Verkehrswertgutachten) verhindert, dass der Erbbauberechtigte in den letzten Jahren der Laufzeit notwendige Sanierungsmaßnahmen nicht mehr durchführt. Entschädigt werden mithin künftig Gebäude, bei denen werterhaltende Maßnahmen bis zuletzt in die Gebäude-substanz geflossen sind.

In der Hansestadt Lübeck befinden sich seit den 1950er Jahren in unterschiedlichen Quartierslagen Mehrfamilienhäuser / Geschosswohnungsbauten mit insgesamt mehreren Tausend Wohnungen auf Erbbaurechtsgrundstücken. In jüngster Zeit mehren sich die Anfragen beim Bereich Wirtschaft und Liegenschaften nach einem Verkauf der Grundstücke. Der Bürgerschaftsbeschluss vom 20.06.1974 gibt allen Erbbauberechtigten grundsätzlich die Möglichkeit, ihr Erbbaurechtsgrundstück von der Hansestadt Lübeck zu erwerben. Mit dem Erwerb des Grundstücks besteht für den Volleigentümer sodann die Chance einer Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) und einer anschließenden Veräerung der einzelnen Wohnungen. In der Folge gehen dem Lübecker Wohnungsmarkt Mietwohnungen verloren. Dies ist nur zu verhindern, wenn das grundsätzliche Ankaufsrecht des Erbbauberechtigten aufgehoben wird und die Bürgerschaftsvorlage zur Veräerung von Erbbaurechten vom 20.06.1974 sowie die Beschlüsse gem. VO 2015/03216, VO 2017/04955 r diese Fälle aufgehoben sind (s. Ziffer 2a, b).
Erbbaurechte mit Ein-/Zweifamilienhäusern sind davon nicht betroffen.
 


Anlagen

Anlage 1 rgerschaftsbeschluss vom 20.06.1974
 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich Anlage 1 - Bürgerschaftsbeschluss v. 20.06.1974 (181 KB)    
Stammbaum:
VO/2021/10473   Neuregelungen von Erbbaurechten für Mehrfamilienhäuser, gewerbliche Nutzungen und Gemeinbedarfsnutzungen   2.280 - Wirtschaft und Liegenschaften   Beschlussvorlage öffentlich
VO/2021/10473-01   CDU + SPD - Änderungsantrag zu VO/2021/10473: Neuregelungen von Erbbaurechten für Mehrfamilienhäuser, gewerbliche Nutzungen und Gemeinbedarfsnutzungen   Geschäftsstelle der CDU-Fraktion   interfraktioneller Antrag