Stiel-Eiche

Quercus robur - Baum des Jahres 1989

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Hörtext als Kurzfassung

Ich bin ein dreifach göttliches Geschöpf! Warum? Na, die Griechen, die Römer UND die Germanen haben mich schon unter Schutz gestellt, als noch niemand an eine »Rote Liste« dachte. Und zwar unter den Schutz ihrer Himmelsgötter. Zeus ... Jupiter ... und Donar.

Das hatte natürlich seinen Grund: sie alle hatten beobachtet, dass ich bei einem Gewitter die Blitze anzog wie kein anderer Baum. So blieben die Menschen verschont und haben sich wohl gedacht: Lass die alte Eiche mal stehen, dann lässt uns der Zorn der Götter in Ruhe.

Respektlos – das muss ich leider sagen – haben sich mir gegenüber die Christen verhalten: sie haben mich einfach abgeholzt. Wahrscheinlich wollten sie damit demonstrieren, dass sie sich nicht vor den heidnischen Göttern fürchteten. In meinen Augen hätte es da elegantere Methoden gegeben.

Sei’s drum: A la longue habe ich mich durchgesetzt und bin 1989 als erster Baum überhaupt zum Baum des Jahres gekürt worden. Kein Wunder, denn für die Deutschen bin ich so etwas wie der Prototyp eines Baums. Oft nennt man mich sogar „Deutsche Eiche“. Eigentlich heiße ich aber Stiel-Eiche – Quercus robur - bin eine Laubbaum-Art aus der Gattung der Eichen und gehöre zur Familie der Buchengewächse.

In vielen Kulturen Europas bin ich ein Sinnbild für Standhaftigkeit, Weisheit, Treue und Heldentum. Auf vielen Rangabzeichen, Medaillen, Wappen oder Münzen können Sie bei genauerem Hinschauen Eichenlaubblätter oder meine Früchte, die Eicheln, entdecken. In Europa bin ich wohl die am weitesten verbreitete Eichenart. Im Harz wachse ich bis 600 m Höhe und in den Alpen sogar bis hinauf auf 1.200 Meter. Allerdings kenne ich meine Grenzen: Den Süden Spaniens, Portugals oder Griechenlands zum Beispiel überlasse ich meinen Verwandten. Und auch im nördlichen Skandinavien habe ich es schwer. Dabei steht ausgerechnet im südschwedischen Nationalpark »Norra Kvill« meine dickste europäische Schwester. Ihr – teilweise abgestorbener – Stamm hat einen Umfang von 14,75 Metern. Das ist wirklich prächtig, nicht wahr?

Gegenüber der Traubeneiche – mit der ich eng verwandt bin und mit der man mich häufig verwechselt – bin ich stärker nach Osteuropa verbreitet. Ich vertrage das kontinentale Klima einfach besser als sie. Allerdings brauche ich Licht. Der Schatten ist nicht meine Wohlfühl-Zone. Sommereiche ist deshalb noch so ein Name, auf den ich höre.

Wegen meiner Liebe zum Licht stehe ich auch mit der Rotbuche in Konkurrenz. Sie kommt wesentlich besser mit schattigen Standorten zurecht und kann sich deshalb besser durchsetzen. Aber auch sie hat ihre empfindliche Seite: Wo die Gefahr von Spätfrösten besteht, kommt sie nicht mehr vor. Dort bilde ich dann mit Hainbuchen, Waldkiefern und Sandbirken die natürliche Waldgesellschaft.

Richtig wohl fühle ich mich auf tiefgründigen Lehm- und Tonböden oder auf trockenen Sandböden. In den Auen großer Flüsse bilde ich sogar Wälder aus – sogar, wenn sie hin und wieder überflutet werden. Überschwemmungen und Stauwasser von über einem Monat Dauer vertrage ich locker. Senkt sich allerdings das Grundwasser unter meinen Wurzeln, reagiere ich mit Wipfeldürre.

Wenn ich jung bin, ist meine Rinde glatt, dünn und grau. Werde ich alt, wird sie schwarzbraun und bekommt tiefe Risse. Na ja, das kennen Sie vielleicht. Alter ist wirklich nicht schön. Dass ich aber alt werden kann, ist bekannt. Wenn Sie die stärkste und älteste lebende deutsche Eiche sehen wollen, brauchen Sie von Lübeck aus gar nicht so weit zu fahren. Im Tiergarten von Ivenack an der Mecklenburgischen Seenplatte steht eine Eiche, die gesichert über 1.000 Jahre alt ist und einen Durchmesser von 3,45 m hat. Na dann; Viel Spaß beim nächsten Sonntagsausflug!

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