Vorlage - VO/2020/09298-02  

Betreff: Antwort auf Anfrage des AM Dr. Axel Flasbarth (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN): Defizite und Entgeltsteigerungen der städtischen SeniorInneneinrichtungen (SIE) - Teil II
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senator Sven SchindlerBezüglich:
VO/2020/09298
Federführend:2.020 - Fachbereichs-Controlling Bearbeiter/-in: Kuschmierz, Ralf
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Soziales zur Kenntnisnahme
03.11.2020 
18. Sitzung des Ausschusses für Soziales zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
24.11.2020 
41. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
26.11.2020 
20. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

 

 

Anfrage in der Sitzung des Hauptausschusses am 08.09.2020 durch AM Dr. Axel Flasbarth.

 

Wie von AM Dr. Flasbarth gewünscht, erfolgt eine zweiteilige Beantwortung.

 

Die Fragen 1 und 2 und 12 bis 14 wurden mit der Vorlage VO/2020/09298-01 beantwortet.

 

Die Beantwortung der Fragen 3 bis 11 erfolgt mit dieser Vorlage.

 

 

Die städtischen SeniorInneneinrichtungen (SIE) vermeldeten für 2019 ein Defizit von 3,1 Mio €. In den Lübecker Nachrichten vom 03.09.2020 erklärte Senator Schindler, dass die SIE daher beantragen wird, die von den Bewohner:innen zu tragenden Entgelte um 25-33% zu erhöhen (500-800€ pro Bewohner:in und Monat).

Hierzu möge der Bürgermeister bitte die folgenden Fragen beantworten:

 

 


 


Begründung

 

Eingangsbemerkung des Fragestellers:

Der Sozialausschuss wurde während der Beratungen über den Wirtschaftsplan 2021 der SIE (VO/2020/09140) am 01.09.2020 nicht über das Ausmaß der o.a. geplanten Erhöhung der Heimentgelte informiert, obwohl eine derartige Preismaßnahme ein wesentliches Elementeines Wirtschaftsplanes ist und signifikante Auswirkungen für die betroffenen Bewohner:innen hat.

 

Frage 3) Warum wurde der Sozialausschuss über das Ausmaß der geplanten Entgelterhöhung nicht informiert?

Antwort:

Der Sozialausschuss wurde über die „geplante signifikante Erhöhung der Heimentgelte“ (Zitat der Bereichsleitung zur ppt Präsentation) in seiner Sitzung am 01.09.2020 informiert. Auf Seite 2 des Vorberichtes (Anlage 1) zum Wirtschaftsplan findet sich dazu folgende Formulierung:

Die vorliegende Wirtschaftsplanung für 2021 geht von einem wesentlichen Entgeltzuwachs,nach Abschluss der derzeit laufenden Pflegesatzverhandlungen, aus.

Aufgrund der signifikanten Erhöhungen, ist eine „Belegungsdelle“ nicht auszuschließen. Diese ist einerseits durch personelle Reaktionen in weiten Teilen abfederbar und ist im Wirtschaftsplan mit der Hinterlegung von rund 70 % der angepeilten Entgeltsteigerungen hinterlegt.

 

Neben der Information über steigende Entgelte wurde zusätzlich auch über die vermutete Auswirkung einer sinkenden Nachfrage nach Pflegeplätzen berichtet. Zusätzliche Informationen wurden mündlich gegeben.

Richtig ist, dass zum Zeitpunkt der Sitzung noch nicht über die geplante, konkrete Höhe der neuen Entgelte informiert werden konnte. Dieses Verhandlungsergebnis liegt nach wie vor nicht vor. Daher erfolgte eine pauschale Berücksichtigung in Höhe von 70% der beantragten Kosten.

Die Arbeiten zum Wirtschaftsplan begannen ab Mitte Mai 2020, die Abgabe des Entwurfes erfolgte am 29.07.2020. Die Startbesprechung der Entgeltverhandlungen fand am 29.05.2020 statt, die konkrete Beantragung erfolgte am 19.08.2020. Beide Zeitschienen ließen sich in diesem Jahr bezüglich der Abfolge nicht harmonisch verbinden. Dies liegt teilweise an den Auswirkungen der Corona-Thematik, aber auch an der erforderlichen Einarbeitungszeit der neuen Bereichsleitung seit dem 02.01.2020.

 

 


 

Eingangsbemerkung des Fragestellers:

 

In der o.a. Berichterstattung der Lübecker Nachrichten wird zudem erwähnt, dass ein Teil der Defizite der SIE in der Vergangenheit durch eine unvollständige Berücksichtigung der Kosten der SIE in den Verhandlungen mit den Pflegekassen entstanden sei.

 

Frage 4) Seit wann wurden die Kosten der SIE in den Verhandlungen mit den Pflegekassen nur unvollständig berücksichtigt?

 

Antwort:

 

Erst ab 2012/2013 ist durch Rechtsprechung eine Berücksichtigung der geltenden Tarife bei den Personalkosten in den Verhandlungen mit den Kostenträgern in vollem Umfang möglich, vorher erfolgte in Schleswig-Holstein eine Kappung auf der Grundlage der Landes-Durchschnittskosten.

 

In den Verhandlungen der SIE bedeutete dies vor 2012/2013 einen wesentlichen Nachteil, da die Personalkosten von Pflegeeinrichtungen anderer Träger unter den jeweils gültigen Tarifen des öffentlichen Dienstes gelegen haben, an die die SIE gebunden ist. Unter anderem führte auch der Fachkräftemangel seit diesem Zeitpunkt zu einer Angleichung des Gehaltsniveaus im Pflegebereich.

 

Insgesamt haben die SIE in allen Verhandlungsrunden stets versucht, alle Kosten zu verhandeln und zu einen. Eine Unterlassung bei der Beantragung zu Lasten des Betriebes ist nicht erfolgt.

 

Frage 5) Wie hoch ist der dadurch entstandene Schaden für die SIE (bitte getrennt für die jeweiligen Kalenderjahre angeben)

 

Antwort:

 

Der Begriff des Schadens ist zu definieren. Sofern der Schaden eine unfreiwillige Einbuße an geschützten Rechtsgütern bedeutet, liegt in diesem Fall kein Schaden vor. Vor 2012/2013 bestand für die SIE kein Anspruch auf vollständige Anerkennung der tariflichen Personalkosten.

In der Zeit nach 2012/2013 ist der Begriff des Schadens ebenfalls irreführend. In einem Verhandlungsverfahren, wie es seit Jahren angewandt und strukturiert durchgeführt wird, kann lediglich von einer Differenz zwischen der ursprünglich formulierten Forderung und dem Verhandlungsergebnis gesprochen werden. Ob und inwieweit solche ursprünglichen Forderungen im Verhandlungsweg auch realisiert werden können ist stets von zahlreichen Einzelfaktoren abhängig.

Soweit vom Fragesteller unterstellt wird, in den jeweiligen Verhandlungen hätte ein für die SIE jeweils besseres oder sogar optimales Ergebnis erzielt werden können, wird die Systematik des Verhandlungsverfahrens nicht richtig eingeschätzt.

Trotz der in der Antwort zu Frage 4 geschilderten Systematik haben die SIE regelmäßig verhandelt und versucht, ein für die SIE bestmögliches Ergebnis zu erzielen.


 

Frage 6) Warum wurden die Kosten der SIE in den Verhandlungen mit den Pflegekassen nur unvollständig berücksichtigt?

Antwort:

Seit 2011 bedienen sich die SIE in den Verhandlungen einer Rechtsanwältin und ausgewiesenen Expertin als Verhandlungspartnerin, vorher wurde in Eigenregie verhandelt. Die Aufgabe der Rechtsanwältin ist dabei, die von den SIE zusammengestellten Kosten auf Plausibilität und Durchsetzbarkeit zu überprüfen und die Verhandlungsposition für die jeweilige Situation einzuschätzen.

Verhandelt wurde in dieser Konstellation in 2011 und dann 2013/2014, 2015, 2016/2017, 2019 und aktuell 2020. Die aus Sicht der SIE gemachten Erfahrungen mit dieser Begleitung können nur positiv beurteilt werden.

Generell beschreibt der Begriff der Verhandlung ein Verfahren, bei dem die Verhandlungspartner das für die jeweilige Seite beste Ergebnis erzielen wollen. Oftmals bedeutet dies für beide Seiten eine Reduzierung der Maximalforderung, die zu Beginn der Verhandlung Basis der Gespräche gewesen ist. Beispielsweise werden die beantragten Energiekosten der SIE nach wie vor nicht im vollen Umfang anerkannt.

Wie in der Antwort zu Frage 4 erläutert, waren beispielsweise Personalkosten in der Vergangenheit auf einen Durchschnittswert gedeckelt. Auch in den Verhandlungsrunden danach werden alle Kostengruppen von den Verhandlungspartnern analysiert und bewertet. Letztendlich unterscheiden sich die Positionen der beiden Seiten gravierend: während die jeweilige Einrichtung in den Verhandlungen auf die eigene Wirtschaftlichkeit achtet, hat die Gegenseite alle Mitbewerber mit zu berücksichtigen und auf die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems Altenpflege zu achten.

 

a) Pflegesatzverhandlungen werden standardmäßig auf der Grundlage eines geeinten Verfahrens der Landespflegesatzkommission S-H auf Basis des Formblatts “Aufforderung zu Vergütungsverhandlungen nach § 85 SGB XI für vollstationäre Pflegeeinrichtungen in Schleswig-Holstein” durchgeführt. In diesem formalisierten Verfahren sind alle IST-Kostenarten berücksichtigt.

Wurde dieses ausführliche Verfahren in den Verhandlungen der SIE verwendet?

Ja.

b) Wenn nein, warum nicht?

Entfällt.

c) Wenn ja, wurden alle aufgeführten Kostenarten verhandelt?

Ja.

d) Wenn nein, warum nicht?

Entfällt.

e) Welche Kostenarten der SIE wurden nicht vollständig berücksichtigt? Warum nicht?

Siehe Antwort zu Frage 6. Alle Kostenarten werden geprüft und in unterschiedlicher Höhe anerkannt.


 

f) Aus welchen sonstigen Gründen wurden die Kosten der SIE nicht vollständig berücksichtigt?

Siehe Antwort zur Frage 6.

 

Frage 7) Ab wann werden die tatsächlichen IST-Kosten der SIE in den Verhandlungen voraussichtlich vollständig berücksichtigt? Ab wann wird die vollständige Berücksichtigung voraussichtlich wirksam?

Antwort:

Die Verwaltungsleitung hat in der Vorbereitung der Verhandlungen regelmäßig deutlich gemacht, dass für die SIE ein optimales Ergebnis zu erreichen sei.

Die Verhandlungen 2020 stellen die Basis von Einigungsgesprächen auf der Grundlage von vollständigen Ist-Kosten dar. Aufgrund der Erfahrungen aus den bereits abgeschlossenen Verhandlungsrunden und dem seit 2018 in den SIE vorhandenem Sachverstand in der Leitung eines Pflegebetriebes besteht ein höheres Maß an Sicherheit, Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Bereits bei der Zusammenstellung der zu beantragenden Kosten konnte seit diesem Zeitpunkt auch das Knowhow anderer Bundesländer in die Verhandlungstaktik einfließen.  Diese Herangehensweise wird für künftige, regelmäßig wiederkehrende Verhandlungen angewendet werden.

Eine vollständige Berücksichtigung der beantragten Kosten ist nicht wahrscheinlich. Dies ist in der Systematik des Verhandlungsverfahrens begründet.

Die zurzeit verhandelte Erhöhung ist für den 01.10.2020 beantragt.

 

Frage 8) Welche Maßnahmen hat die Verwaltung getroffen, um sicherzustellen, dass in zukünftigen Verhandlungen mit den Pflegekassen sämtliche Kosten der SIE berücksichtigt werden?

Antwort:

Siehe Antwort zu Frage 7. Dies ist ein klar benanntes Ziel auch für künftige Verhandlungen.

In der o.a. Berichterstattung der Lübecker Nachrichten wird erwähnt, dass für 51% der Bewohner*innen der SIE das Sozialamt bzw. die Hansestadt Lübeck Teile des Eigenanteils des Heimentgeltes zahlen. Im Bundesdurchschnitt beträgt dieser Anteil 36%.

 

Frage 9) Wie hoch ist der durchschnittliche Betrag, den die Hansestadt Lübeck übernehmen muss (bitte jeweils pro Bewohner*in und pro Leistungsempfänger*in angeben)?

Antwort:

Nach Auswertung der Zahlungen für 09/2020 ergibt sich ein Durchschnittsbetrag von 1.172, 95 Euro pro Monat pro Leistungsempfänger. Erst nach Festlegung der neuen Entgelte und ggf. gestellten Anträgen auf Leistungsgewährung zusätzlicher Bewohner kann dieser Betrag aktualisiert werden. Einkommens- oder Vermögensverhältnisse von sogenannten Selbstzahler:innen sind nicht bekannt.

Es handelt sich dabei nicht um kommunale Mittel, sondern Bundesleistungen nach SGB XII.


 

Frage 10) Wie hoch ist der durchschnittliche Betrag, den die Hansestadt Lübeck bei gemeinnützigen Heimen von Trägern der freien Wohlfahrtspflege übernehmen muss (bitte jeweils pro Bewohner*in und pro Leistungsempfänger*in angeben)?

Antwort:

Die Frage kann nicht beantwortet werden. Antragsteller für Leistungen ist nicht die jeweilige Pflegeeinrichtung sondern persönlich der oder die Bewohner:in. Eine Filterung von Hilfeempfänger:innen unter diesem Kriterium ist nicht möglich.

 

Frage 11) Wodurch erklärt sich der hohe Anteil dieser Zuschussempfänger*innen in den SIE im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (und ggf. im Vergleich zu anderen Pflegeheimen in Lübeck)?

Antwort:

 

Die SIE nehmen Bewohner:innen bewusst sozial verantwortungsvoll und prinzipiell ohne Bonitätsprüfung auf.

 

 

 

 


Anlagen

 

./. 
 

 

Stammbaum:
VO/2020/09298   Anfrage des AM Dr. Axel Flasbarth (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN): Defizite und Entgeltsteigerungen der städtischen SeniorInneneinrichtungen (SIE)   Geschäftsstelle der Fraktion BÜ90 DIE GRÜNEN   Anfrage
VO/2020/09298-01   Antwort auf Anfrage des AM Dr. Axel Flasbarth (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN): Defizite und Entgeltsteigerungen der städtischen SeniorInneneinrichtungen (SIE)   2.020 - Fachbereichs-Controlling   Antwort auf Anfrage öffentlich
VO/2020/09298-02   Antwort auf Anfrage des AM Dr. Axel Flasbarth (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN): Defizite und Entgeltsteigerungen der städtischen SeniorInneneinrichtungen (SIE) - Teil II   2.020 - Fachbereichs-Controlling   Antwort auf Anfrage öffentlich