Vorlage - VO/2020/08961  

Betreff: Bericht Antrag zur Errichtung einer Wasserstofftankstelle (VO/2019/07589)
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senator Sven Schindler
Federführend:2.280 - Wirtschaft und Liegenschaften Bearbeiter/-in: Bär, Björn
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Wirtschaftsausschuss und Ausschuss für den "Kurbetrieb Travemünde (KBT)" zur Kenntnisnahme
14.09.2020 
19. Sitzung des Wirtschaftsausschusses und Ausschuss für den "Kurbetrieb Travemünde (KBT)" zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
22.09.2020 
38. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
24.09.2020 
19. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck - Haushaltssitzung zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

 

Gemeinsamer Zwischenbericht des Bereiches 2.280 – Wirtschaft und Liegenschaften, den Entsorgungsbetrieben Lübeck (EBL) , der Lübecker Hafen -Gesellschaft ( LHG), dem Koordinierungsbüro Wirtschaft in Lübeck GmbH (KWL) und der Wirtschaftsförderung Lübeck GmbH.

Die Bürgerschaft hat in ihrer Sitzung am 29.08.2019 einen Antrag zur Errichtung einer Wasserstofftankstelle folgenden Wortlauts angenommen:

 

„Der Bürgermeister wird beauftragt, sich für die Gewinnung eines zukünftigen privaten Betreibers zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Wasserstofftankstelle in Lübeck einzusetzen und „in der Bürgerschaftssitzung im November über den aktuellen Stand zu Berichten“ (Ergänzung des  Wirtschaftsausschusses) zu berichten. Interessierte zukünftige Betreiber sollen beim Auffinden geeigneter Standorte in Lübeck für die Errichtung der Wasserstofftankstelle die bestmögliche Unterstützung erfahren“. 

 


Begründung

 

Der Bericht stellt den gegenwärtigen Stand der Beschäftigung mit dem Thema Wasserstoff als Energieträger in der Hansestadt Lübeck dar. Er ist in Zusammenarbeit zwischen den Entsorgungsbetrieben Lübeck (EBL), der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) und dem Bereich 2.280- Wirtschaft und Liegenschaften verfasst worden.

 

Die lokale Erzeugung von (grünem = aus erneuerbarer Energie produzierten) Wasserstoff ist ein zentrales Anliegen der Gruppe bestehend aus Entsorgungsbetriebe Lübeck (EBL), Stadtwerke Lübeck (SWL), Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG), Technischer Hochschule Lübeck (THL) und der h2agentur, die die Gruppe beratend unterstützt.


 

Die EBL verfügt über Erneuerbare-Energie-Anlagen, aber auch die SWL (Wind- und Solaranlagen, BHKW) und die LHG (Solar in Planung). Die jeweiligen Standorte sollen dahingehend untersucht werden, ob sie für die Erzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyse geeignet sind. Um die dafür nötigen Mittel zu beschaffen, beteiligt sich diese Gruppe seit gut einem Jahr unter dem Stichwort „Norddeutsches Reallabor“ als sogenannter „Hub-Lübeck“ an einem Förderaufruf (über die Bewilligung soll nach bisheriger Planung dieses Jahr entschieden werden). Die Projektsteuerung und Koordination des Antragsverfahrens hat die THL übernommen.

 

Das Vorhaben wird die geplante Verteilung und Verwendung von Wasserstoff in Lübeck beleuchten, mit dem Ziel, idealerweise am Ende einen vollumfänglich umsetzungsfähigen Plan zu erhalten. Die Errichtung einer öffentlichen Wasserstofftankstelle ist ein Teil des Gesamtkonzepts. Daher hat die EBL einen Arbeitskreis unter Beteiligung der THL, der SWL, der KWL, der Wirtschaftsförderung, der LHG,  sowie der Klimaschutzleitstelle und des Bereichs Wirtschaft und Liegenschaften / Wirtschaftskoordination eingerichtet. Unterstützt wird der Arbeitskreis durch die h2agentur, die über Expertise zum Thema Wasserstoff verfügt.

Darüber hinaus wird die IHK ein landesweites Netzwerk aufbauen, um die in Schleswig-Holstein bislang bestehenden Wasserstoffprojekte und Akteure der jeweiligen Regionen zusammenzutragen und als zentraler Ansprechpartner für die Landesregierung zu wirken.

Die AG befasst sich insbesondere mit zwei Strängen des Themas Wasserstoff, erstens der Erzeugung von Wasserstoff vor Ort sowie zweitens dem Projekt zur Errichtung einer Wasserstofftankstelle ggf. zunächst eine mobile Lösung in der Hansestadt Lübeck.

 

Die Errichtung einer Wasserstofftankstelle hängt neben der passenden räumlichen Verortung zusätzlich von verschiedenen Faktoren ab, u.a. von ausreichender Nachfrage sowohl durch private als auch gewerbliche Nutzer:innen, den dafür erforderlichen technischen Voraussetzungen und nicht zuletzt den Fördermöglichkeiten des Landes/Bundes.

Betrachtet man die gegenwärtig auf dem Markt etwa 83 öffentlichen H2-Tankstellen im Bundesgebiet, zeigt sich, dass für die Errichtung einer solchen Wasserstofftankstelle mit bis zu 2 Mio. € Kosten gerechnet werden muss. Für die Umsetzung bis zur baulichen Fertigstellung und geprüften Inbetriebnahme sind mindestens 2 Jahre für Planung, Genehmigung und Lieferung zu veranschlagen.

 

Ein Investment in eine typische öffentliche Wasserstofftankstelle ist wirtschaftlich nur dann realisierbar, wenn mindestens 20 t Wasserstoff jährlich abgenommen werden können. In Summe  bedeutet dies p.a. etwa 3000-4000 Tankladungen von PKW (Tankvolumen 5-6 kg).
Bei einer durchschnittlichen Fahrleistung von 10.000 km p.a. und den damit verbundenen Tankvorgängen werden 150 – 200 PKW benötigt, die gesichert Wasserstoff tanken.
Insgesamt waren am 01.01.2020 beim Kraftfahrtbundesamt lediglich 507 PKW mit Wasserstoffantrieb in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen.

Eine Abnahmegarantie durch PKW kann zumindest kurzfristig ausgeschlossen werden.

Neben PKW können Busse, Müllfahrzeuge und andere gewerbliche Großfahrzeuge etwa für den Hafenbetrieb, die Logistik oder das Bauwesen in Frage kommen. Die Entwicklung und Produktion derartiger Großfahrzeuge beginnt im Wesentlichen erst. Es gibt zwar erste Anbieter, insbesondere für die Abfallbeseitigung, bei Bussen und Großfahrzeugen für Hafen- und Lagerlogistik steht die Entwicklung noch am Anfang.

 

Die gesicherten Abnahmemengen lassen sich vorausschauend nur über Fahrzeuge der öffentlichen Hand planbar realisieren. Die EBL haben hierzu erklärt, dass ein erstes Fahrzeug avisiert ist. Der SV setzt derzeit auf Elektromobilität, wasserstoffbetriebene Stadtbusse werden frühestens ab 2025 in Erwägung gezogen. Die LHG benötigt in erster Linie Spezialfahrzeuge für den Hafenumschlag, wie Stapler, Tugmaster oder Reachstacker. Hier ist die Verfügbarkeit ebenso schwierig. Es gibt Hersteller, die Gabelstapler bis zu der Größe 5 Tonnen bereitstellen. Diese Fahrzeuge kosten mindestens das Doppelte des Normalpreises, was eine wirtschaftliche Darstellung nur mit zusätzlicher Förderung zulässt, die zurzeit auf 40 % der Mehrkosten begrenzt ist.


 

Darüber hinaus ist das Thema der Tankinfrastruktur nicht ganz einfach. Da die Terminalfahrzeuge über keine Straßenzulassung verfügen, wird eine lokale Tankmöglichkeit benötigt, was die Abnahme von einer öffentlichen Wasserstofftankstelle nahezu ausschließt. Schlussendlich lässt sich festhalten, dass sich die LHG mit den Themen der alternativen Energieträger (Wasserstoff, Landstrom, LNG, Batteriespeicher) intensiv beschäftigt, jedoch in der aktuellen wirtschaftlichen Situation, in der sich die LHG befindet, nicht an eine konkrete umfassende Umsetzung denken kann. Daher sind die Gedanken und Ideen in erster Linie strategisch zu sehen, um darauf vorbereitet zu sein, wenn sich die Rahmenbedingungen verändern und der Einsatz von Wasserstoff ökonomisch interessant wird.
Unabhängig von der Situation, beteiligt sich die LHG an den Gesprächen und Bemühungen, eine öffentliche H2-Tankstelle nach Lübeck zu holen.
Die zwingend notwendige Abnahmegarantie kann nur über planbare Fahrzeuge dargestellt werden, nicht über mögliche spontane Zusatzverkehre.  Ohne diese garantierte Mindestabnahme dürfte sich ein Investor nach Einschätzung der Projektbeteiligten schwer finden lassen.

 

Bei der Investoren-/Betreibersuche bietet sich an, auf vorhandene Strukturen zu setzen: Bereits am Markt aktive Tankstellenbetreiber könnten im günstigsten Falle als zusätzliche Leistung eine Wasserstofftankstelle an ihrem bereits vorhandenen Betrieb betreiben. Die Komponenten sind ähnlich, was entfällt sind die standortbezogenen Planungen, Genehmigungen und Entwicklungen. Dieses wäre die momentan komfortabelste und kostengünstigste Lösung.

Unter der Voraussetzung, dass wasserstoffbetriebene LKW und Kleintransporter in den kommenden Jahren in ausreichender Qualität und Quantität auf den Markt kommen, kann sich für Lübeck mittel- bis langfristig die Chance ergeben, den im Rahmen der Festen-Fehmarnbelt Querung zunehmenden Kraftfahrzeugverkehr aus und nach Skandinavien mit grünem Wasserstoff zu bedienen.

 
Es wird entscheidend sein, einen strategisch idealen Standort, der die zukünftigen Verkehrsströme berücksichtigt, für den Betrieb einer oder mehrerer Wasserstofftankstellen zu finden. Trotz der derzeit vorhandenen Einschränkungen durch den noch nicht vorhandenen gesicherten Abnahmemarkt werden potenzielle Investoren sowohl vom Bereich Wirtschaft und Liegenschaften, der KWL und der Wirtschaftsförderung Lübeck GmbH bei konkreten Anfragen unterstützt.

 
Es hat im Laufe der letzten Monate Gespräche mit der Firma Nordoel gegeben, die an der Eric-Warburg-Brücke ein Grundstück erworben hat, um dort eine moderne Tankstelle zu errichten. Die geplante Tankstelle wird neben den gängigen Benzinsorten auch Autogas, Ad Blue, sowie Ladesäulen für E-Bikes und Elektroautos bereitstellen. Außerdem ist der Verkauf von E-Fuels (synthetischen Treibstoffen, die gänzlich ohne Mineralöl auskommen) geplant. Die Errichtung einer Wasserstofftankstelle wird von Nordoel wohlwollend geprüft. Aufgrund der hohen Investitionskosten und der nicht vorhandenen Nachfrage, ist eine Umsetzung derzeit nicht realisierbar.  

 


Anlagen

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