Vorlage - VO/2023/12388-01  

Betreff: Austauschvorlage Entwicklung der Liquiditätskredite seit dem 01.01.2010
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Bürgermeister Jan Lindenau
Federführend:1.210 - Buchhaltung und Finanzen Bearbeiter/-in: Kannenberg, Florian
Beratungsfolge:
Hauptausschuss
29.08.2023 
1. Sitzung des Hauptausschusses (Wahlperiode 2023-2028) zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Entwicklung der Liquiditätskredite in den einzelnen Jahren

Beschlussvorschlag


 

 

 

 

 

Beschlusstext zur Bekanntgabe im öffentlichen Teil:

(nur bei nichtöffentlichen Vorlagen)

 

 

 

 

 


 


Begründung

Mit Einführung der kommunalen Doppik in der Kernverwaltung der Hansestadt Lübeck zum 01.01.2010 wurden die Kassenkredite erstmals bilanziell erfasst und auf dazugehörigen Bilanzkonten einzeln geführt. Die Aufwendungen für Kassenkreditzinsen und Erträge aus Verwahrentgelten bei der Aufnahme von Kassenkrediten wurden seitdem transparent in der Ergebnisrechnung dargestellt.

 

Kassenkredite werden mit unterschiedlichen Laufzeiten aufgenommen. Grundsätzlich darf ein Liquiditätsbedarf nur mit Laufzeiten innerhalb des Haushaltsjahres gedeckt werden. Ein Kassenkreditbestand, der voraussichtlich nicht auszugleichen sein wird (sog. „Bodensatz“), darf mit einer Laufzeit innerhalb der mittelfristigen Finanzplanung (laufendes Haushaltsjahr zzgl. vier Jahre) gedeckt werden. Kassenkredite wurden im untersuchten Zeitraum in Form von Tagesgeldern sowie Termingeldern mit Laufzeiten von bis zu drei Jahren aufgenommen.

 

In den Jahren 2013 bis 2015 hat der Gesetzgeber zudem die Möglichkeit eröffnet, Kassenkredite in langfristige Kredite umzuwandeln (sog. Ablösekredite). Diese werden bilanziell unter den Investitionskrediten ausgewiesen.

 

Die nachfolgende Grafik gibt einen groben Überblick über die Entwicklung der Liquiditätskredite (Kassenkredite und sog. Ablösekredite) im betrachteten Zeitraum (01.01.2010 bis 30.06.2023):
 

http://allris.intranet.luebeck.de/ai/___tmp/tmp/45-181100047936/6nXj6b1s4itsUUeYu7L21JJczR8w1emJCX9PZmh8/ecqipnpTL/64-Dateien/image001.png

 

Detaillierte Darstellungen der Entwicklung in den einzelnen Jahren sind diesem Bericht als Anlage beigefügt.

In der Gesamtentwicklung zeigt die Grafik einen deutlichen Trend auf. Bis zum Jahr 2015 war ein stetiger Anstieg der Verschuldung aus Liquiditätskrediten zu verzeichnen. Das Maximum innerhalb der unterjährigen Schwankungen wurde am 22.10.2015 mit einem Gesamtbetrag von 483 Mio.€ erreicht. In dem darauffolgenden Jahr hat sich mit Schwankungen zunächst ein Plateau gebildet, bis am 06.10.2016 mit einem Gesamtbetrag von 468 Mio.€ der zweithöchste Bestand an Liquiditätskrediten ergeben hat. Seitdem hat sich eine Trendumkehr eingestellt und es werden stetig Liquiditätskredite abgebaut.

Der Vergleich der Entwicklung der Liquiditätskredite mit den Jahresergebnissen zeigt auf, dass die Verschuldungslage der Hansestadt Lübeck von ihrer wirtschaftlichen Lage abhängt. In Haushaltsjahren mit einem negativen Jahresergebnis ist regelmäßig auch die Verschuldung aus Liquiditätskrediten gestiegen, während positive Jahresergebnisse sukzessive die Neuverschuldung abgemildert und schließlich zu einem sukzessiven Schuldenabbau geführt haben. Die nachfolgende Tabelle und Grafik verdeutlicht dies (Zahlen in T€):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jahr

Jahresergebnis

Kassenkredite

Ablösekredite

Liquiditätskredite

Entwicklung der Liquiditätskredite

2010

-41.102

259.300

 

259.300

39.300

2011

-46.509

295.000

 

295.000

35.700

2012

-17.638

345.000

 

345.000

50.000

2013

-710

240.000

130.000

370.000

25.000

2014

-153

229.732

165.000

394.732

24.732

2015

3.328

208.000

200.000

408.000

13.268

2016

31.326

189.200

200.000

389.200

-18.800

2017

83.655

160.818

175.000

335.818

-53.382

2018

96.719

140.614

175.000

315.614

-20.204

2019

48.644

51.739

175.000

226.739

-88.875

2020

32.957

60.600

115.000

175.600

-51.139

2021

43.930

135.843

10.000

145.843

-29.757

2022

64.171

58.995

10.000

68.995

-76.848

http://allris.intranet.luebeck.de/ai/___tmp/tmp/45-181100047936/6nXj6b1s4itsUUeYu7L21JJczR8w1emJCX9PZmh8/ecqipnpTL/64-Dateien/image002.png

 

Im Jahr 2018 konnten keine weiteren Kassenkredite zurückgeführt wurden. Sämtliche Tagesgelder und im Jahr 2018 fälligen Termingelder wurden getilgt, eine vorzeitige Ablösung weiterer, noch nicht fälliger Termingelder wurde durch die Banken abgelehnt. Per 31.12.2018 war daher Liquidität i.H.v. rd. 76.728 T vorhanden. Dieser konnte erst im Jahr 2019 für die Ablösung weiterer Termingelder bei deren Fälligkeit genutzt werden. Dies erklärt die umgekehrte Entwicklung der Liquiditätskredite in den Jahren 2018 und 2019 im Verhältnis zur Entwicklung der Jahresergebnisse.

 

Aktuelle Entwicklung und Ausblick

Im Jahr 2019 konnten die fällig werdenden Termingelder durch die aufgelaufenen Liquiditätsüberhänge zurückgezahlt werden. Im Anschluss wurden Liquiditätsbedarfe überwiegend kurzfristig über Tagesgeldaufnahmen gedeckt, für die keine Zinsen anfielen oder Verwahrentgelte erhalten wurden. Ein Bodensatz an Kassenkrediten wurde zudem mit längeren Laufzeiten von bis zu drei Jahren aufgenommen, wobei auch hier keine Zinsen anfielen oder Verwahrentgelte erhalten wurden. Im September 2020 und Oktober 2020 kam es schließlich zu zwei (fast als historisch zu bezeichnenden) Kassenkreditaufnahmen mit Laufzeiten von zweieinhalb und drei Jahren, für die ein „Marktausgleich“ von -0,25% an die Hansestadt Lübeck gezahlt wurde, also die ersten (und einzigen) negativ verzinsten Kassenkredite mit derartigen längeren Laufzeiten.

Seit dem Jahr 2019 erfolgte das Finanzierungsgeschäft für Kassenkredite im kurzfristigen Bereich, um eingehende Liquidität zeitnah für den Schuldenabbau zu verwenden und durch möglichst geringe Kontostände Verwahrentgelte zu vermeiden. Durch das niedrige Zinsniveau ist die Zinslast seit 2019 deutlich gesunken. Im Spätsommer 2020 kam es zu einem kurzen, sprunghaften Anstieg des Zinsniveaus, verursacht durch die Auszahlung der ersten Corona-Hilfen und eine dadurch ausgelöste erhöhte Nachfrage an Liquidität auf den Geldmärkten, weshalb für die aufgenommenen Tagesgelder zeitweise Zinsen zu zahlen waren. Im Verlauf des Jahres 2021 wurden die Freibeträge für Verwahrentgelte zunehmend derart reduziert, dass die Vermeidung von Verwahrentgelten nur noch bedingt möglich war.

Insgesamt konnte die Niedrigzinsphase jedoch erfolgreich für den Abbau von Kassenkrediten und sogar die Erzielung von Erträgen aus dem Finanzierungsgeschäft genutzt werden.

Aufgrund der weltwirtschaftlichen Entwicklung, beeinflusst durch verschiedene Krisen (z.B. Corona, Ukraine-Krieg) und die eingetretenen Rekordinflationen, leitete die Europäische Zentralbank durch die stufenweise Anhebung des Leitzinses seit Herbst 2022 eine Zinswende ein. In der Folge sind zwar die Verwahrentgelte auf die Einlagen bei Banken entfallen, im Gegenzug jedoch auch die erhaltenen Verwahrentgelte für aufgenommene Kassenkredite. Stattdessen sind wieder Zinsen auf die Kassenkredite zu zahlen. Der Leitzins wurde deutlich schneller und stärker erhöht als ursprünglich prognostiziert wurde. Dadurch ist auch der Zinsaufwand insbesondere im Jahr 2023 bereits deutlich angestiegen.

Die aktuelle Zinsmeinung besteht darin, dass mit einer weiteren Anhebung des Leitzinses und dadurch mit steigenden Kassenkreditzinsen zu rechnen ist. Dies wird eine Folge der anhaltend hohen Inflationsraten in der Europäischen Union sein, denen durch eine Leitzinsanhebung begegnet wurde und weiterhin wird. Dies spricht für die Aufnahme von Kassenkrediten mit längeren Laufzeiten, um das günstige Zinsniveau möglichst lange zu sichern und dadurch die Auswirkungen der erwarteten Zinssteigerungen auf den städtischen Haushalt abzumildern.

Durch die positive Liquiditätslage der vorangegangenen Jahre konnte der Schuldenabbau jedoch maßgeblich vorangebracht werden. Die Prognosen zur Liquiditätsentwicklung zeigen derzeit weiterhin einen sinkenden Liquiditätsbedarf auf. Das Steueraufkommen ist nach wie vor hoch und eine Absenkung wird derzeit nicht prognostiziert. In den vorangegangenen Haushaltsjahren konnte der Kassenkreditbestand durch Liquiditätsüberschüsse um rund 60 Mio.€hrlich reduziert werden. In der zweiten Jahreshälfte 2022 lag das Kassenkreditniveau innerhalb der üblichen Schwankungen im Schnitt rund 80 Mio.€ unter dem Vorjahresniveau. Zum Jahresende 2022 konnte mit einem Bestand von rund 68,7 Mio.€ ein neuer Tiefstand erreicht werden.

In der ersten Jahreshälfte 2023 hat sich der sinkende Liquiditätsbedarf allerdings abgeschwächt. Mit Stand vom 30.06.2023 bestanden Kassenkreditaufnahmen (incl. Ablösekredite) von rund 105,2 Mio.€ (Vorjahr: 133,3 Mio.€), die sich wie folgt aufgliedern:

-10,0 Mio.€ Ablösekredit mit Laufzeit bis 30.09.2024

-20,0 Mio.€ Termingeld mit Laufzeit bis 25.09.2023

-75,2 Mio. € Tagesgeld

Der Kassenkreditbestand liegt damit innerhalb der Schwankungsbreiten noch rund 30 Mio.€ unter dem Vorjahresniveau. Bei gleichbleibender Liquiditätsentwicklung ist zu erwarten, dass auch im zweiten Halbjahr 2023 sowie im Jahr 2024 ein weiterer Schuldenabbau erfolgen wird; unter diesen Bedingungen werden sowohl das letzte fällig werdende Termingeld im Jahr 2023 und der letzte Ablösekredit im Jahr 2024 zurückgezahlt werden können. Spätestens im Laufe des Jahres 2025 wird in diesem Fall der Bodensatz der Kassenkredite abgebaut sein und Kassenkredite werden voraussichtlich nur vorübergehend und kurzfristig im Rahmen der üblichen unterjährigen Schwankungen erforderlich.

Vor diesem Hintergrund erfolgt die strategische Ausrichtung im Liquiditätsmanagement weiterhin dahingehend, dass Liquiditätsbedarfe durch kurzfristige Kassenkreditaufnahmen (Tagesgelder) gedeckt werden.

r die perspektivisch erwartete auflaufende Liquidität wurde vorsorglich ein Anlagekonzept erstellt, welches laufend auf die sich ändernden Markt- und Liquiditätslagen angepasst wird.

Sollte es entgegen der derzeitigen Prognosen zu einem ansteigenden Liquiditätsbedarf kommen, z.B. durch ein verringertes Steueraufkommen oder zunehmende Wirtschaftshilfen und Sozialhilfeleistungen, ist die strategische Ausrichtung im Liquiditätsmanagement erneut zu prüfen.

 


Anlagen

Entwicklung der Liquiditätskredite in den einzelnen Jahren
 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich Entwicklung der Liquiditätskredite in den einzelnen Jahren (1352 KB)