Vorlage - VO/2022/11502-01  

Betreff: Antwort auf BM Wolfgang Neskovic: Anfrage gemäß § 16 Geschäftsordnung zur Eigentumslage bezüglich des aufgefundenen Schiffswracks in der Trave
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Monika FrankBezüglich:
VO/2022/11502
Federführend:4.491 - Archäologie und Denkmalpflege Bearbeiter/-in: Feßel, Charleen
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege zur Kenntnisnahme
14.11.2022 
29. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
24.11.2022 
36. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Anfrage des BM Wolfgang Neskovic zur Eigentumslage bezüglich des aufgefundenen Schiffswracks in der Trave gemäß § 16 Geschäftsordnung


Begründung

 

Fragen:

 

1. Wer ist Eigentümer des Schiffswracks? Welche Rechtsgrundlagen sind bei der Beantwortung dieser Frage zu berücksichtigen?

 

2. Welchen Einfluss hat der Umstand, dass das Schiffswrack in einer Bundeswasserstraße gefunden worden ist, auf die Eigentumslage des Schiffswracks?

 

 

Antworten:

 

Eigentümer des Schiffswracks ist das Land Schleswig-Holstein. Aktuell befindet es sich in der Bundeswasserstraße Trave, die dem Bund gehört.

 

Zwar ist in § 984 BGB (Schatzfund) Folgendes bestimmt:

 

Wird eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), entdeckt und infolge der Entdeckung in Besitz genommen, so wird das Eigentum zur Hälfte von dem Entdecker, zur Hälfte von dem Eigentümer der Sache erworben, in welcher der Schatz verborgen war.“

 

Finder des „Schatzes“ war der Bund als Träger der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV). Es handelt sich um eine Bundeswasserstraße, die im Eigentum des Bundes steht. Damit läge die Eigentümerschaft nach dieser Norm zunächst vollständig beim Bund.

 

Abweichend davon regelt aber § 15 Abs. 2 DSchG-SH (sog. Schatzregal), dass bewegliche Kulturdenkmale, die herrenlos sind oder die so lange verborgen gewesen sind, dass ihre Eigentümerinnen oder Eigentümer nicht mehr zu ermitteln sind, mit der Entdeckung Eigentum des Landes werden, wenn sie

1. bei staatlichen Nachforschungen oder

2. in Grabungsschutzgebieten im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 4 oder

3. bei nicht genehmigten Grabungen oder Suchen entdeckt werden oder

4. einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert besitzen.

 

Hier kommt Alternative 4. in Betracht. Es muss sich dann zunächst um ein bewegliches Kulturdenkmal handeln. Diese sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 DSchG-SH Einzelgegenstände, Sammlungen und sonstige Gesamtheiten beweglicher Einzelgegenstände, die für die Geschichte und Kultur Schleswig-Holsteins eine besondere Bedeutung haben, nationales Kulturgut darstellen oder aufgrund internationaler Empfehlungen zu schützen sind.

 

Denkmale, die sich im Boden, in Mooren oder in einem Gewässer befinden oder befanden und aus denen mit archäologischer Methode Kenntnis von der Vergangenheit des Menschen gewonnen werden kann, ordnet das DSchG-SH als „archäologische“ Kulturdenkmale ein. Das schließt aber nicht aus, dass es sich dabei auch um bewegliche Kulturdenkmale handelt. Es liegt dann bei Vorliegen der Denkmaleigenschaft ein bewegliches archäologisches Denkmal vor (vgl. Lund in: PdK SH Ziff. 5.2.1 zu § 2 Abs. 2 DSchG-SH).  r Funde unter Wasser gibt es hinsichtlich des Schatzregals im Übrigen keine Besonderheiten (Wiener in: PdK, Ziff. 3.4 zu § 15 Abs. 2 DSchG-SH).

 

Bewegliche Sachen sind alle selbstständigen Sachen, welche nicht Grundstück (bzw. Grundstücksbestandteil) sind (Grüneberg BGB, Überbl. § 90 Rn. 3). Ein Schiff ist eine bewegliche Sache/ein beweglicher Einzelgegenstand (BVerwG, Urteil vom 17.07.2014 5 C 20.13) und wird bei Vorliegen denkmalschutzrechtlicher Eigenschaften in SH auch als bewegliches Kulturdenkmal behandelt (vgl. SH-Landtag Drs. 18/2031 S. 25, 28). Der Umstand, dass es sich um ein Schiffswrack handelt, welches sich weitgehend vergraben auf dem Grund der Trave befindet, macht es noch nicht zum Bestandteil eines Grundstücks. Das wäre nur dann der Fall, wenn es mit dem Grundstück im Sinne des § 94 BGB fest verbunden wäre. Ob dies so ist, richtet sich nach der Verkehrsanschauung (Grüneberg BGB, § 94 Rn. 2). Die Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Trennung zwingend zur Zerstörung oder Änderung des Wesens der mit dem Grundstück verbundenen Sache führt, oder wenn sie nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich ist (Grüneberg ebenda; Mössner in: beck-online Großkommentar, § 94 BGB Rn. 8). Hinsichtlich der Unverhältnismäßigkeit wird es regelmäßig auf das Verhältnis zwischen dem Aufwand und dem Wert des abzutrennenden Bestandteils ankommen. (Mössner a.a.O., § 94 BGB Rn. 9).

 

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass das Schiff seiner Zweckbestimmung nach zu keiner Zeit bestimmt war, eine feste Verbindung mit einem Grundstück einzunehmen. Soweit man hier nach der Verkehrsanschauung überhaupt von einer Verbindung mit dem Grundstück ausgehen kann, ist diese nur dadurch erfolgt, dass das Schiff untergegangen ist und im Laufe der Jahrhunderte auf dem Grund der Trave von Sedimenten umspült wurde. Da das Schiff geborgen werden soll, um es vor weiterer Beschädigung bzw. Zerstörung zu bewahren, wird man nach der Verkehrsanschauung hier nicht von einer Zerstörung oder Wesensänderung durch die Bergung ausgehen können, selbst dann nicht, wenn man es möglicherweise in Einzelteilen wird bergen müssen. Denn die Einzelteile sind nicht als Bestandteile des Grundscks, sondern als Bestandteile des Schiffes anzusehen, dass an Land konserviert und restauriert werden soll.

 

Auch ist nach der Verkehrsanschauung im Hinblick auf den besonderen wissenschaftlichen Wert des Schiffes (s.u.), vor allem aber aufgrund der denkmalschutzrechtlichen Verpflichtung zum Erhalt des Schiffes als Kulturdenkmal keine Unverhältnismäßigkeit wegen des zu erwartenden hohen Bergungsaufwands zu erkennen.

 

Es wird deshalb davon ausgegangen, dass das Schiff seine Eigenschaft als bewegliche Sache nicht dadurch verloren hat, dass es sich von Sedimenten umspült auf dem Grund der Trave befindet. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass als unbewegliche Denkmale ganz allgemein in erster Linie bauliche Strukturen, sonstige materielle Spuren und Bodenverrbungen natürlicher Art oder aufgrund vergangener Baustrukturen wie Grabgruben, Baugruben oder Kanäle und Pflugfurchen etc. verstanden werden (vgl. Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, beck online Rn. 137), nicht aber untergegangene Schiffe.

 

Das Schiffswrack ist auch herrenlos. Ein Eigentümer kann nicht ermittelt werden (wäre anhand von Archivalien noch zu prüfen; ggf. könnte sich die Eigentümereigenschaft der HL ergeben, ist aber eher unwahrscheinlich).

 

Das Kulturdenkmal müsste einen besonderen wissenschaftlichen Wert besitzen. Dies ist der Fall, wenn es besonders wichtige Erkenntnisse für die Wissenschaft bringt oder eine dauerhafte wissenschaftliche Aussagekraft hat. Je nach Fragstellung kann sich der hervorragende wissenschaftliche Wert z.B. aus Alter, Material, Verarbeitung, Materialwert oder Seltenheit des Fundes ergeben. Der hervorragende wissenschaftliche Wert kann sich auch daraus ergeben, dass ein Fund besonders zur Vermittlung von Wissen geeignet ist und daher ein besonderes Interesse an seiner Präsentation besteht oder dass seine Erhaltung, auch vor dem Hintergrund zukünftiger Untersuchungen, erforderlich ist, aber dauerhaft nur durch die öffentliche Hand gewährleistet werden kann. Nach Aussage des Bereichs Archäologie und Denkmalpflege wird dem Wrack ein besonderer wissenschaftlicher Wert im o.g. Sinne beigemessen. Es handelt sich um ein typisches Frachtschiff aus der Zeit der Hanse nebst umfangreicher Ladung und stellt nach Einschätzung der Fachleute einen bedeutenden archäologischen Fund dar, der wertvolle Erkenntnisse zur Geschichte Lübecks und den weitreichenden historischen Handelsbeziehungen der Stadt innerhalb des Städtebunds der Hanse bietet. Eine derartige Entdeckung in der westlichen Ostseeregion gab es bislang nicht.

 

Damit sind alle Voraussetzungen für einen Eigentumsübergang auf das Land nach § 15 Abs. 2 DSchG-SH erfüllt. Als öffentlich-rechtliche Sonderbestimmung auf dem Gebiet des Denkmalschutzrechts geht § 15 Abs. 2 DSchG-SH dem § 984 BGB vor.

 

rde man dem Schiffswrack entgegen der hier vertretenen Ansicht diese besondere wissenschaftliche Bedeutung nicht zumessen, würde ein Eigentumsübergang auf das Land nicht erfolgen. Dann bliebe der Bund als Träger der WSV Eigentümer. Hier wäre ein Eigentumsübergang auf die HL nach § 15 Abs. 4 DSchG-SH zu prüfen. Dieser ist daran gebunden, dass der Ablieferungsberechtigte (die HL) innerhalb von drei Monaten die Ablieferung verlangt, oder sich dieses Recht zumindest vorbehält. Diese Ablieferung wurde nicht verlangt. Hier könnten aber insoweit Besonderheiten zu beachten sein, die zu einer anderen Rechtsfolge führen könnten, insbesondere deshalb, weil nicht klar ist, wie der Finder hier überhaupt seiner Ablieferungspflicht nachkommen könnte. Die einschlägige Fachliteratur beschäftigt sich mit dieser Frage nicht. Rechtsprechung gibt es soweit ersichtlich hierzu ebenfalls nicht. Auf eine eingehende Prüfung dieser Frage wird aber einstweilen verzichtet, da derzeit davon ausgegangen wird, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 DSchG-SH hier erfüllt sind.

 

Zu den besonderen Verhältnissen in der Hansestadt Lübeck:

 

Nach § 3 (2), Satz 4 DSchG-SH wird bestimmt: Die Aufgaben der oberen Denkmalschutzbehörden werden für den Bereich der Hansestadt Lübeck von deren Bürgermeisterin oder Bürgermeister wahrgenommen.

 

Damit handelt die Hansestadt Lübeck denkmalrechtlich weitgehend abschließend in eigener Zuständigkeit. Dies gilt seit 1958, der Einführung eines DSchG in SH in kontinuierlicher Fortsetzung der ehemals eigenstaatlichen Gesetzgebung Lübecks. Seit alters her besitzt die Hansestad Lübeck daher eine der größten Sammlungen archäologischer Kulturdenkmale in Nordeuropa und betreut diese fachlich eigenständig, unabhängig vom Land SH. Die mehre Millionen zählenden Objekte sind in Lübeck inventarisiert und werden für die Forschung und Ausstellungen (international als Leihgaben) zur Verfügung gestellt. Fast alle Objekte stammen seit alters her bis in die Gegenwart aus Ausgrabungen auf dem Gebiet der Hansestadt Lübeck. Einen Anspruch des Landes darauf hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben.

 

Das Schiffswrack in der Untertrave ist durch die WSV entdeckt und zunächst irrtümlich von dort dem Archäologischen Landesamt Mecklenburg-Vorpommern gemeldet worden. Dieses wiederum hat es dem Arcologischen Landesamt SH in Schleswig weitergemeldet, das wiederum hat den Fund unverzüglich an den Bereich Archäologie und Denkmalpflege der HL zuständigkeitshalber weitergegeben. Der Bereich hat danach die Fundstelle als archäologisches Kulturdenkmal 283 in die Denkmalliste der Hansestadt Lübeck übernommen. Dies erfolgte aus der Zuständigkeit der HL als Oberer Denkmalschutzbehörde und diese hat daraufhin das gesamte Verfahren geführt.

 

In der bisherigen Rechtswahrnehmung der HL und des Landes SH ist es unstrittig, dass Lübeck denkmalrechtlich selbständig schon immer alle beweglichen Kulturdenkmale im Landeseigentum inventarisiert, bewahrt, verwaltet und dokumentiert. Hierauf vertrauen seit vielen Jahrzehnten die Landesinstitutionen. Im konkreten Fall des Schiffswracks ist das Land von Beginn an involviert und informiert, die Landesinstitutionen Archäologisches Landesamt und Archäologisches Landesmuseum sind zu fachlichem Austausch hinzugezogen worden. Ein Landesanspruch wurde zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht.


 


Anlagen

keine
 

Stammbaum:
VO/2022/11502   BM Wolfgang Neskovic: Anfrage gemäß § 16 Geschäftsordnung zur Eigentumslage bezüglich des aufgefundenen Schiffswracks in der Trave   Geschäftsstelle der Fraktion 21   Anfrage
VO/2022/11502-01   Antwort auf BM Wolfgang Neskovic: Anfrage gemäß § 16 Geschäftsordnung zur Eigentumslage bezüglich des aufgefundenen Schiffswracks in der Trave   4.491 - Archäologie und Denkmalpflege   Antwort auf Anfrage öffentlich