Vorlage - VO/2021/10084-01  

Betreff: Antwort auf die Anfrage des AM Ulrich Pluschkell: Baulandmobilisierungsgesetz

Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna HagenBezüglich:
VO/2021/10084
Federführend:5.610 - Stadtplanung und Bauordnung Bearbeiter/-in: Schröder, Karsten
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bauausschuss zur Kenntnisnahme
20.09.2021 
57. Sitzung des Bauausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag


Anfrage des AM Pluschkell in der Bauausschusssitzung am 17.05.2021 (VO/2021/10084):

 

Am 07.05.2021 hat der Deutsche Bundestag das Baulandmobilisierungsgesetz beschlossen. Hierzu frage ich wie folgt:

 

  1. Welche für die Schaffung neuen Wohnraums wichtigen Regelungen enthält dieses Gesetz?
  2. Welche für die Sicherung von bezahlbarem Wohnraum bedeutsamen Regelungen enthält dieses Gesetz?
  3. Welche dieser Regelungen können auch in der Hansestadt Lübeck Anwendung finden?
  4. Welche Auswirkungen kann dieses Gesetz für den Wohnungsmarkt in Lübeck haben?

 


 


Begründung


Zu 1.:

Erweiterung der Anwendung des beschleunigten Verfahrens

Aufhebung von Bebauungsplänen im beschleunigten Verfahren (§ 13a Abs. 4)

Das Verfahren nach § 13a BauGB kann zukünftig auch für die Aufhebung von Bebauungsplänen genutzt werden.

Dies ermöglicht eine schnellere und einfachere Aufhebung von Bebauungsplänen, um z.B. eine Innenverdichtung für zusätzlichen Wohnraum nach § 34 BauGB zu ermöglichen.

 

Zeitliche Fortsetzung bzw. Wiedereinführung der Anwendung des beschleunigten Verfahren für Außenbereichsflächen 13b BauGB)

(befristet bis zum 31.12.2022 für Aufstellungsbeschluss bzw. 31.12.2024 für Satzungsbeschluss):

Wiedereinführung der befristeten Regelung zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren (§ 13a BauGB), um die Schaffung neuen Wohnbaulands zu erleichtern.

 

Erweiterte Befreiungsmöglichkeit von Festsetzungen 31 Abs. 3 BauGB):

(Landes-Verordnung nach § 201a BauGB notwendig)

Absatz 3 erweitert die Befreiungsmöglichkeit von Festsetzungen eines Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus. Hierbei können die Grundzüge der Planung berührt sein. In diesem Zusammenhang können z.B. Auf- oder Anbauten ermöglicht werden, in Mischgebieten kann von der etwa gleichen Gewichtung von Wohnen und Gewerbe zu Gunsten des Wohnens abgewichen werden, oder in Sondergebieten mit der Zweckbestimmung Einzelhandel die Ergänzung/Aufstockung mit Wohnnutzung erfolgen.

 

Erweiterte Abweichungsmöglichkeit vom Einfügungserfordernis (§ 34 Abs. 3a):

Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung kann bei Erweiterung, Änderung, Erneuerung (Abriss und Neubau) oder Nutzungsänderung von Wohngebäuden nicht nur wie bisher im Einzelfall abgewichen werden, sondern in mehreren vergleichbaren Fällen.

Voraussetzung ist u.a. wie bisher, dass das Vorhaben städtebaulich vertretbar ist.

 

 

Zu 1. und 2.:

Sektoraler Bebauungsplan für Wohnungsbau (§ 9 Abs. 2d BauGB)

(befristet bis zum 31.12.2024 für Aufstellungsbeschluss bzw. 31.12.2026 für Satzungsbeschluss):

Ein neuer Sektoraler Bebauungsplan wird eingeführt, für die Festsetzung von ausschließlicher Wohnnutzung, und zudem ggf. gefördertem Wohnraum im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB).

Mit diesem sektoralen Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden ausschließlich für

  • Wohngebäude,
  • Gebäude, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für geförderten Wohnungsbau erfüllen oder
  • Gebäude, mit Verpflichtung für den Vorhabenträger, Bestimmungen der sozialen Wohnraumförderung einzuhalten (insbesondere Miet- und Belegungsbindungen).

 

Er kann als einfacher Bebauungsplan aufgestellt werden. Ergänzend können Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung oder zur Bauweise getroffen werden. Das Instrument dürfte gut dazu geeignet sein, in Gebieten nach § 34 BauGB das zulässige Maß der Wohnnutzungen zu intensivieren und dabei auch geförderten sozialen Wohnungsbau festzusetzen.

 

Erweiterung der kommunalen Vorkaufsrechte

Diese gelten für unbebaute Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder in Gebieten nach § 34 BauGB. Bei Ausübung kann die Stadt als Eigentümer so Einfluss auf die Wohnbaulandentwicklung und die Bebauung der Grundstücke mit bezahlbarem Wohnraum nehmen.

 

Allgemeines Vorkaufsrecht (§ 24 Abs. 1 Nr. 6 BauGB):

Für Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder in Gebieten nach § 34 Abs. 2 BauGB (faktisches Baugebiet). Auch ein nur eingefriedetes oder erkennbar zu vorläufigen Zwecken bebautes Grundstück ist als unbebaut anzusehen und somit einem gemeindlichen Vorkaufsrecht zugänglich.

 

Allgemeines Vorkaufsrecht (§ 24 Abs. 1 Nr. 8 BauGB):

Neues Vorkaufsrecht, wenn auf den Grundstücken ein städtebaulicher Missstand vorliegt, z.B. Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht entsprochen wird, oder die bestimmungsgemäße Nutzung der baulichen Anlage nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird („Problemimmobilien“).

 

Besonderes Vorkaufsrecht (§ 25 Abs. 1, Nr. 3 BauGB):

(Landes-Verordnung nach § 201a notwendig)

Für Flächen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans:

Neues Vorkaufsrecht durch Satzung für brachliegende (mit leerstehenden Gebäuden bebaute und unbebaute) Grundstücke

In Gebieten nach § 34 BauGB:

Neues Vorkaufsrecht durch Satzung für unbebaute oder brachliegende Grundstücke, wenn die Grundstücke vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können.

Auch in diesen Fällen werden Grundstücke mit Einfriedung oder erkennbarer Bebauung zu vorläufigen Zwecken als „unbebaut“ eingestuft.

 

Ausübung Vorkaufsrecht zum Verkehrswert (§ 28 Abs. 3 BauGB):

Bei der Ausübung von Vorkaufsrechten ist ein voraussetzungsloser Erwerb zum Verkehrswert möglich, anstelle des vereinbarten Kaufpreises (bisherige Regelung). Der Verkäufer kann hierbei innerhalb eines Monats vom Verkauf zurücktreten.

 

Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen

(§ 250 BauGB) (befristet bis zum 31.12.2025):

(Landes-Verordnung nach § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB notwendig):

Diese Gebiete müssen unabhängig von einer Verordnung nach § 201a BauGB von der Landesregierung durch eine eigene Rechtsverordnung nach § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB bestimmt werden.

In Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne von § 201a BauGB bedarf bei Wohngebäuden mit mehr als fünf Wohneinheiten die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes der Genehmigung.

 

 

Zu 3.:

Von den Regelungen des Baulandmobilisierungsgesetzes wären aus Sicht der Planungsverwaltung für Lübeck von besonderem Interesse:

  • Sektoraler Bebauungsplan (§ 9 Abs. 2d BauGB): Um in Gebieten nach § 34 BauGB das zulässige Maß der Wohnnutzung zu steuern und dabei auch geförderten Wohnungsbau festzusetzen

(Landes-Verordnung nach § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB notwendig):

  • Erweiterte Befreiungsmöglichkeit  31 Abs. 3 BauGB) von Festsetzungen eines Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus (vor allem in Mischgebieten oder Sondergebieten Einzelhandel)

 

Voraussetzung für die Anwendung folgender Teile des Baulandmobilisierungsgesetzes ist, dass das Land Schleswig-Holstein die Stadt Lübeck durch eine Rechtsverordnung (befristet bis. max. 31.12.2026) nach dem neuen § 201a BauGB als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt bestimmt (oben in Klammern mit Pfeil beim jeweiligen Paragraphen):

  • Besonderes Vorkaufsrecht (§ 25 Abs. 1, Nr. 3 BauGB)
  • Erweiterte Befreiungsmöglichkeit (§ 31 Abs. 3 BauGB)
  • Erweiterungen beim Baugebot (§ 176 BauGB Abs. 1 Nr. 3)

Rechtsverordnung des Landes nach § 250 Abs. 1 Satz 3 erforderlich (befristet bis zum 31.12.2025) (oben in Klammern mit Pfeil beim Paragraphen):

  • Genehmigungsvorbehalt für die Bildung von Wohnungseigentum (§ 250 BauGB)

 

Voraussetzung für die Anwendung ist jeweils, dass mindestens eine der folgenden im § 201a BauGB genannten Voraussetzungen für Lübeck gegeben ist:

  1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
  2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
  3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
  4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.

Das Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung (MILIG) prüft aktuell den Erlass einer entsprechenden Landesverordnung nach §201a BauGB. Aktuell läuft eine Abfrage über den Städteverband Schleswig-Holstein, ob seitens der Städte der Erlass einer Verordnung als erforderlich angesehen wird.

 

 

Zu 4.:

Mit den Neuerungen im Baugesetzbuch ist insbesondere die Chance verbunden, in quantitativer Hinsicht positive Effekte für den Wohnungsmarkt in Lübeck zu erzielen, da die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Wohnungsbau schneller geschaffen bzw. vorhandene Potentiale einfacher aktiviert werden könnten.

Insbesondere im Geltungsbereich von Bebauungsplänen könnten durch die Erleichterung von Befreiungen Wohnbauvorhaben ohne zeitintensive Planverfahren ermöglicht werden (bspw. innerhalb von Mischgebieten oder Sondergebieten mit der Zweckbestimmung Einzelhandel).

Die Erleichterungen für den Wohnungsbau sind mit der Herausforderung verbunden, weiterhin eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten. Insbesondere in Stadtgebieten mit besonders schützenswerten oder sensiblen städtebaulichen Strukturen sind Fehlentwicklungen zu vermeiden.

 

 


Anlagen


 

Stammbaum:
VO/2021/10084   AM Ulrich Pluschkell: Baulandmobilisierungsgesetz   Geschäftsstelle der SPD Fraktion   Anfrage
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