Vorlage - VO/2020/09375  

Betreff: Antrag des AM Thomas-Markus Leber, FDP, zur Thematik Verkehrssimulation und Verkehrsmodellierung in der Verkehrs- und Stadtplanung
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsstelle der FDP Fraktion Bearbeiter/-in: Völker, Astrid
Beratungsfolge:
Bauausschuss zur Entscheidung
19.10.2020 
40. Sitzung des Bauausschusses unverändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Simulationen werden in Lübeck in der Verkehrs- und Stadtplanung eher zurückhaltend eingesetzt. Dafür gibt es gute Gründe. Es gibt aber auch gute Gründe solche Planungstools verstärkt einzusetzen, um Planungsprozesse zu optimieren, Ressourcen besser zu nutzen, Kosten zu sparen und den Verkehr effizienter, sicherer und umweltfreundlicher zu machen.

Verkehrsmodellierungen können dazu beitragen den Verkehrsfluss zu optimieren, Staus zu vermeiden, Rahmenbedingungen zu verbessern, die Sicherheit zu erhöhen und Entscheidungsträger bei der Gestaltung der Zukunft zu unterstützen. Dies alles ohne Glaskugel, aber auf der Basis von Big Data und künstlicher Intelligenz - ganz im Sinne der angestrebten Verkehrswende und im Sinne einer sauberen und lebenswerten Stadt.

 

Antrag:

Vor dem Hintergrund der anstehenden planerischen Herausforderungen wird die Verwaltung um einen Bericht zur Thematik Verkehrssimulation / Verkehrsmodellierung gebeten.

Der Bericht soll Aussagen zum Stand der Technik im Bereich der Verkehrssimulation in der Verkehrs- und Stadtplanung, aber auch zu den aktuell zur Verfügung stehenden Instrumenten enthalten. Relevante Problemstellungen sind zu identifizieren, das Beitragspotential von Verkehrssimulationen und Verkehrsmodellierungen sind zu beschreiben. Sinnvoll erscheint eine Typisierung und Strukturierung wichtiger Simulationsinstrumente unter Berücksichtigung von Anwendungsmöglichkeiten, -grenzen sowie Kosten und Nutzen. Auch ist der Anteil von simulationsgestützten Planungsprozessen an der Gesamtplanung darzustellen.

Der Bericht soll bis Anfang des II. Quartals 2021 vorliegen. 

Sollte der Bericht im Wesentlichen zu positiven Aussagen kommen, sind zeitnahe entsprechende Mittel einzustellen und Voraussetzungen zu schaffen, die es erlauben, dass derartige Planungstools verstärkt in der Verkehrs- und Stadtplanung eingesetzt werden können.

Ziel ist es, die Planer in den Bereichen Stadtplanung und Verkehr bestmöglich aufzustellen und bestmöglich zu unterstützen. Die Akteure sollen für das Problemlösungspotential sowie die Anwendungsmöglichkeiten und- grenzen von Simulationen sensibilisiert werden.
 

 

 


Begründung

Die Effekte der Globalisierung und des technologischen Fortschritts haben den Verkehr beeinflusst. Das Verkehrsaufkommen hat zugenommen. Viele Straßen sind zeitweise oder permanent überlastet. Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist essentiell, auch in Lübeck.

Verkehr ist ein Erfolgsfaktor für die Zufriedenheit der Bürger. Intelligente Verkehrsplanung und Verkehrsmanagement in Echtzeit machen Städte und Regionen fit für die Zukunft.

Der forcierte Einsatz einer Verkehrssimulationssoftware kann Stadtplaner und Verkehrsingenieure bei der strategischen und operativen Entscheidungsfindung unterstützen.

Autos, Fahrräder, Lkws, Busse oder Fußgänger: Alle wollen in einem gelungenen Mobilitätskonzept berücksichtigt sein. Jeder will sicher, schnell und nachhaltig sein Ziel erreichen: Der Individualverkehr, der ÖPNV und in Zukunft auch autonom fahrende Fahrzeuge. Die Komplexität der Anforderungen muss berücksichtigt und die Auswirkungen einer Maßnahme auf alle Verkehrsteilnehmer sogfältig abgewogen werden. Die Software kann hier helfen.

Ziel sollte es sein, eine sichere, nachhaltige und zukunfts-gerichtete Verkehrsinfrastruktur zu schaffen. Verkehrsmodellierungen und Simulationslösungen generieren einen Mehrwert.

Es gibt viele verkehrsplanerische Maßnahmen, deren Wirkung auf analytischem Wege bewertet werden kann und die ohne aufwändige Simulation auskommen. Mit zunehmender Komplexität des abzubildenden Verkehrsgeschehens werden die Auswirkungen planerischer Vorgaben auf Basis zusammengetragener Daten und Fakten allerdings immer schwerer zu analysieren und zu interpretieren. Visuelle Darstellungen des Straßenverkehrs sind oft die einzige Möglichkeit, um belastbare Aussagen über die Verkehrsqualität zu treffen.

Lange reagierte man auf ein erhöhtes Verkehrsaufkommen damit, dass die Fahrbahnkapazität durch Verbreiterung oder den Bau neuer Straßen erhöht wurde. Es geht aber auch anders: Durch den Einsatz einer effizienten Verkehrssimulationssoftware lassen sich innovative, intelligentere Lösungen und maßgeschneiderte Alternativen entwickeln. Dies führt zu einer besseren Auslastung des Verkehrsnetzes, zur Verbesserung des Verkehrsflusses, zur Erhöhung der Sicherheit und zur Reduzierung von Lärm und Emissionen. Die Verkehrsmodelle entstehen auf der Grundlage der örtlichen Begebenheiten, auf der Grundlage von Verkehrsanalysen und -prognosen sowie vieler weiterer Fakten und Kennzahlen.

Aktuelle Softwarelösungen können einen realistischen und detaillierten Überblick über das Verkehrsgeschehen und die lokalen Verkehrsbedingungen liefern. Die Verkehrsmodellierung schafft ein digitales Ebenbild eines Planungsgebietes in der Stadt oder der Region. Mit einer geeigneten Software kann untersucht werden, welche Anpassungen beim Verkehr erforderlich sind. Die Simulation unterstützt die Planer bei der Abbildung verkehrlicher Vorgänge, der Identifikation möglicher Schwachstellen und ihrer Ursachen, wie auch bei der Validierung der Maßnahmen zur positiven Beeinflussung des Verkehrs.

Eine hohe Detailtiefe ermöglicht eine hohe virtuelle Realität. Ausgefeilte Softwarelösungen sind in der Lage das gesamte Straßennetz samt der Interaktion aller motorisierten und nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer, sowie der charakteristischen Bewegungsabläufe abzubilden. Dies wiederum ist die Grundlage um verschiedenste Geometrien modellieren zu können – vom Standardknoten bis hin zu komplexen Kreuzungen und Kreisverkehren.

Ausgefeilte Softwarelösungen können Simulationen auf unterschiedlichstem Detaillierungsniveau generieren. Auf der mikroskopischen Ebene liefert die Simulationssoftware den höchsten Detaillierungsgrad. Hier können Fahrzeuge und Fußgänger individuell simuliert werden. Nachteil: ein hoher Zeitaufwand und damit hohe Kosten. Alternativ kann die Software auch auf der mesoskopischen Ebene eingesetzt werden. (Diese befinden sich zwischen der Mikro- und der Makroebene). Der Detaillierungsgrad ist hier deutlich niedriger. Folge: Aufwand und Kosten fallen niedriger aus. Ergebnisse sind schneller verfügbar. Prozesse lassen sich im Ergebnis effizienter gestalten. Denkbar ist auch eine Kombination aus beiden Simulationsebenen in einer hybriden Simulation. Entscheidend ist, wie schnell die Ergebnisse verfügbar sein sollen, welche Kosten entstehen dürfen und welcher Aufwand angemessen erscheint, um komplexe Aufgaben lösen zu können. 

Die Visualisierung der Lichtsignalanlagen (LSA) kann weitere Optimierungspotentiale eröffnen. So lassen sich LSAs so aufeinander abstimmen, dass eine „grüne Welle“ entsteht.

Mit der Software lassen sich überdies verschiedene Knotenpunktkonzepte testen. Von einfachen Kreuzungen über signalgesteuerte Knotenpunkte bis hin zu Kreisverkehren mit ÖPNV-Bevorrechtigung und Fußgängerinteraktion - jede Art von Knotengeometrie, Vorfahrtsregelung und Signalsteuerung lässt sich modellieren und untersuchen.

Durchspielen lassen sich zudem viele „Was wäre wenn“-Szenarien. Was wäre, wenn es in Lübeck mehr Kreisverkehre gäbe? Wie würden sich Stau, Luftqualität und Unfallquoten entwickeln? Mit Hilfe von individuell formulierten „Was wäre wenn“-Szenarien, lassen sich Auswirkungen möglicher Maßnahmen schnell erfassen und bewerten. Dies kann die Arbeit der Verkehrsplanung optimieren. Alle Eventualitäten können bedacht werden.

Die Pflege und der Bau von Verkehrsinfrastruktur kosten Bund, Länder und Kommunen jährlich mehrere Milliarden Euro. Jede Investition will gut überlegt sein. Testläufe in der realen Welt können sich als sehr aufwändig und kostspielig erweisen. Diese Kosten sowie Fehlinvestitionen ließen sich vermeiden, wenn vor der Implementierung der geplanten Maßnahmen Testläufe in einer Verkehrsflusssimulationsumgebung prognostiziert werden.

Ein Verkehrsmanagement in Echtzeit eröffnet weitere Optionen. So können auch im Falle eines Unfalls oder zur täglichen Rush-Hour der Verkehrsfluss sichergestellt und Staus, Straßensperrungen oder Baustellen entschärft werden. Sensoren, Verkehrskameras, GPS und Bluetooth generieren dazu eine gewaltige Menge an Echtzeitverkehrsdaten. Mit den richtigen Tools lassen sich in Sekundenbruchteilen alle Daten analysieren, miteinander kombinieren und Lösungen aufzeigen. Mit Hilfe von Apps lassen sich Mobilitätslösungen individualisieren. Pendler können informiert werden, welchen Weg sie bevorzugen sollen. Push-Benachrichtigungen können gesendet werden, wenn sich der Bus verspätet. Die Software für das Verkehrsmanagement in Echtzeit korrespondiert mit der Software für die Verkehrssimulation.

Und noch einen Mehrwert können Verkehrssimulationen und Verkehrsmodellierungen generieren: Sie sind geeignet um in politischen Gremien oder in der breiten Öffentlichkeit die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse in realitätsnahen Visualisierungen auch für ein nicht-technisches Publikum greifbar zu machen. Konzepte und Planungsvarianten, die noch nicht existieren, werden sichtbar. Komplexe Zusammenhänge werden intuitiv verständlich.

Über die Ergebnisdarstellung lassen sich nicht nur die besten Entscheidungen treffen, die Entscheidungsfindung steht auch auf soliden Füßen und findet eine breitere Akzeptanz. Dies ist gut für Lübeck, gut für alle Verkehrsteilnehmer, aber auch gut für das Standing der Verkehr- und Stadtplanung in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Mitarbeiter dort wurden in der Vergangenheit viel zu selten für ihre Arbeit wertgeschätzt. Das könnte sich nun ändern.


 

 

 


Anlagen