Vorlage - VO/2020/09292  

Betreff: Antrag des AM Thomas-Markus Leber, FDP: Erprobung von Abbiegespiegeln an Ampeln zum Schutz von Radfahrern und Fußgängern im Bereich gefährlicher Kreuzungen.
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsstelle der FDP Fraktion Bearbeiter/-in: Völker, Astrid
Beratungsfolge:
Bauausschuss zur Entscheidung
21.09.2020 
39. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
19.10.2020 
40. Sitzung des Bauausschusses unverändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Der Bürgermeister wird gebeten zu prüfen, in wieweit das zusätzliche Anbringen von sog. Abbiegespiegeln an Ampeln im Bereich von gefährlichen Kreuzungen dazu beitragen kann die Verkehrssicherheit von Radfahrern und Fußgängern zu verbessern.

Ziel der Maßnahme ist es die hohe Zahl von Abbiegeunfällen und die hohe Zahl von tödlichen Unfällen in der Hansestadt spürbar zu reduzieren, idealerweise ganz zu vermeiden.

Innerhalb einer einjährigen Pilotphase sollen Funktion, Kosten, Nutzen und Instandhaltungsaufwand an einigen besonderen Umfallschwerpunkten analysiert, bewertet und abgewogen werden. Ein entsprechendes Untersuchungsdesign ist zu entwickeln, das Vorher-Nachher-Analysen möglich macht. So kann beurteilt werden, ob der Spiegel das Verhalten der Verkehrsteilnehmer verändert.

Im Falle eines positiven Testverlaufes sind weitere Ampeln mit Zusatzspiegeln auszustatten. Erste Standorte könnten die Unfallhäufungsstellen rund um den Gustav-Radbruch-Platz sowie an der Kreuzung Lohmühle / Schwartauer Allee sein.


 

 

 


Begründung

3.046 Menschen starben im Jahre 2019 in Deutschland bei Straßenverkehrsunfällen. 445 davon waren Radfahrer. Die Zahl der getöteten Radfahrer ist seit 2010 um 16,5% gestiegen und blieb zuletzt im zweiten Jahr in Folge deutlich über 400 Todesopfern im Jahr.

Hauptursachen bei Unfällen mit Radfahrern sind Abbiegeunfälle, das Nichtbeachten der Vorfahrt sowie – mit Abstand – das Einfahren. 

Der allgemeine Deutschlandtrend bestätigt sich auch in Lübeck. 2019 waren in der Hansestadt 632 Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Rad- und Pedelec-fahrern zu verzeichnen. Dies war die höchste Anzahl innerhalb der vergangenen 10 Jahre. Sieben Verkehrsteilnehmer wurden bei Verkehrsunfällen tödlich verletzt, vier davon waren Radfahrer. Zwei der vier Radfahrer kamen zu Tode, weil sie von abbiegenden Kraftfahrern im „toten Winkel“ nicht wahrgenommen wurden (vgl. Verkehrssicherheitsbericht der Hansestadt für das Jahr 2019).

Der tote Winkel, also der auch durch Rückspiegel nicht einsehbare Bereich neben dem Fahrzeug, ist für Fußgänger und Radfahrer ein lebensgefährlicher Aufenthaltsort.

 

Der Abbiegespiegel als geeignete Maßnahme zum Schutz von Radfahrern und Fußgängern:

Als wirksames Hilfsmittel zur Wahrnehmung von Radfahrern und Fußgängern im „toten Winkel“ von LKWs und Bussen hat sich neben Assistenzsystemen der „Abbiegespiegel“ erwiesen.

Der stationäre, gewölbte Rundspiegel wird am Ampelmast montiert und erweitert den Blickwinkel eines LKW-Fahrers erheblich. Schaut der Fahrer in der Zufahrt auf eine entsprechend nachgerüstete Ampel, hat er mit dem Spiegel automatisch auch den Bereich neben seinem Fahrzeug und damit den parallel fahrenden Radfahrer im Blick.

Der "Abbiegespiegel" ergänzt die Fahrzeugspiegel der Lkws sowie zusätzliche Kamera- und Warnsysteme, um Konflikte und Unfälle mit Radfahrern im toten Winkel zu vermeiden. Eine Daseinsberechtigung wird der Spiegel auch nach 2022 haben, wenn Abbiegeassistenzsysteme für LKWs in der EU Pflicht werden. Diese Assistenzsysteme werden die Fahrzeug- und Ampelspiegel nicht vollumfänglich ersetzen können.

Der „Trixi-spiegel“:

Erfunden wurde der Abbiegespiegel 1994 von einem Mann, dessen damals zwölfjährige Tochter von einem abbiegenden Betonmischer überrollt wurde und seitdem im Rollstuhl sitzt. Nach ihr ist der Spiegel benannt: „Trixi-Spiegel“. Der Spiegel ist ab 75 Euro im Handel erhältlich. Besonders gute Erfahrungen hat man mit Spiegeln gemacht, die über die Stromversorgung der Ampeln gegen ein Vereisen im Winter auch beheizt werden können.

Mittlerweile gibt es einige Städte, die „Trixi-Spiegel“ oder den „black-spot-mirror“ - so heißt das niederländische Pendant - eingeführt haben.

Ein runder Sicherheitsspiegel für Radfahrer ist an einer Ampelkreuzung angebracht. © dpa Foto: Friso Gentsch          https://www.foerde.news/assets/images/5/toter-winkel-spiegel-8017-61ca0656.jpg

Spiegel warnen die LKW-Fahrer vor Radfahrern und Fußgängern im toten Winkel. Links der „Trixi-Spiegel“, rechts der „black-spot-mirror“ aus den Niederlanden.

 

Der „black spot mirror“:

Der „black spot mirror“ kann dank seiner speziellen Form unmittelbar unter dem Grünlicht einer Ampelanlage integriert werden. Mit 750 Euro ist der „black spot mirror“ deutlich teurer, bietet aber einen Mehrwert. Diese Kosten stehen in keinem Verhältnis zu dem, was für bauliche Maßnahmen zur Verringerung des toten Winkels ausgegeben werden müsste. 

Es sei noch erwähnt, dass Abbiegespiegel die Kraftfahrer nicht von ihrer Sorgfaltspflicht entbinden. Sie helfen auch nur, wenn sie aktiv benutzt werden. Die Spiegel helfen vor allem vor dem Abbiegevorgang, im Abbiegevorgang selbst verschaffen sie keine zusätzliche Sicherheit.

 

Bislang nicht durchsetzen konnte sich ein Konzept, das mit Hilfe von Wärmesensoren Radfahrer und Fußgänger in einer Entfernung von 40 Metern vor einer Kreuzung erkennt. Die hohen Kosten von 34.000 Euro verhinderten den Markterfolg des „Bike-Flash“.

 

Gute Erfahrungen anderswo:

Überall wo die Spiegel bislang zum Einsatz kamen gingen die Unfallzahlen deutlich zurück. Deutlich weniger Radfahrer im toten Winkel wurden von rechtsabbiegenden LKWs erfasst.

In Freiburg im Breisgau wurde bereits 2007 ein erstes Pilotprojekt mit dem Trixi-Spiegel gestartet. Mittlerweile sind weit über 160 Spiegel im Stadtgebiet installiert. Seit 2007 kam kein Radfahrer mehr durch abbiegende LKWs zu Tode. 160 Trixi-Spiegel gibt es auch in Karlsruhe. 

 

Sehr gute Erfahrungen mit den Spiegeln machten in jüngerer Zeit die Städte Flensburg, Oldenburg, Göttingen, Osnabrück, Krefeld, Aachen und Münster. In der westfälischen Fahrradhauptstadt kommt v.A. der in den Niederlanden entwickelte „black spot mirror“ zum Einsatz. Köln und München wollen nun ebenfalls im Kampf gegen den toten Winkel nachziehen.

 


 

 

 


Anlagen