Vorlage - VO/2019/08391-01  

Betreff: Antwort auf die Anfrage von BM Anka Grädner (Bündnis 90/Die Grünen) gemäß §16 GO: Einnahmepotential Kulturabgabe
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senator Sven SchindlerBezüglich:
VO/2019/08391
Federführend:2.020 - Fachbereichs-Controlling Bearbeiter/-in: Kuschmierz, Ralf
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
28.05.2020 
16. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

 

In ca. 30 deutschen Städten werden Tourist*innen durch eine spezielle Abgabe/Steuer an der Finanzierung von Infrastruktur, Kultur und Gemeinwesen beteiligt, die häufig als Kulturabgabe bezeichnet wird. In Lübeck ist dies (mit Ausnahme der in Travemünde zu entrichtenden Kurabgabe) nicht der Fall.

 

Vor diesem Hintergrund möge der Bürgermeister die folgenden Fragen beantworten:

1) Welche Einnahmen sind durch eine Abgabe auf Gästeübernachtungen in der gesamten Stadt Lübeck im Verhältnis zu den Einnahmen durch die bereits bestehende Kurabgabe in Travemünde zu erwarten? Dabei sind die folgenden Varianten bzgl. ihres Aufkommens, ihrer rechtlichen Umsetzungsmöglichkeiten und ihrer Auswirkungen auf die Übernachtungszahlen (basierend auf Erfahrungswerten in anderen Kommunen) miteinander zu vergleichen: 

- Erhebung auf alle Übernachtungen in Lübeck außer Travemünde. Beibehaltung der Kurabgabe in Travemünde.

- Erhebung auf alle Übernachtungen in Lübeck. Wegfall der Kurabgabe in Travemünde.

- Erhebung auf alle Übernachtungen in Lübeck. Beibehaltung der Kurabgabe in Travemünde.


2) Bzgl. des Aufkommens dieser Abgabe sind Szenarien basierend auf der in vergleichbaren Städten und Kommunen erhobenen Abgaben darzustellen. Dabei sind insbesondere folgende Varianten zu berücksichtigen:

- 7,5% auf den Bruttoübernachtungspreis (z.B. Flensburg, Dortmund)

- 5% auf den Nettoübernachtungspreis (z.B. Bremen, Potsdam)

- 3€ pro Person/Tag (z.B. Leipzig)

 

 


Begründung

 

Der Kurbetrieb Travemünde, die Lübeck und Travemünde Marketing GmbH und der Bereich Haushalt und Steuerung antworten wie folgt:

 

Die Kurabgabe ist in allen anerkannten Kur- und Erholungsorten sozusagen eine „altbekannte“ Abgabe. Im Jahr 2019 betrug das Kurabgabeaufkommen ca. 1.865 T€, für das Haushaltsjahr 2020 sind 1.700 T€ geplant. Die Gäste verstehen, dass sie hierdurch zur Schaffung und Erhaltung der speziell in Kurorten vorgehaltenen Einrichtungen beitragen, deren Vorhandensein hauptsächlich der Reiseentscheidung zugrunde liegt und die während des Aufenthaltes genutzt werden. Der Kurabgabe steht somit ein konkreter Gegenwert gegenüber.

Hinzu kommt, dass Travemünde neben 17 weiteren Seebädern an der schleswig-hol­steinischen Ostseeküste bereits seit vielen Jahren anstelle der herkömmlichen Kurkarte die Ostseecard eingeführt hat. Damit werden den Gästen attraktive Angebote in allen 18 Orten zugänglich gemacht, so z. B. die kostenlose Strandnutzung in allen Orten und überregionale Vergünstigen bei einer Vielzahl touristischer Anbieter in der Region. Bei einem Ausscheiden aus dem „Ostseecard-Verbund“, würden diese Vergünstigen für die Travemünder Gäste entfallen und Travemünde gegenüber den verbleibenden Ostseecard-Orten einen erheblichen Wettbewerbsnachteil erleiden.

Weiterhin sei darauf hingewiesen, dass der KBT kurz vor der Einführung des sogenannten Online-Meldescheins steht. Dieses Projekt hat in der jüngeren Vergangenheit einen nicht unerheblichen personellen und finanziellen Aufwand erfordert, dessen Refinanzierung durch einen Wegfall der Kurabgabe verhindert würde.

 

Zu 1) Einnahmeerwartungen einer Steuer auf Beherbergungsentgelte:

Basierend auf den Erfahrungen, die mit Erhebung einer solchen Steuer bis 2014 gemacht wurden, kann der seinerzeitige Ertrag entsprechend der Steigerung der Übernachtungszahlen hochgerechnet werden. Es lag ein Steuersatz von 5 % auf die Beherbergungsentgelte zu Grunde. Unter Berücksichtigung der gestiegenen Übernachtungszahlen, der allgemeinen Preissteigerung sowie dem Anstieg der Bettenzahlen könnten bei gleichbleibendem Steuersatz Einnahmen in Höhe von ca. 3 Mio. EUR generiert werden. Dies bei einer Anwendung auf das gesamte Stadtgebiet. Abzuziehen ist die Kurabgabe mit einem jährlichen Ertrag von 1,7 Mio. EUR (Jahr 2020).

Die in der Frage 1) aufgeführten Varianten mit Beibehaltung der Kurabgabe sind rechtlich nicht zulässig. Gemäß § 3 Abs. 5 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein darf eine Steuer auf Übernachtungsleistungen nicht erhoben werden, wenn eine Gemeinde eine Kurabgabe oder eine Tourismusabgabe erhebt. Für eine Steuer auf Übernachtungsleistungen ist also in jedem Fall die Kurabgabe aufzugeben und somit bei einer finanziellen Betrachtung anzurechnen, unabhängig von weiteren Fragestellungen zum Kurbetrieb an sich.

 

Zu 2) Szenarien:

Der hochgerechnete Ertrag auf Antwort zu 1) basiert auf einen Steuersatz von 5%. Wird dieser auf 7,5% erhöht, ergäbe sich bei gleichbleibender Übernachtungszahl ein um die Hälfte gestiegener Ertrag von damit 4,5 Mio. EUR.

Ein Festbetrag von z.B. 3 EUR je Übernachtung wird als nicht rechtmäßig angesehen. Die Steuer auf Übernachtungsleistungen ist eine Aufwandssteuer, d.h. der jeweilige und damit unterschiedliche Aufwand der Leistung für die Beherbergung wird besteuert. Bei einem gleichbleibenden Festbetrag wird keine Unterscheidung möglich, d.h. für die Beherbergungsleistung mit einem Preis von z.B. 30 EUR je Übernachtung würde die gleiche Steuer anfallen wie für eine Beherbergungsleistung mit einem Preis von 180 EUR. Der jeweilige Aufwand für diese Dienstleistung ist unterschiedlich hoch. Eine gleichartige Besteuerung dieser unterschiedlichen Leistungen widerspricht der Angemessenheit der Steuer in Bezug auf den zu Grunde zu legenden Aufwand. Auch das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht haben in Entscheidungen aus den Jahren 2012 und 2014 Bedenken gegenüber einer solchen Übernachtungspauschale geäußert.

Fazit:

Während Gäste bei Entrichtung einer Kurabgabe eine entsprechende Gegenleistung erhalten und über die Abgabe anteilig zur Finanzierung des Kurbetriebes beitragen, hätte die Einführung einer Kulturabgabe neben den dargestellten finanziellen Auswirkungen weitere Effekte. Um die Leistungsfähigkeit des Betriebes zu erhalten, wäre die aktuelle jährliche Verlustzuweisung aus dem städtischen Haushalt um den oben genannten Betrag zu erhöhen. Dadurch erhöht sich die Abhängigkeit des Kurbetriebes vom Kernhaushalt erheblich. Je nach Schwerpunktsetzung des Kernhaushaltes kann dies zu Schwankungen führen, die die finanzielle Leistungsfähigkeit des Betriebes einschränken.

Für die bereits abgeschlossenen, in Bau befindlichen oder geplanten Infrastrukturmaßnahmen des Kurbetriebes wurden, werden und sollen Fördermittel des Landes Schleswig-Holstein verwendet werden. Der Betrieb hat dafür Eigenmittel zur Verfügung zu stellen, die unter anderem auch durch die Kurabgabe finanziert wurden und werden. 

Welche Auswirkungen die Einführung einer Kulturabgabe unter Wegfall der Kurabgabe auf geplante oder beabsichtigte Infrastrukturprojekte hätte, ist bislang nicht untersucht worden.

 


 

 


Anlagen

./.

 


 

 

Stammbaum:
VO/2019/08391   Anfrage von BM Anka Grädner (Bündnis 90/Die Grünen) gemäß §16 GO: Einnahmepotential Kulturabgabe   Geschäftsstelle der Fraktion BÜ90 DIE GRÜNEN   Anfrage
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