Vorlage - VO/2019/08497  

Betreff: Antwort auf die Anfrage von BM Silke Mählenhoff nach § 16 GeschO der Bürgerschaft zum Zustand lübscher Gewässer
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senator Ludger HinsenBezüglich:
VO/2019/08347
Federführend:3.390 - Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz Bearbeiter/-in: Hartmann, Birgit
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
30.01.2020 
13. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Anfrage (VO/2019/08347) von BM Silke Mählenhoff (Bündnis 90/Die Grünen) nach § 16 GeschO der Bürgerschaft zum Zustand lübscher Gewässer

 


Begründung

 

Laut einem Bericht des WWF aus November 2018 (anbei) weisen „mehr als 80% der natürlichen Fließgewässer Schleswig-Holsteins einen mäßigen bis unbefriedigenden ökologischen Zustand auf“ (Seite 20). Vor diesem Hintergrund bitte ich um schriftliche Beantwortung folgender Fragen:

 

1)   Nach welchem Rhythmus und wie wird die Wasserqualität lübscher Gewässer untersucht?

 

Die Untersuchung und Bewertung der Gewässerqualität ist Aufgabe der Bundesländer. Für die Untersuchungen der allgemeinen physikalisch-chemischen und chemischen Qualitätskomponenten ist das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) zuständig. Dies erfolgt entsprechend den Vorgaben der Wasser-Rahmen-Richtlinie (WRRL).  Die Parameter werden an definierten Messstellen untersucht. Das Untersuchungsprogramm unterscheidet zwischen Dauermessstellen und jährlich wechselnden Messstellen. Der Nährstoffzustand wird an den Dauermessstellen mindestens 12-mal im Jahr beprobt. Mit diesen Messungen werden die „physikalisch-chemischen Bedingungen“ der Fließgewässer erfasst. Hierzu gehören Temperatur, Sauerstoffgehalte, pH-Werte, Salzkonzentration und Nährstoffverhältnisse.


2) Wie ist die Wasserqualität lübscher Gewässer zu beurteilen, insbesondere aber nicht ausschließlich der von Wakenitz, Trave und angrenzender Ostsee im Hinblick auf

 

a.      Nitratbelastung

Um die Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie in den Küstengewässern zu erreichen, ist eine  Verringerung der Gesamt-Stickstoffkonzentrationen (Nges) auf den Jahresmittelwert von 2,8 mg/l erforderlich. Stickstoff liegt im Gewässer u. a. als Nitrat vor. Die Nitratwerte schwanken im Jahresgang stark und weisen Maximalwerte von über 11 mg/l auf.

 

Es ist keine Abnahme der mittleren Konzentrationen in den einzelnen Lübecker Gewässern in den letzten Jahren sichtbar. Die meeresökologischen Zielvorgaben für Gesamt-Stickstoff werden weiterhin nicht eineghalten.

 

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b.      Quecksilberbelastung

Alle Oberflächenwasserkörper werden von diffusen atmosphärischen Einträgen vornehmlich von Quecksilber belastet. Dies gilt auch für Lübecker Gewässer.

 

In der Wasserphase sind die Quecksilberkonzentrationen relativ gering bzw. unterhalb der Nachweisgrenze.

 

Hingegen wird im Fischfilet der in der Trave befindlichen Fische die Umweltqualitäts­norm-Konzentration (UQN-Konzentration) überschritten. Der UQN-Wert ist die Konzentration eines bestimmten Schadstoffs oder einer bestimmten Schadstoffgruppe, die in Wasser, Sedimenten oder in Gewebeproben von Lebewesen (z. B. Muscheln oder Fische) aus Gesundheits- und Umweltschutzgründen nicht überschritten werden darf. In Fischen mit hohen Fettgehalten sind die Konzentrationen höher als in anderen. Bei abwechslungsreicher Ernährung erreicht kaum jemand in Deutschland die geltenden Schadstoffgrenzwerte. Weitere Informationen sind über die Verbraucherzentralen zu erhalten.

 

 

c.       Medikamenten- & Hormoneintrag

Das Land hat in der Schwartau und  in der Trave (Höhe Moisling) Untersuchungen von fast 70 Arzneistoffen in der Wasserphase durchgeführt. Es wurden diverse Arzneimittel nachgewiesen, die zum Teil oberhalb relevanter Konzentrationen liegen.

 

Beispielhaft sei genannt:

  • Für Carbamazepin liegen alle Messwerte unter dem Umweltqualitätsnorm-Vorschlag
  • Diclofenac hat einen Umweltqualitätsnorm-Vorschlag von 0,05 mg/l bezogen auf den Jahresdurchschnitt (JD-UQN-V). Dieser wird in der Schwartau um ca. das Fünffache überschritten. In der Trave bei Moisling liegt der Mittelwert ungefähr doppelt so hoch wie der JD-UQN-V.
  • Für Iopamidol (Röntgenkontrastmittel) gibt es noch keine UQN. Der Trinkwasservorsorgewert beträgt 0,1 µg/l. In der Schwartau wurden Werte bis 1,8 µg/l und in der Trave Werte bis 0,16 µg/l nachgewiesen.

 

d.      Mikroplastikeintrag

Für die Beurteilung der Mikroplastikbelastung in Lübecker Gewässer kann keine Aussage getroffen werden, da bisher nur sporadisch Messungen durchgeführt wurden. Es fehlen standardisierte Beprobungsmethoden, so dass die Vergleichbarkeit von Messwerten kaum möglich ist.

 

Allgemeine Aussage

Die Wasserqualität der Lübecker Gewässer ist gemäß WRRL als schlecht einzustufen (5 Stufen: sehr gut - gut - mäßig  -  unbefriedigend - schlecht).

 

Alle untersuchten Wasserkörper weisen einen schlechten chemischen Zustand auf.

 

Zum ökologischen Zustand ist zu sagen:

  • Die Wasserkörper Travemünde Pötenitzer Wiek und die untere Trave (Küstengewässer) weisen ein schlechtes ökologisches Potential auf.
  • Der Wasserkörper Medebek weist einen schlechten ökologischen Zustand auf.
  • Die mittlere Trave, die Grinau sowie die Schwartau (Wasserkörper st_06) weisen einen unbefriediegenden ökologischen Zustand auf.
  • Die Wakenitz, der Niemarker Landgraben,  die Grönau, die Barger Au, die Schwartau (Wasserkörper st_04), die Sielbek, der Brömbsenmühlenbach weisen einen mäßigen ökologischen Zustand auf.

 

3)   Wie haben sich die unter 2) genannten Parameter in den letzten Jahren entwickelt? Ist in den vergangenen Jahren ein Trend, also Verbesserung oder Verschlechterung des ökologischen Zustands zu erkennen?

 

Bis auf Nitrat kann aufgrund der in der Regel geringen Datenlage keine verlässliche Aussage über einen langfristigen Trend getätigt werden.

 

4)   Wie weit ist die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL) im Hinblick auf Lübecks a) Oberflächengewässer und b) Grundwasser fortgeschritten?

 

a)    Die Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie sind ein guter ökologischer Zustand und ein guter chemischer Zustand der Oberflächengewässer. Dieses Ziel wird von keinem Lübecker Gewässer erfüllt.

 

Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Wasserkörper neben anderen Belastungen nach wie vor besonders durch zu hohe Nährstoffeinträge beansprucht werden.

 

Durch den Kläranlagenausbau konnten der Phosphoreintrag und der Stickstoffeintrag aus den Kläranlagen merklich gesenkt werden. In Lübeck werden jedoch neben den Einleitungen der Klärwerke immer noch ein hoher Anteil des Schmutzwassers im Mischkanal direkt zur Kläranlage geführt. Bei stärkeren Regen wird dann zum Teil Schmutzwasser (verdünnt mit Regenwasser) als Überlauf ungereinigt in die Gewässer geleitet. Der Anteil ist mindestens so hoch wie die im Trockenwetterfall durch Kläranlagen emittierten Nährstofffrachten.

 

Die Frachtenreduzierung von Nährstoffen durch Beseitigung der Mischkanalisation sollte für Lübeck an erster Stelle stehen. Durch die Erstellung des Masterplans der Entsorgungsbetriebe Lübeck werden die Grundlagen für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen geschaffen. Die im Masterplan festgehaltenen Maßnahmen müssen entsprechend der geplanten Zeitschiene umgesetzt werden, um Nährstoffeinleitungen so schnell wie möglich zu beseitigen.

 

Mit der Abnahme von Mischwassereinleitungen wäre auch der verminderte Eintrag von Mikroschadstoffen wie Arzneimittel, Hormonen sowie Mikroplastik verbunden, da ein Teil der Stoffe in den Kläranlagen zurückgehalten werden.

 

Ferner sollten Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft minimiert werden. Hierzu zählen die Errichtung von Gewässerrandstreifen, optimierter Einsatz von Dünger und die verbesserten Regelungen zur Lagerung von Silage und Festmist. Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren diesbezüglich Grundlagen geschaffen, die nach und nach zu einer Verbesserung der Situation, auch für das Grundwasser, führen sollten.

 

Im Stadtgebiet Lübeck sind drei Baumaßnahmen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie geplant (Bau einer Fischtreppe zwischen Wakenitz und Kanaltrave, Deichschleifung bei Hamberge sowie Umgestaltung der Grinau an der Brandenmühle).

 

b)   Der chemische Zustand der Grundwasserkörper im Stadtgebiet Lübeck ist gut und erfüllt damit die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie.


 

5)  Wie hat sich der Fischbestand in Lübeck in den letzten Jahren entwickelt und welche Auswirkungen hatte der Rekordsommers 2018 auf die Lübecker Gewässer im allgemeinen und speziell auf den Fischbestand (Auswertung der Fangstatistik nach §12 der Nutzungsbedingungen über die Ausübung der Angelfischerei auf den Gewässern der Hansestadt Lübeck)? Bitte nach Fischereibezirk I – IV gliedern und für die Jahre 2000, 2009 und 2018 angeben.

Aufgrund der hohen Wassertemperaturen im Sommer 2018 war ein starkes Pflanzenwachstum in den Gewässern zu beobachten. Dies hat u. a. in Mühlen- und Krähenteich zu einer Verkrautung und zu einem Fischsterben geführt. Grund sind neben hohen Temperaturen die stetig hohen Nährstoffkonzentrationen in den Gewässern.   

 

Zum Fischbestand liegen der Unteren Wasserbehörde keine Aussagen vor.

 

Weitere Informationen sind dem  Bericht zur chemischen Situation der Fließgewässer und Seen in Schleswig-Holstein vom LLUR zu entnehmen, der im Internet zu finden ist:

 

https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/F/fluesse_baeche/Downloads/berichtChemSituation.html
 

 


Anlagen

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Stammbaum:
VO/2019/08347   Anfrage von BM Silke Mählenhoff (Bündnis 90/Die Grünen) gemäß §16 GO: Zustand lübscher Gewässer   Geschäftsstelle der Fraktion BÜ90 DIE GRÜNEN   Anfrage
VO/2019/08497   Antwort auf die Anfrage von BM Silke Mählenhoff nach § 16 GeschO der Bürgerschaft zum Zustand lübscher Gewässer   3.390 - Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz   Antwort auf Anfrage öffentlich