Vorlage - VO/2019/08486  

Betreff: Ehrenbürgerschaften und Straßennamen in der Hansestadt Lübeck
Umbenennung Lenardweg und Pfitznerstraße gemäß Bürgerschaftsbeschluss (VO/2018/06936)
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna Hagen
Federführend:5.660 - Stadtgrün und Verkehr Beteiligt:4.415 - Archiv
Bearbeiter/-in: Gutzeit, Dorothee   
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bauausschuss zur Entscheidung
16.03.2020 
31. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
17.08.2020 
37. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
07.09.2020 
38. Sitzung des Bauausschusses geändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

In Ausführung des Beschlusses der Bürgerschaft vom 31.01.2019 empfiehlt der Bereich Stadtgrün und Verkehr folgende Straßenumbenennung:

 

  1. Im Stadtteil St. Gertrud wird der Lenardweg in Otto-Schott-Weg umbenannt.

2. Im Stadtteil St. Lorenz-Nord wird die Pfitznerstraße in Clara-Schumann-Straße umbenannt.


 

 


Verfahren

 

Bereiche/Projektgruppen

Ergebnis

Interfraktioneller Arbeitskreis gemäß Bürgerschaftsauftrag: Ehrenbürgerschaften der Hansestadt Lübeck

Empfehlung zur Umbenennung des Hindenburgplatzes, des Lenardwegs und der Pfitznerstraße

 

 

 

 

 

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

 

Ja

gem. § 47 f GO ist erfolgt:

x

Nein- Begründung:

Die Belange von Kindern und Jugendlichen gemäß § 47 Gemeindeordnung (GO) sind nicht betroffen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Maßnahme ist:

 

neu

 

 

freiwillig

 

x

vorgeschrieben durch: 

 

 

Bürgerschaftsauftrag vom 31.01.2013

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

 

Ja (Anlage 1)

 

x

Nein

 

Auswirkung auf den Klimaschutz:

x

Nein

 

 

Ja – Begründung:

 

 

 

 

 

 

Begründung der Nichtöffentlichkeit

gem. § 35 GO:

 

 

 

 

 


Begründung

Umbenennung Lenardweg und Pfitznerstraße

__________________________________________________________________________

 

I.1 Bürgerschaftsauftrag – bisherige Umsetzung

Die Bürgerschaft hatte in ihrer Sitzung vom 31.01.2013 mit der Vorlagennummer: VO/2013/00189 den nachstehend aufgeführten Antrag der SPD-Fraktion mit Mehrheit angenommen:

Ehrenbürgerschaften der Hansestadt Lübeck

Der Bürgermeister wird beauftragt,

1. auf der Grundlage der gerade erschienen Veröffentlichung zu allen Lübecker Straßennamen zu prüfen, welche nach Personen benannten Straßen und Plätze aus heutiger historischer Betrachtung anders als zum Benennungszeitpunkt bewertet werden können. Die erarbeiteten Ergebnisse sind in einen Arbeitskreis unter Beteiligung aller Fraktionen zu erörtern, danach ist der Bürgerschaft zu berichten;

2. den Umgang mit Ehrenbürgerschaften von verstorbenen Personen grundsätzlich zu betrachten und einen Vorschlag zu erarbeiteten, wie die Texte, die in Veröffentlichungen diese Ehrenbürgerschaften erläutern, der aktuellen historischen Betrachtungsweise angepasst werden.

Die Federführung für die Umsetzung dieses Bürgerschaftsauftrags lag beim Bereich Stadtgrün und Verkehr in der Funktion als Straßenbaulastträger und somit zuständige Dienststelle u.a. für die Straßenbenennungen in der Hansestadt Lübeck. Der Bereich 4.415 Archiv begleitete die Umsetzung historisch-wissenschaftlich.

In Ausführung dieses Auftrags wurde der interfraktionelle Arbeitskreis (kurz: AK Straßennamen) unter wechselhafter Beteiligung der Fraktionen der Lübecker Bürgerschaft eingesetzt und ein externer Historiker für wissenschaftliche Gutachten beauftragt.

Im Laufe von 11 AK-Sitzungen und einer Bewohnerversammlung vom November 2016 zeichnete sich bei der Mehrheit des Arbeitskreises eine Empfehlung zur Umbenennung für den Hindenburgplatz und Lenardweg sowie für die Pfitznerstraße ab.

Der Bürgerschaft wurde in der Sitzung vom 31.01.2019 der diesbezügliche Abschlussbericht des AK Straßennamen zu Ehrenbürgerschaften und Straßennamen vorgelegt (Vorlagennummer: VO/2018/06936), zu dem die Fraktionen folgende interfraktionelle Anträge stellten.

  1. Zu Sitzungspunkt 5.3 (VO-Nr. 6990), Antrag der Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen, ergänzt durch den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Sitzung des Bauausschusses vom 04.03.2019.

Es wurde mit Mehrheit beschlossen, dass

vor dem Hintergrund des anstehenden 100jährigen Jubiläums der Weimarer Verfassung alle notwendigen Schritte zur Rückbenennung des Hindenburgplatzes in Republikplatz bis spätestens zum 14. August, dem Tag der Verkündigung der Weimarer Verfassung, zum Abschluss gebracht werden.“

Die formale Umsetzung dieses Antrags erfolgte exakt zum 14. August, dem Tag der Verkündigung der Weimarer Verfassung. Entsprechende Informationen zu Hindenburg, Lenard und Pfitzner werden online auf der Homepage der Stadt zur Verfügung gestellt. Vor Ort in der Grünanlage am Republikplatz steht bereits eine Informationstafel mit wesentlichen Eckdaten zu Hindenburg.

  1. Zu Sitzungspunkt 5.3.2 (VO-Nr. 7113), interfraktioneller Antrag der Fraktionen SPD, FREIE WÄHLER & GAL und DIE LINKE. Es wurde beschlossen:

„Die Pfitznerstraße und der Lenardweg werden entsprechend der jeweiligen Straßennamen-Grundidee (Musiker; Naturwissenschaftler) umbenannt. Die Anwohner*innen in der Pfitznerstraße und dem Lenardweg sind bei der Auswahl der neuen Namen zu beteiligen bevor der Bauausschuss entscheidet.

 

Die Anwohner*innen der vorgenannten Straßen sind für etwaige Kosten der Straßenumbenennung (Änderung Personalausweis, Urkunden, Briefpapier, Stempel u.ä.) zu entschädigen.“

Lenardweg

Mit Schreiben vom 08.05.2019 wurden die zu diesem Zeitpunkt von der Umbenennung ermittelten sechs Betroffenen (Eigentümer und Anlieger) des Lenardwegs schriftlich informiert und gebeten, sich aktiv an der Findung eines neuen Straßennamens mit naturwissenschaftlichem Bezug zu beteiligen. In diesem Brief wurden seitens der Verwaltung drei „reine“ Naturwissenschaftler als mögliche alterative Namensgeber genannt, die aus der im Bereich Stadtgrün und Verkehr geführten Namensliste für Straßenbenennungen und weiteren, aktuell eingegangenen Vorschlägen resultieren:

Prof. Dr. Ulrich Gabler (01.10.1913 in Berlin – 24.02.1994 in Lübeck): Schiffsbauingenieur, der auf die Konstruktion und Entwicklung dieselgetriebener U-Boote spezialisiert war. Namensgeber u.a. der gleichnamigen und am Lenardweg/Nils-Bohr-Ring anliegenden Maschinenbau GmbH und Stifter (Ulrich-Gabler-Stiftung).

Heinrich Göbel (20.04.1818 in Springe – 04.12.1893 in New York): ein deutsch-amerikanischer Mechaniker, der als Erfinder der ersten brauchbaren Kohlefaden-Glühlampe gilt.

Prof. Dr.-Ing. Konrad Zuse (1910 in Berlin – 1995): Wissenschaftler, der als Erfinder des ersten frei programmierbaren, funktionsfähigen Computers gilt, das Computerzeitalter eröffnete.

In einem Antwortschreiben wurde alternativ die Benennung nach Otto Schott (17.12.185127.08.1935) favorisiert, einem Glastechniker und Wissenschaftler, der Chemie, Physik und Mineralogie studierte. Er entwickelte Spezialgläser z.B. das chemisch resistente, hitze- und temperaturwechselbeständige Glas. Zusammen mit Ernst Abbe gründete er das Jenaer Glaswerk, er unterstützte seine sozialpolitischen Ideen, die zur Gründung der Carl-Zeiss-Stiftung führten. Namensgeber u.a. eines in Lübeck ansässigen Gewerbehofs.

Insgesamt gingen die in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellten Nennungen ein.

Lenardweg: Nennungen der Angeschriebenen

Nr.

Vorschlag

Anzahl

1

Prof. Dr. Ulrich Gabler

1 (2)

2

Heinrich Göbel

0

3

Prof. Dr. Ing. Konrad Zuse

1

4

Otto Schott

1 (alternativ: Gabler)

Per E-Mail wurden am 15.08.2019 als Ersatz für Lenard und Pfitzner die Namen Stanislaw Petrow und Wassili Archipow nachgereicht, die als Offiziere der sowjetischen Streitkräfte während des Kalten Krieges durch ihr vorausschauendes Handeln einen Atomkrieg verhindert hätten.

Pfitznerstraße

Mit Schreiben vom 14.05.2019 wurden die zu diesem Zeitpunkt ermittelten 47 Betroffenen (Eigentümer und Anlieger) der Pfitznerstraße schriftlich informiert und gebeten, sich aktiv an der Findung eines neuen Straßennamens - Genre Musiker - zu beteiligen. In diesem Brief wurden folgende Musiker:innen als mögliche alterative Namensgeber:innen genannt, die aus aktuell eingegangenen und der im Bereich Stadtgrün und Verkehr geführten Namensliste für Straßenbenennungen hervorgehen:

Clara Herrmann (1853-1931). Die Pianistin lebte seit ca. 1879 in Lübeck und bereicherte das Lübecker Musikleben durch die Verpflichtung bekannter Musiker und die Einführung innovativer musikalischer Aufführungen.

Louise Köster-Schlegel (1823 in HL-1905), eine berühmte Opernsängerin ihrer Zeit u.a. mit Engagements an der Berliner Hofoper, am Schweriner Hoftheater und am Breslauer Opernhaus.

Paul Lincke (07.11.1866 in Berlin – 03.09.1946): ein deutscher Komponist und Theaterkapellmeister, der als „Vater“ der Berliner Operette gilt.

Emmy Mahlau (1901-1988), Konzertviolinistin. Sie lebte seit 1923 in Lübeck und gab regelmäßig Konzerte. Wegen ihrer jüdischen Großeltern wurde ihr die Aufnahme in die Reichsmusikkammer verwehrt und ein Berufsverbot ausgesprochen, das abrupt zu ihrem Karriereende führte.

Albert Methfessel (06.10.178523.03.1869) und seine Ehefrau Louise (1818 – 14.05.1854): Albert Methfessel war ein bekannter Komponist und Dirigent, der ab 1824 als Musikdirektor in Hamburg sowie von 1832-42 als Hofkapellmeister am Hoftheater von Braunschweig wirkte. Louise Methfessel-(Lehmann) war eine deutsche Opernsängerin/Sopranistin, die ihre Karriere am Hoftheater von Braunschweig begann. Sie wechselte an das Hoftheater Schwerin und ging dann als erste dramatische Sopranistin an das Stadttheater von Breslau.

Robert Stolz (1880–1975), der bekannte Komponist zahlreicher Lieder, Operetten und Filmmusiken.

In den wenigen Antwortschreiben wird zum einen die grundsätzliche Ablehnung gegen die Umbenennung und die mitgereichten Alternativnamen deutlich gemacht. Zum anderen wird betont, dass der Bekanntheitsgrad des/der neuen NamensgeberIn eine große Rolle spielen, im Einklang mit den umliegenden und geschätzten Namensgebern stehen sollte.

Von den Angeschriebenen gingen die in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellten, favorisierten Nennungen und Vorschläge ein – auch Mehrfachnennungen einzelner sind hier aufgeführt:

Pfitznerstraße: Nennungen der Angeschriebenen

Nr.

Vorschlag

Anzahl

1

Karl Maria von Weber

1

2

Felix Mendelssohn Bartholdy

1

3

Clara Schumann

1

4

Leonard Bernstein

1

5

John Lennon

1

6

Martin Böttcher

1

7

Pippi Langstrumpf

1

8

Robert Stolz

2

9

Paul Lincke

2

10

Emmy Mahlau

1

I.2 Fazit und Empfehlung

Im Verhältnis hat nur ein sehr geringer Teil der von der Umbenennung des Lenardwegs und der Pfitznerstraße Betroffenen die Gelegenheit ergriffen, sich aktiv an der Findung eines neuen Straßennamens zu beteiligen. Der Großteil der Angeschriebenen hat sich nicht geäußert.

 

Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Beteiligung zu keinem repräsentativen Ergebnis geführt hat.

Daher empfiehlt der Bereich Stadtgrün und Verkehr, folgende Umbenennungen zu beschließen:

  • Otto-Schott-Weg für den Lenardweg.

Otto Schott (* 17.12.1851, † 27.08.1935), ein Glastechniker und Wissenschaftler, der 1869 Chemie und Mineralogie in Aachen, Würzburg und Leipzig (1870–74) studierte und 1875 in Jena zum Dr. phil. promovierte. Ab 1879 begann Otto Schott das Schmelz-, Glasbildungs- und Kristallisationsverhalten verschiedenster chemischer Verbindungen systematisch zu erforschen. 1882 siedelte er nach Jena über und gründete 1884 gemeinsam mit Ernst Abbe (1840–1905), Carl (1816–88) und Roderich Zeiss (1850–1919) das Jenaer Glaswerk.

Otto Schott entwickelte erstmals Spezialgläser mit genau definierten Eigenschaften: neben optischen Gläsern auch ein chemisch resistentes, hitze- und temperaturwechselbeständiges Glas für Thermometer (1891),  sowie Labor- (seit 1893), Beleuchtungs- (seit 1894) und Röhrengläser für pharmazeutische Ampullen und Fläschchen (seit 1911), später Hauswirtschaftsgläser der Marke „Jenaer Glas“ (seit 1918). So baute Otto Schott sein Entwicklungslabor zum Industrieunternehmen und zu einem international führenden Spezialglashersteller aus. 1891 unterstützte er Ernst Abbe bei der Übergabe der Geschäftsanteile von Abbe und Zeiss am Glaswerk auf die Carl-Zeiss-Stiftung, die Abbe 1889 gegründet hatte. 1919 trat Otto Schott auch seine Anteile an die Stiftung ab, 1926 zog er sich aus der Geschäftsleitung zurück.

 

Die beiden Stiftungsunternehmen „Carl Zeiss“ und „Jenaer Glaswerk“ waren mit ihrer betrieblichen Sozialpolitik (u. a. erhöhter Kündigungsschutz, bezahlter Urlaub, Gewinnbeteiligung, betriebliche Altersversorgung) Wegbereiter arbeits- und sozialrechtlicher Gesetzes- und Tarifregelungen.

Mit der Entwicklung neuartiger Spezialgläser und neuer Fertigungsverfahren wurde Otto Schott zum Begründer der modernen Glaswissenschaft und -technologie sowie der deutschen Spezialglasindustrie. Otto Schott ist Namensgeber u. a. eines in Lübeck ansässigen Gewerbehofs. *

  • Clara-Schumann-Straße für die Pfitznerstraße.

Clara Schumann, geb. Wieck (* 13. Sept. 1819 in Leipzig, † 20. Mai 1896 in Frankfurt a. M.), Pianistin, Komponistin, Klavierprofessorin und Editorin. Clara erhielt mit ca. viereinhalb Jahren elementaren Klavierunterricht durch ihre Mutter Marianne Wieck, ab 1824 nach der Trennung der Eltern begann ihr Vater Friedrich Wieck (1785–1873) mit der systematischen Ausbildung. Sie erfolgte nach einem aus heutiger Sicht modernen, abwechslungsreichen, ganzheitlichen Konzept aus physiologischem und mentalem Training, musiktheoretischer Bildung, Improvisation, Komposition und Bewegungsausgleich an frischer Luft. Als Komponistin trat sie hinter Robert Schumann zurück, da es zu ihrer Zeit für Frauen nicht nur unschicklich war, zu komponieren, sondern diese Begabung und Fähigkeit Frauen schlichtweg aberkannt wurde. *

Das Frauenbüro der Hansestadt Lübeck begrüßt aktuell die seitens des Bereiches Stadtgrün und Verkehr vorgeschlagene Namensumbenennung.

Wie im Bereich Stadtgrün und Verkehr vorabgestimmt, soll das Leben und Wirken aller Personen, die zukünftig mit einer Benennung einer öffentlichen Verkehrsfläche geehrt werden sollen, im Vorwege - sofern eine mögliche Belastung zeitlich vermutet werden könnte -wissenschaftlich von einem externen Historiker bewertet werden.

 

 

 

 

*Quellen: Deutsche Biographie; Wikipedia; (Firmen)Portale; Planet Wissen
 

 


Anlagen