Vorlage - VO/2019/07507  

Betreff: Antrag des AM Thomas-Markus Leber (FDP): Lindenteller - Erstellung eines verkehrspsychologischen Gutachtens
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsstelle der FDP Fraktion Bearbeiter/-in: Völker, Astrid
Beratungsfolge:
Bauausschuss zur Entscheidung
06.05.2019 
15. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
20.05.2019 
16. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
03.06.2019 
17. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
17.06.2019 
18. Sitzung des Bauausschusses abgelehnt   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Ich beantrage die Erstellung eines verkehrspsychologischen Gutachtens zur Ursachenklärung der Unfallhäufung am Lindenteller mit dem Ziel, Maßnahmen zu identifizieren, die geeignet sind, die Verkehrssicherheit an diesem Kreisverkehr nachhaltig zu verbessern.

Vor dem Hintergrund der hohen Unfallzahlen in den Kreisverkehren, insbesondere im Lindenteller, wird die Verwaltung gebeten, bis September 2019 vorbereitende Untersuchungen und Analysen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit am Lindenteller in die Wege zu leiten bzw. zu beauftragen.

Ziel soll es sein, durch straßenbauliche und verkehrstechnische Maßnahmen die Anzahl und Schwere der Verkehrsunfälle abzusenken. Hierzu ist ein wissenschaftlich begleitetes Gutachten zu erstellen. 

Konkret sollen mit Hilfe von verkehrspsychologischen Untersuchungen die Ursachen der Unfallhäufung ermittelt und Lösungsansätze zur Konfliktminderungen erarbeitet werden. Wesentliche Bestandteile sollen dabei die genaue Unfallanalyse, entsprechende Konfliktbeobachtungen sowie die Analyse der individuellen Herausforderungen für die jeweiligen Verkehrsteilnehmer untersucht werden.

Darauf aufbauend sollen verkehrsplanerische und technische Schlussfolgerungen gezogen sowie Strategien und Lösungsansätze zur Verbesserung der Verkehrssicherheit am Lindenteller entwickelt werden. Um neue Erkenntnisse gewinnen zu können, ist ein höherer Detailierungsgrad als bei bisherigen Untersuchungen anzustreben. Die Notwendigkeit eines neuerlichen Gutachtens ergibt sich aus dem Umstand, dass sich viele Rahmenbedingungen über die Jahre verändert haben und dass das vorhandene Datenmaterial insoweit nur noch eingeschränkt aussagefähig ist. Die angefügten Fragestellungen sollen beispielhaft die Richtung beschreiben, in die untersucht werden soll.

 


Begründung

In Lübeck bilden Kreisverkehre die „verkehrliche Achillesferse“ der Stadt. Der neuste Verkehrssicherheitsbericht „Hansestadt Lübeck 2018“ weist einmal mehr den Lindenteller als unfallreichsten Kreisverkehr aus. Dort ereignen sich seit Jahren doppelt so viele Unfälle wie an allen anderen Tellern. Bei einem direkten Vergleich mit den sonstigen Unfallhäufungsstellen an Straßen, Kreuzungen und Einmündungen überragen die Teller im Hinblick auf Unfallzahlen wiederum alle anderen Unfall-häufungsstellen um ein Vielfaches.

In der Vergangenheit hat es vielfältige Untersuchungen und Versuche zur Verbesserung der Verkehrssicherheit am Lindenteller geben. Einzelne Verbesserungen konnten auch erzielt werden. Ein durchschlagender Erfolg blieb indes aus. Insbesondere gingen die Unfallzahlen nicht signifikant zurück. Dies hat, nach allem was man weiß, weniger mit den umgesetzten Maßnahmen an sich zu tun, als vielmehr mit den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen. Der Radverkehr gewinnt zudem zunehmend an Bedeutung. Lübeck schickt sich an, fahrradfreundliche Stadt zu werden.

Die Infrastruktur wurde an diese sich ändernden Rahmenbedingungen noch nicht angepasst. Diese Ertüchtigung erscheint jedoch gerade am Lindenteller zwingend erforderlich, wenn die Verkehrs-sicherheit nachhaltig verbessert werden soll. Es wird Zeit für einen neuerlichen Anlauf um das Geschehen am Lindenteller sowie neuere Entwicklungen entsprechend zu berücksichtigen.

Mit Hilfe einer verkehrspsychologischen Untersuchung sollen die Ursachen der Unfallhäufung ermittelt und Lösungsansätze zur Konfliktminderung erarbeitet werden. Bestandteile der Untersuchung sind eine Unfallanalyse, Konfliktbeobachtungen sowie eine Analyse der individuellen Herausforderungen für die jeweiligen Verkehrsteilnehmer.

 

Anhang

1.. Teil Unfallanalyse:

- Wann gibt es Unfallspitzen? Gibt es monatliche Schwankungen oder ereignen sich die Unfälle in sämtlichen Monaten?

- Gibt es signifikante Veränderungen der Unfälle am Wochenende oder verteilen sich die Unfälle über alle Werktage hinweg gleich?

- Wie verteilen sich die Unfälle über den Tag? In welchen Zeiträumen gibt es Unfallhäufungen?

- Gibt es eine Häufung bei Dämmerung und Dunkelheit?

- An welchen Stellen im Kreisverkehr kommt es jeweils zu Unfallhäufungen?

- Wie häufig kommt es zu Vorfahrtsverletzungen? Wie häufig zu falschem Abbiegen oder zu einem zu geringem Sicherheitsabstand?

- Bildet das Ein- bzw. Ausfahren der Kfz ein Kernproblem?

- Welche Rolle spielt die Interaktion zwischen Radfahrern und dem Individualverkehr im Teller?

- Welche Rolle spielen ortsfremde Autofahrer?

- Welche Rolle spielen alkoholisierte Autofahrer?

- welche Rolle spielen Ablenkungen wie das „Handy am Steuer“?

- Welche Rolle spielt das Alter der Verkehrsteilnehmer?

- Wie verhält es sich in diesem Zusammenhang jeweils mit älteren Verkehrsteilnehmern?

- Sind junge Radfahrer oder auch junge Autofahrer jeweils stark über- oder unterrepräsentiert?

- Wie viele Radfahrer, wie viel Individualverkehr verträgt der Lindenteller in der Simulation bis er an seine Belastungsgrenzen stößt, die sich in Staus und zähfließendem Verkehr manifestieren?

 

Teil 2: Konfliktbeobachtungen

- Welche Konflikte konnten an welchen Stellen / in welchem Segment im Teller beobachtet werden?

- Wie viele Konflikte konnten beobachtet werden? Wie lassen sich diese kategorisieren?

- Ergeben sich Konflikte an den Einfahrten? Fahren Wartepflichtige zu weit in den Kreis hinein?

- Welche Rolle spielen bei diesem Phänomen die Sichtverhältnisse in den Kreis?

- Welche Rolle spielt die individuelle Fahrgeschwindigkeit der Verkehrsteilnehmer? Liegt sie bei allen Verkehrsteilnehmern im gleichen Bereich oder weicht sie stark voneinander ab?

- Welche Bedeutung hat die Geschwindigkeit der Radfahrer im Hinblick auf die Gefahr in einen toten Winkel der abbiegenden Kfz hinein zu fahren? 

- Wie oft wird mit zu hoher Geschwindigkeit über Sperrflächen gefahren und dabei den im Kreis befindlichen Radfahrern die Vorfahrt genommen?

- Welche Rolle spielt der Durchmesser des Kreisverkehrs? Der Lindenteller zählt mit seinen ca. 50 m Durchmessern zu den großen Kreisverkehren.

- Wie häufig erfolgt ein Abbiegen ohne zu blinken?

- Wie oft wird das Zeichen zu früh und damit missverständlich gegeben?

- Wie häufig blicken Radfahrer im Kreis nach hinten links, bevor sie im Kreis eine Ausfahrt passieren?

- Wie häufig werden von den Radfahrern keine oder missverständliche Handzeichen gegeben?

- Wie häufig weichen Radfahrer auf Gehwege und Fußgängerquerungen aus und bringen damit ihre Risikoeinschätzung zum Ausdruck?

- Wie häufig nutzen Radfahrer irreguläre Bewegungslinien (z.B. Fahren auf Gehwegen oder Fußgängerfurten, Fahrten in Gegenrichtung?

- Welche Rolle spielen die Gelenkbusse im Kreisverkehr?

- Welche Probleme ergeben sich bei den häufigen Durchfahrten von Rettungswagen und Einsatzfahrzeugen?

- An welchen Stellen (zum Beispiel an welchen Zufahrten) ergeben sich besonders lange Rückstaus?

- Gibt es unklare Fahrstreifen im Kreis?

- Wird die Wahrnehmung der Verkehrsteilnehmer durch zu viele Schilder beansprucht?

 

Teil 3: Analyse der individuellen Herausforderungen für die jeweiligen Verkehrsteilnehmer:

- Wo bestehen beim Kreisverkehr die größten Herausforderungen?

- Warum gestaltet sich das Abbiegen aus dem Kreis als besonders schwierig?

- Warum sind viele Kfz-Fahrer gerade dabei überfordert?

- Welche Herausforderungen gilt es beim Hineinfahren zu bewältigen?

- Wie kommt der Autofahrer mit der doppelten Beobachtungsaufgabe der sich nähernden Kfz und Radfahrer zu Recht?

- Welche Rolle spielt die Angst der Radfahrer vor schnellen Autos?

- Welche Rolle spielt das Selbstverständnis vieler Autofahrer die Straße sei in erster Linie für sie da?

- Welche Rolle spielt das Selbstverständnis vieler Radfahrer?

- Welche Bedeutung hat die Konkurrenzsituation zwischen Auto und Fahrrad?

- Woran liegt es, dass Radfahrer von Kfz-Fahrern häufig nicht gesehen werden?

- Woran liegt es, dass Radfahrer trotz des Blicks in die richtige Richtung übersehen werden?

- Woran liegt es, dass Radfahrer „unerwartet“ kommen? Was man nicht erwartet, sucht man nicht, was man nicht sucht, entdeckt man nicht.

- Wie erklären sich die vielen Missverständnisse zwischen Rad- und Kfz-Fahrern?

 

Teil 4: Folgerungen aus den Analysen und Strategien zur Erhöhung der Verkehrssicherheit

- Was sind die wesentlichen Folgerungen aus der Unfallanalyse, der Konfliktbeobachtung und der Analyse der individuellen Herausforderungen für die Verkehrsplanung und welche Strategien zur Erhöhung der Verkehrssicherheit lassen sich ableiten?

- Was lässt sich gegen die Überforderung der Verkehrsteilnehmer im Kreisel unternehmen?

- Welche Rolle könnte dabei eine klarere Führung der Verkehrsteilnehmer im Kreisverkehr spielen?

- Wie lässt sich die Anzahl der Entscheidungen, die teilweise gleichzeitig zu treffen sind reduzieren?

- Wie lässt sich die Situation insbesondere für den Kfz-Fahrer vereinfachen?

- Wie lässt sich die Sicht zwischen den Verkehrsteilnehmern verbessern?

- Wie häufig wird der Kreisverkehr tatsächlich zweistreifig befahren?  Wäre die einstreifige Verkehrsführung eine Alternative? Welche Vor- und welche Nachteile wären mit ihr verbunden?

- Wäre eine rechtwinkligere Ausfahrt aus dem Kreisverkehr eine Alternative? Welche Vor- und welche Nachteile wären mit damit verbunden?

- Welche Vor- und Nachteile sind mit einer klaren Trennung der Verkehrsräume verbunden?

- Lassen sich Sperrflächen mit Reflektorschwellen sichern?

- Welche Vor- und Nachteile hätte eine Verkleinerung der Kreisinsel?

- Wie lässt sich die Anzahl der Verkehrsteilnehmer reduzieren, die gleichzeitig den Kreisel befahren?

 


Anlagen