Vorlage - VO/2015/02441  

Betreff: Austauschblatt zu VO/2015/02380 BESCHLUSS der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zu den Freihandelsabkommen
TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) ? EU/USA
CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement ? EU/KANADA
TISA (Trades in Services Agreement) - plurilaterales Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (Vertagt in der Sitzung 26.02.2015)
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsstelle der Fraktion DIE LINKE Beteiligt:Geschäftsstelle der Fraktion DIE PARTEI-PIRATEN
Bearbeiter/-in: Peisker, Sina   
Beratungsfolge:
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Entscheidung
26.02.2015 
13. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck 2013 - 2018 zurückgestellt   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck kommt zu folgendem Beschluss:

Beschlussvorschlag

 

Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck kommt zu folgendem Beschluss:

 

Bei den derzeit verhandelten Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA handelt es sich um eine „neue Generation“ von bi- und plurilateralen Handelsverträgen, die eine Machtverschiebung zur Folge hätten: weg von demokratisch gewählten Politikern, hin zu multinationalen Konzernen und Verbänden. Diese Art von Verträgen stellt einen massiven Eingriff in unsere kommunale Gestaltungshoheit und unsere kommunale Selbstverwaltung dar.

 

Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck lehnt die Abkommen TTIP, CETA, TISA deshalb ab.

 

Die Hansestadt Lübeck wird

 

-              diese ablehnende Haltung in geeigneter Weise gegenüber der Landes- und               Bundesregierung sowie dem Europäischen Parlament deutlich machen,

 

-               sich in den kommunalen Spitzenverbänden dafür einsetzen, dass diese sich ebenfalls

            gegen               den Abschluss bzw. die Ratifizierung der Handelsverträge positionieren,

 

-               die Öffentlichkeit über ihre ablehnende Haltung zu den Freihandelsabkommen TTIP,

              CETA und TISA informieren.

 

 

 

 

 

 

Demokratie und Transparenz

Begründung

 

Demokratie und Transparenz

Die Verhandlungen zu allen drei Abkommen finden nach wie vor weitestgehend als Geheimverhandlungen statt. Die Verhandlungsdokumente werden allenfalls nur lückenhaft veröffentlicht, nicht einmal die EU-Abgeordneten haben uneingeschränkten Zugang. Und obwohl Städte und Kommunen direkt betroffen sind, werden die kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund sowie Deutscher Landkreistag) lediglich über einen zusätzlich eingerichteten TTIP-Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium berücksichtigt, nicht aber auf EU-Ebene.

Dies entspricht nicht den demokratischen Standards. Denen zufolge müsste die Einbeziehung in die Vertragsverhandlungen so frühzeitig erfolgen, dass die Gestaltungsfähigkeit gegeben ist.

 

Investitionsschutz für Konzerne

Bei TTIP und CETA erhalten internationale Konzerne ein Sonderklagerecht und können gegenüber Staaten oder auch Kommunen Kompensationszahlungen fordern, wenn sie ihre „legitimen Gewinnerwartungen“ geschmälert sehen. Die Klagen werden vor privaten Schiedsgerichten verhandelt. Diese stellen eine Paralleljustiz dar, die grundlegende Prinzipien des Rechtsstaates unterläuft und Konzerne mit mehr Machtfülle ausstattet als demokratisch gewählte Regierungen.

Da auch Beschlüsse auf kommunaler Ebene Anlass für solche Klagen sein können, würde dies voraussichtlich dazu führen, dass die politischen Gremien von Städten und Gemeinden gleichsam in vorauseilendem Gehorsam bei jedem Beschluss prüfen müssten, ob sie eventuell die Gewinnerwartung eines Konzerns beeinträchtigen und somit eine Klage auslösen könnten.

Angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren die Anzahl  der Investor-Staat-Klagen deutlich angestiegen ist, stellen wir uns die Frage, wie viele solcher Klagen sich ein Staat, eine Stadt oder eine Gemeinde leisten kann?

Einen solchen Eingriff in unsere kommunale  Entscheidungshoheit lehnen wir ab!

 

Zwischen Staaten mit funktionierenden Rechtssystemen ist eine Investitionsschutzklausel nicht nur  überflüssig, sondern untergräbt darüber hinaus die Rechtsstaatlichkeit in Europa!

 

Kommunale Daseinsvorsorge, öffentliches Beschaffungswesen, Dienstleistungssektor, kommunale Selbstverwaltung

Es ist zu erwarten, dass durch die Handelsabkommen CETA, TTIP, TISA die kommunale Daseinsvorsorge und die Freiheit der Kommunen, darüber selbst zu entscheiden, in hohem Maße beeinträchtigt werden.

Dazu gehören so wichtige Bereiche wie die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die Abfallentsorgung, der öffentliche Personennahverkehr und viele städtische Angebote im Sozial- und Kulturbereich.

„All diese nicht-liberalisierten Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge werden von den Kommunen in hoher Qualität und unter Einbeziehung von Bürgerinteressen erbracht. Sie müssen geschützt und deshalb in den Handelsabkommen ausdrücklich ausgenommen werden“, fordert der Deutsche Städtetag. (1)

Das jedoch ist nicht gewährleistet, da die EU-Kommission bisher in einer Negativliste nur staatliche Hoheitsaufgaben von einer Liberalisierung wirksam ausschließt. Die vorhandenen Ansätze zum Schutz öffentlicher Dienstleistungen entfalten nur eine unzureichende Wirksamkeit. (2)

Deshalb wäre ein Positivlisten-Ansatz ohne Erwähnung der Daseinsvorsorge erforderlich.

 

Durch eine Verpflichtung zur „Nicht-Diskriminierung“ und zum „Marktzugang“ für Unternehmen der anderen Vertragsparteien würden die Kommunen wertvolle Instrumente ihrer Gestaltungshoheit verlieren, wie z.B. wirtschaftliche Bedarfsprüfungen im Rahmen von Marktzugangsbeschränkungen oder das Erteilen von Subventionen, welche dann als unzulässige Bevorzugung lokaler Unternehmen eingestuft werden könnte.

Für Lübeck als Kulturstadt hätte dies schwerwiegende Folgen.

Auch soziale Einrichtungen der Wohlfahrtspflege oder Maßnahmen, wie z.B. die Mietpreisbremse, dürften unter starken Druck geraten.

Ebenfalls wird die Bevorzugung regional tätiger Anbieter bei öffentlichen Aufträgen erschwert bzw. unmöglich gemacht, da von einem bestimmten Schwellenwert an Aufträge nicht nur EU-weit , sondern auch innerhalb der anderen Vertragsparteien ausgeschrieben werden müssten. Außerdem dürften mittelständische Unternehmen vor Ort nicht mehr bevorzugt werden. Dadurch käme es zu einer Minderung der Gewerbesteuereinnahmen für die Stadt und zu einer Schwächung der lokalen Unternehmen.

 

Das Gemeinwohl und öffentliche Interessen müssen in diesen sensiblen Bereichen weiterhin im Vordergrund stehen! Die Handlungsautonomie der Kommunen darf nicht eingeschränkt werden!

 

Obwohl die EU laut Lissabon-Vertrag und gemäß dem Subsidiaritätsprinzip nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen darf, duldet unsere Bundesregierung mit den Abkommen diesen Gesetzesübertritt und befördert ihn sogar noch!

 

Standstill- und Ratchet-Klausel

Es hat sich in jüngster Vergangenheit gezeigt, dass – aus guten Gründen -  zahlreiche Privatisierungen öffentlicher Güter und Dienstleistungen wieder rückgängig gemacht wurden.

Die Abkommen würden die Rückführung einmal privatisierter Leistungen in die öffentliche Hand jedoch gleichsam  unmöglich machen!

Denn alle drei Handelsabkommen enthalten sogenannte „Standstill“-  und „Ratchet“-Klauseln, die jeweils auf unterschiedliche Weise bewirken, dass ein Status der Liberalisierung zukünftig nicht wieder aufgehoben werden darf.

 

Solche „Endgültigkeitsklauseln“ lehnen wir ab!

 

Rat für Regulatorische Kooperation und Living Agreement

Die EU-Kommission plant die Etablierung eines Rates zur Regulatorischen Kooperation, in dem EU- und US-Behörden mit Konzernvertretern zusammenarbeiten, um Regulierungsmaßnahmen zu diskutieren. Das bedeutet, dass Gesetzesvorhaben erst einmal daraufhin überprüft werden, ob sie Belange der Freihandelsabkommen berühren, so dass Unternehmensinteressen zum Zuge kämen, bevor Parlamente diese Gesetzesvorlagen zu Gesicht bekommen!

 

Dies würde geplante Gesetzesänderungen z.B. zur Verbesserung von Natur-, Umwelt-, und Verbraucherschutz - also zum Wohle der Menschen – in hohem Maße erschweren, bzw. unmöglich machen.

Solche Eingriffe in demokratische Verfahren sind für uns nicht akzeptabel!

 

Sowohl CETA als auch TTIP sollen als „lebendes Abkommen“ verabschiedet werden, was bedeutet, dass sich die Verhandlungspartner zunächst auf ein allgemeines Rahmenabkommen einigen und die Details (z.B. Absenkung von Standards) dann in  Ausschüssen im Nachhinein weiter verhandeln und vorantreiben können.

All dies geschieht am Europaparlament vorbei und entzieht sich dadurch jeglicher demokratischer Kontrolle.

 

Für Vereinbarungen, die derart weitreichend in die staatliche und kommunale Regulierungshoheit eingreifen, bedarf es Standards der Transparenz und der demokratischen Legitimation. Diese Voraussetzungen sehen wir bei TTIP, CETA und TISA nicht erfüllt.

 

Aus den genannten Gründen lehnen wir diese „neue Generation“ von Handelsabkommen ab.

 

Wir treten dagegen ein für eine Handelspolitik im Interesse der Menschen und der Umwelt, die auf hohen ökologischen und sozialen Standards beruht und eine nachhaltige Entwicklung in allen Ländern fördert.

 

(1) Appell des Deutschen Städtetages 27.11.2014 „Kommunale Daseinsvorsorge nicht durch Freihandelsabkommen einschränken – transparent verhandeln“

 

(2) „Auswirkungen von TTIP auf den Rechtsrahmen für öffentliche Dienstleistungen in Europa“ von  Prof. Markus Krajewski und Britta Kynast, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 1.10.2014


Anlagen

 

Stammbaum:
VO/2015/02441   Austauschblatt zu VO/2015/02380 BESCHLUSS der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zu den Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) ? EU/USA CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement ? EU/KANADA TISA (Tradesin Services Agreement) - plurilaterales Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (Vertagt in der Sitzung 26.02.2015)   Geschäftsstelle der Fraktion DIE LINKE   interfraktioneller Antrag
VO/2015/02561   DIE LINKE - 2. Austauschblatt zu VO/2015/02380 BESCHLUSS der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zu den Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) ? EU/USA CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement ? EU/KANADA TISA (Trades in Services Agreement) - plurilaterales Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (Vertagt am 26.02./26.03.2015)   Geschäftsstelle der Fraktion DIE LINKE   interfraktioneller Antrag