Auszug - Grundlagenbeschluss für den Entwurf des Flächennutzungsplans und den Verkehrsentwicklungsplan  

66. Sitzung des Bauausschusses
TOP: Ö 3.1
Gremium: Bauausschuss Beschlussart: zur Kenntnis genommen / ohne Votum
Datum: Mo, 21.03.2022 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 16:08 - 19:37 Anlass: Sitzung
Raum: Große Börse
Ort: Rathaus
VO/2021/10558 Grundlagenbeschluss für den Entwurf des Flächennutzungsplans und den Verkehrsentwicklungsplan
   
 
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna Hagen
Federführend:5.610 - Stadtplanung und Bauordnung Bearbeiter/-in: Stolte, Christian
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Der TOP 3.1, TOP 3.1.1, TOP 3.1.2, TOP 3.1.3 und TOP 3.1.4 werden gemeinsam behandelt. Die Diskussion ist unter TOP 3.1 dargestellt, die Abstimmung unter dem jeweiligen TOP.

 

Herr Ramcke kritisiert die von der SPD und CDU gestellten Änderungsanträge. Er habe erwartet, dass mehr in die Zukunft geschaut werden würde. Der von seiner Fraktion vorgeschlagene Modal Split bewege sich in einem realistischen Umfeld um das vorgeschlagene Szenario C und sei moderat. Die anderen Anträge seien die komplette Umkehr. Die Aussage, dass Teile des Kfz-Verkehrs zum Umweltverbund gehören würden sei komplett daneben. Die Zielwerte für den Radverkehr würden sich unterhalb des ohnehin zu erwartenden Trends bewegen und die angesetzten Werte für den ÖPNV seien ebenfalls unverständlich niedrig. Er fragt, wie mit diesen Anträgen die Verkehrswende erreicht werden solle. Er werbe für seinen Änderungsantrag und empfiehlt, dass die Anträge der Fraktionen CDU und SPD zurückgezogen werden sollten. Die Bürger:innen hätten sich in der Beteiligung für das Szenario D ausgesprochen.

 

Herr Lötsch führt aus, dass, was für den einen maßvoll sei, für einen anderen nicht maßvoll sein müsse. So werde die Reduktion des Kfz-Verkehrs in Herrn Ramckes Antrag nicht als realistisch angesehen, da die Hansestadt Lübeck ein Oberzentrum sei. Es müsse die Frage gestellt werden, ob Lübeck eine wachsende Stadt sein solle oder nicht. Er verweise auf den Bericht zum Bedarf an Gewerbeflächen. Es würden Reserven benötigt werden, ggf. könnten bestimmte Flächen zu einem späteren Zeitpunkt bspw. aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht bebaut werden.

 

Herr Dr. Flasbarth sagt, dass sich seiner Ansicht nach CDU und SPD bei den Gewerbeflächen vertan hätten. Ein Flächenbedarf von 250 Hektar brutto sei die Fortschreibung des bisherigen Trends, ein Bedarf von 240 Hektar netto seien eher 300-350 Hektar brutto. Dazu kämen noch die bereits in B-Plänen angedachten Flächen, wie das Gewerbegebiet Semiramis, mit zusätzlichen 95 Hektar. Insgesamt komme er so auf rund 450 Hektar Gewerbeflächen brutto. Die Verwaltung wolle den Flächenverbrauch um 20% reduzieren, die alte Bundesregierung habe den Verbrauch um 55% reduzieren wollen, die CDU und SPD würden dagegen den Flächenverbrauch fast verdoppeln wollen. Er wolle außerdem wissen, ob der Umweltverbund auch E-Autos beinhalte, so wie es der Antrag andeute.

 

Herr Stolte erklärt, dass der Umweltverbund den ÖPNV, den Radverkehr und den Fußverkehr umfasse. E-Autos würden nicht zum Umweltverbund dazugehören.

 

Herr Leber fragt, ob es eine Rechtsfolge geben würde, sofern die Quoten nicht erreicht werden würden.

Herr Stolte antwortet, dass es um die planerische Haltung gehe, welche die Verwaltung in Zukunft einnehmen wolle, dies sei auch so in der Vorlage dargestellt. Es solle Klarheit geschaffen werden, in welche Richtung geplant werden solle, und welche Ziele im Fokus stünden.

 

Herr Biehlig möchte bezüglich der Gewerbeflächen wissen, ob es einen Verbund mit den umliegenden Gemeinden gebe und welche Möglichkeiten es im Rahmen des F-Plans gebe, Flächen zu entsiegeln oder aufzuwerten.

Herr Stolte erläutert, dass der F-Plan sich auf das Lübecker Stadtgebiet beziehe. Wenn festgestellt werde, dass etwas auf den eigenen Flächen nicht realisiert werden könne, sei es aber eine Option zu prüfen, ob die Maßnahme im nahem Umland durchgeführt werden könne. Es habe diesbezüglich bereits Anfragen gegeben, aber die Verwaltung wolle erst den Grundlagenbeschluss abwarten. Weiterhin bereite der F-Plan die Aufwertung von Flächen vor, wenn damit eine Änderung der Nutzung einhergeht.

 

Herr Dr. Flasbarth fragt, ob seine Annahme, dass der geplante Flächenverbrauch von CDU und SPD eher bei 450 Hektar brutto liege, korrekt sei, und warum vorgesehen sei, den Modal Split des ÖPNV lediglich auf 14% zu steigern. Der Modal Split habe zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit bereits bei 16% gelegen, daher frage er sich, warum es nicht Ziel sei, das frühere Niveau zu erreichen. Außerdem bitte er darum, genau zu definieren, was mit dem Umweltverbund gemeint sei.

Herr Lötsch entgegnet, dass er nicht verstehen könne, wie Herr Dr. Flasbarth auf die 450 Hektar komme.

 

Herr Pluschkell führt an, dass die Verwaltung irrtümlich mit einer überholten Definition des Umweltverbundes arbeite, da diese Definition noch aus den 80er Jahren stamme, und damals die Möglichkeiten von E-Autos noch nicht abgesehen werden konnten. Laut Wikipedia bezeichne der Umweltverbund die umweltverträglichen Verkehrsmittel, hierbei sei die Umweltverträglichkeit über den Abgasausstoß pro Kilometer definiert. Es sei bei der Erstellung der Änderungsanträge auch nicht unbedingt in den vorgeschlagenen Varianten gedacht worden, stattdessen habe man eigene erstellt. Die Quote für den ÖPNV sei damit begründet, dass es darum gehe, Anteile vom motorisierten Individualverkehr abzugraben, und nicht den Anteil des ÖPNV auf Kosten des Radverkehrs zu stärken. Es seien erhebliche Zuschüsse für den ÖPNV und den Radverkehr vorgesehen. Es gebe ohnehin bereits hohe Zuschüsse für den ÖPNV. Mit den Werten sei die Stadt auf einem guten Weg, die gesteckten Ziele auch zu erreichen. In der Bürgerbeteiligung sei zwar die Variante D favorisiert gewesen, aber die Verwaltung habe auch gesagt, dass die Beteiligung nicht repräsentativ sei. Daher sei es auch korrekt, dass die Verwaltung zur Variante C tendiere und nicht zur Variante D.

 

Frau Haltern sagt, dass die Stadt mit den derzeitigen Hektaraufteilungen schon ganz gut davor sei. Die Stadt habe einen guten Branchenmix und diese Branchen hätten den Vorteil, dass junge Menschen und Startups angesiedelt werden könnten. Dafür würden aber Gewerbeflächen benötigt werden. Die Flächen könnten zwar über die Innenverdichtung generiert werden, dort gebe es aber auch nicht mehr sehr viele Flächen und es müsste auf die Belüftung und die Temperatur der Stadt geachtet werden. Es gebe viel Vegetation und Gewässer, dies sei ein Vorteil, allerdings müsse trotzdem aufgepasst werden. Zudem hätten heutige Firmen auch Ökologie in ihrer Corporate Identity festgeschrieben und heutige Gewerbeflächen wären nicht mehr so stark versiegelt. Alle hätten die Zeichen der Zeit erkannt. Es müsse eine Politik gemacht werden, die sich den Realitäten stelle, aber die Bedarfe könnten gut in Balance auf den Weg gebracht werden.

 

Herr Stolte erklärt, dass es nicht unbedingt darauf ankomme, wie die Politik den Umweltverbund definieren wolle. Die Verwaltung würde im Falle des Beschlusses des Antrags die konkret für die einzelnen Verkehrsträger aufgeführten Zielwerte verwenden. Die Unterscheidung zwischen normalen Autos und E-Autos sei daher nicht entscheidend. Die Bürgerbeteiligung sei in der Tat nicht repräsentativ, das seienrgerbeteiligungen aber nie. Dennoch sei es aber erklärter politischer Wille, Bürgerbeteiligungen durchzuführen.

 

Herr Dr. Flasbarth sagt, dass die Erklärungen sehr schön klingen würden, aber es kein Flächenverbrauch in Maßen sei. Er erläutert seine Berechnung erneut. Das Gutachten zum Flächenverbrauch, welches der Verwaltung vorliege sei sehr gründlich, aber auch sehr einfach. Er begrüße, dass der Begriff des Umweltverbundes weiterentwickelt werden solle, weise aber daraufhin, dass die von Wikipedia entlehnte Definition nicht nur den Schadstoffausstoß pro Kilometer umfasse, sondern auch den Flächenverbrauch und die Lärmbelastung inkludiere. Daher halte er diese Erweiterung des Umweltverbund-Begriffesr gewagt.

 

Herr Lötsch merkt an, dass die Verwaltung bereits gesagt habe, dass die einzelnen Quoten zählen würden.

 

Herr Ramcke bittet die SPD-Fraktion darum, ihre Berechnung von Brutto- und Nettoflächen zu erläutern. Zudem habe er gehört, dass es bei dem Ausbau des ÖPNV immer einen Tipping Point gebe, ab dem die Kosten geringer werden würden. Die Angabe von Herrn Pluschkell, dass die Kosten einfach steigen würden, sei daher falsch. Er hätte hinsichtlich des ÖPNV auch mehr Ambitionen seitens der SPD erwartet.

 

Herr Vorkamp wünscht, dass die Flächenangabe in netto konkretisiert werde. Die Verwaltung hätte nie versucht einen Grundlagenbeschluss zu erwirken, wenn mit einem derartigen Flächenverbrauch zu rechnen gewesen wäre. Neue Firmen würden heutzutage auch nicht mehr so viele Flächen benötigen. Aufgrund der Nullzinspolitik seit 2008 seien bereits viele Fehlentscheidungen getroffen worden. Es habe auch ziemlich viele Umsiedlungen gegeben, er frage sich daher, wie die Verwaltung beispielweise mit den freigewordenen Flächen in St. Lorenz-Süd umgehen wolle. In der Vergangenheit habe es auch viele Anfragen aus dem Einzelhandel gegeben, diese Nachfrage würde auch wegfallen. Die Zahlen in den Anträgen von CDU und SPD seien Größenwahnsinn.

 

Herr Pluschkell sagt, dass viele, die nicht mehr den ÖPNV nutzen, auf das Fahrrad umgestiegen seien, und diese müsste man nicht dazu bewegen, wieder den ÖPNV zu nutzen. Als der Modal Split des ÖPNV noch bei 16% gelegen habe, sei dieser auch jedes Jahr mit 27 Mio. Euro bezuschusst worden. Wenn der Anteil gesteigert werden solle, müsse ein Bewusstsein dafür vorliegen, dass die Kosten auch steigen würden. Die Vision von SPD und CDU sei die realistische Lösung.

 

Der Vorsitzende beantragt den Schluss der Rednerliste.

Der Bauausschuss stimmt dem einstimmig zu.

 

Frau Kempke von LTM, die vom Bauausschuss Rederecht erhalten hat, erklärt, dass sie für die Lübecker Wirtschaft spreche und die Wirtschaft die Änderungsanträge von SPD und CDU begrüße. Lübeck sei ein Oberzentrum und brauche eine starke Wirtschaft um die Klimaziele zu erreichen. Daher befürworte man die Änderungen sehr. Sie sei allerdings irritiert über die 450 Hektar Fläche die jetzt im Raum stünden.

 

Herr Dr. Flasbarth bittet die Verwaltung um eine Aussage dazu, wie viele Hektar das tatsächlich seien. Weiterhin würden sich im Gewerbegebiet Semiramis nur fünf neue Firmen ansiedeln, drei Lübecker Firmen und zwei Logistikunternehmen. Logistikunternehmen hätten einen hohen Flächenverbrauch und würden nur vergleichsweise wenige Arbeitsplätze, die im Niedriglohnsektor lägen, schaffen, was eine geringe Wertschöpfung und damit auch geringe Gewerbesteuereinnahmen bedeute. Die Stadt brauche Qualität und nicht Quantität und müsse sich genau aussuchen, wer angesiedelt werden solle. Die derzeitige Ansiedlungspolitik der KWL führe nicht zu Qualität. Was sinnvoll an den Anträgen von SPD und CDU sei, sei, dass diese ein Polster schaffen wollen würden. Diese müssten aber nicht als nicht entwickelte Flächen im F-Plan stehen, sondern als bereits entwickelte Flächen, die man zur Verfügung stellen könne, wenn gute Unternehmen nach Lübeck kommen wollen würden. Er kritisiert erneut die in den Änderungsanträgen von SPD und CDU anvisierten Quoten.

 

Herr Lötsch entgegnet, dass diese Quoten angemessen seien.

 

Frau Haltern erwidert, dass in der Tat über die Ansiedelungspolitik nachgedacht werden müsse, dies aber ein Thema für den Wirtschaftsausschuss sei. Sie könne immer noch nicht nachvollziehen, wie Herr Dr. Flasbarth auf einen Flächenzuschlag von 50% von netto auf brutto komme.


 


Beschluss:


Basierend auf den im Rahmen des Stadtentwicklungsdialogs unter https://uebermorgen.luebeck.de/projekte/stadtentwicklungsdialog/index.html aufgeführten Inhalten der Stadtentwicklungsszenarien A, B, C und D wird der Bürgermeister wie folgt beauftragt:

 

  1. Im Entwurf des Flächennutzungsplans werden in Orientierung an das „Szenario C“ 25 ha Wohnbauflächen (brutto; zusätzlich zu den bereits laufenden B-Plänen) und 200 ha Gewerbeflächen (brutto) dargestellt.
  2. r den Verkehrsentwicklungsplan werden die Modal Split-Zielwerte des „Szenario C“ zugrunde gelegt (30% Kfz, 27% Fahrrad, 17% ÖPNV, 26% Fußverkehr). Die Werte können variieren, so lange der Zielwert von 70% für den Umweltverbund gewahrt bleibt.
  3. Aufgrund der Öffentlichkeitsbeteiligung, welche eine starke Zustimmung zum Szenario D zum Ergebnis hat, werden folgende Ergänzungen beschlossen:
  1. Zusätzliche Bauflächen werden ausschließlich in städtebaulich integrierten Lagen oder unter Anwendung der aktiven Baulandentwicklung durch die Hansestadt Lübeck (gemäß Anhang) umgesetzt.
  2. Um die Ziele der Verkehrswende zu erreichen, wird beim ÖSPV (Busverkehr) ein Paradigmenwechsel hin zu einer verkehrswendeorientierten Planung vollzogen.
  3. Die Halbierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 (Basis: 2019) und das Erreichen der Klimaneutralität bis 2040 setzen den verbindlichen Rahmen für den FNP und den VEP.

 

 


 


 

Ein Votum des Bauausschusses ist nach der Abstimmung über die Änderungsanträge nicht zustande gekommen.


 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich TOP 3.1 - Vermerk zur aktiven Baulandentwicklung (57 KB)