Auszug - Neues Buddenbrookhaus  

Sondersitzung des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege
TOP: Ö 4.1
Gremium: Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege Beschlussart: zur Kenntnis genommen / ohne Votum
Datum: Mo, 30.11.2020 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 16:02 - 17:49 Anlass: Sitzung
Raum: Bürgerschaftssaal
Ort: Rathaus, 23552 Lübeck
VO/2020/09582 Neues Buddenbrookhaus
   
 
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Bürgermeister Jan Lindenau
Federführend:1.101 - Bürgermeisterkanzlei Bearbeiter/-in: Wittig, Kristina
 
Wortprotokoll
Abstimmungsergebnis

Hr. Bgm. Lindenau führt zum Gegenstand Museumserweiterung Buddenbrookhaus ein. Anschließend stellt Fr. Jannsen (FB 5/GMHL) die Problemlage dar und Fr. Mueller-Haagen von TMH Architekten in Lübeck präsentiert die baulichen Varianten.

 

Hr. Bgm. Lindenau teilt mit, dass die sog. Förderkulisse darauf dränge, mit dem Projekt „Das NEUE Buddenbrookhaus“ (DAS NEUE BBH) weiter voranzuschreiten. Bereits 2014 wurde mit einer Machbarkeitsstudie das Bauvorhaben des NEUEN BBH, das die Gebäude der Mengstr. 4 und 6 zu einem Museum zusammenführt, um u. a. mehr Ausstellungsfläche zu bieten, geprüft. Ende 2017 sei ein offener, einphasiger Realisierungswettbewerb ausgelobt worden und im März 2018 ging der erste Preis an den Siegerentwurf des Lübecker Architekturbüros TMH + Simonsen. Danach kam es zu einer zeitlichen Verzögerung aufgrund einer Klage des Drittplatzierten, die später zurückgezogen worden sei. Danach konnte mit der Umsetzung der Leistungsphasen I und II Grundlagenermittlung und Vorentwurf begonnen werden. Aktuell stehe Phase II vor ihrem Abschluss, danach könne Phase III beginnen. Im Zuge der ersten beiden Leistungsphasen seien denkmalpflegerische Belange überprüft worden und im Zuge dessen neue Herausforderungen hinzugekommen: Eingriff in Teilbereiche eines mittelalterlichen, denkmalgeschützten Kellergewölbes in der Mengstr. 6 durch den Einbau eines Sicherheitstreppenhauses. Außerdem seien mehrere Durchbrüche durch denkmalgeschützte Brandwände vorgesehen, um die Kellergeschosse von Mengstr. 4 und 6 miteinander zu verbinden, was ebenso einen Eingriff in ein geschütztes Kulturdenkmal darstelle. Um die Nutzung des Hauses als öffentliches Gebäude und die Erschliung des Museums sicherzustellen, ist es aus bauordnungsrechtlichen, nämlich brandschutztechnischen Gründen erforderlich, einen zweiten Fluchtweg aus dem Keller zwingend zu realisieren. Außerdem ist die barrierefreie Erschließung geförderter, öffentlicher Einrichtungen zwingend umzusetzen. Deshalb gibt es in den Plänen ein Sicherheitstreppenhaus, das das Gewölbe durchdringt.

 

Fr. Jannsen ergänzt zur Problemlage und zur Problematik der Sicherheitstreppe, dass sich der erste Preis durch ein kaskadenartiges Treppenhaus auszeichnet, das den gesamten Neubau über alle Geschossebenen erschließt. Die Diskussion um den Eingriff in Teilbereiche des historischen Gewölbekellers entstand zwischen Nutzerin (Kulturstiftung HL), Bauherrin (GMHL) und Denkmalpflege / Stadtplanung im Rahmen der laufenden Leistungsphase II. Dabei sei über die diversen Varianten gemeinsam diskutiert worden, um das Kellergewölbe erhalten zu können. Ein weiterer „Knackpunkt“ in Leistungsphase II sei, dass die neue Dachgestaltung und damit der Höhenentwicklung des Gebäudekomplexes vom prämierten Siegerentwurf abweicht: Die Dachkubatur muss höher sein als ursprünglich angenommen, um das Raumprogramm und Nutzungskonzept umsetzen zu können. Ein Durchbruch der Brandwand im Erdgeschoss als Verbindung der beiden Gebäude sei statisch und entwurflich zu realisieren.

 

Fr. Mueller-Haagen stellt u. a. dar, dass zuerst vier Varianten innerhalb des Gebäudes geprüft worden seien. Um das Kellergewölbe nicht zu tangieren, wurden zwei weitere, außerhalb des Gebäudes befindliche Varianten geprüft. Bei diesen Varianten, die die Rückansicht des Buddenbrookhauses im Vergleich zum Wettbewerbsentwurf erheblich verändern würden, wären Rechte der angrenzenden Anlieger berührt: Das betroffene Grundstück ist durch Dienstbarkeiten belegt, die Anlieger müssten einer Bebauung zustimmen.

Im Mediationsverfahren habe es zu den Varianten der Kellererschließung keine Einigung gegeben, immerhin fünf von sieben Varianten konnten im Konsens verworfen werden. Die Entscheidung zum Umgang mit dem hofseitigen Kellergewölbesse entsprechend durch Hr. Bgm. Lindenau als obersten Denkmalpfleger der Stadt erfolgen.

 

Auch die zukünftige Dachkubatur sei in Varianten untersucht worden, so Frau Mueller-Haagen. Zur Anhebung der Fassade teilt sie außerdem mit, dass die Abt. Denkmalpflege die Höhenlage der Fassade Mengstr. 6 als Teil ihres Charakters und damit als Teil des Denkmals selbst sehe und eine erhebliche Anhebung im Grundsatz nicht befürworte. Übrig bleibe daher aus Sicht der Bauherrin und Nutzerin nur Variante A, wonach sich die Überhöhung der Dächer hinter Mengstr. 4 und 6 erkennbar von den historischen Fassaden abhebe, aber sich durch eine starke Neigung der Dächer optisch zurückhält. Eine Balance zwischen Erzählung und Bauikone bleibe bei dieser Lösung gewahrt.

Der Verzicht auf eine Geschossebene in der Mengstr. 6. (Variante C) sei gemeinschaftlich nicht weiter verfolgt worden.

 

Hr. Bgm. Lindenau fasst zusammen, dass sich die verschiedenen fachlichen Einschätzungen gegenüberstehen. Daher müsse nun in einem weiteren Schritt nach Vorlage eines Antrages der Bgm. eine Entscheidung treffen. Um eine gemeinsame Lösung zu erreichen, die die beteiligten Akteure mittragen können (Stadtplanung, UNESCO-Beauftragter, Denkmalpflege etc.), sei daher auf seinen Wunsch das Mediationsverfahren in Abstimmung mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein eingeleitet worden. Im Zuge dessen konnte hinsichtlich Gebäudeerhöhung eine Einigung zwischen den Beteiligten zugunsten der Variante A herbeigeführt werden. Hinsichtlich des Treppenhauses stehe die finale Entscheidung durch den Bgm. noch aus. Die geprüfte Variante, den Treppenzugang außerhalb des Gebäudes zu installieren, habe Auswirkungen auf Dienstbarkeiten mit erheblicher weiterer Verzögerung des Bauvorhabens, der Gefahr des Fördermittelverlustes und würde ebenfalls dazu führen, dass die denkmalgeschützte Kellerwand durchbrochen werden müsste. Sollte diese Variante in Erwägung gezogen werden, sei die Förderkulisse schwer umsetzbar. Die Variante des Eindringens in das rückwärtige Kellergebäude sei die einzige Lösung, die durchführbar scheine, da sie nicht auf die Zustimmung der Anlieger angewiesen sei. Die Finanzierung und der zeitl. Ablauf lasse sich hier im Rahmen der Förderperioden umsetzen. Nach Abgung aller Vor- und Nachteile solle diese Variante weiterverfolgt werden.

Zur Bedeutung der Maßnahme für das UNESCO-Kulturerbe teilt Hr. Bgm. Lindenau mit, dass die UNESCO/Icomos bestätigt habe, dass dieses Projekt keine Auswirkungen auf den Welterbestatus der Stadt Lübeck habe und verweist auf die Stellungnahme. Nicht wegzudiskutieren sei, dass es sich um einen Eingriff in ein Denkmal handle, jedoch werde dieses Denkmal infolge der Umbaumaßnahmen insgesamt erlebbar und dadurch verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Zudem erfolgen die Eingriffe in der Pufferzone, nicht im Kerngebiet des Welterbeareals. Außerdem seien Kellerteile unterhalb der heutigen Durchfahrt stark beeinträchtigt und werden durch den geplanten Eingriff wiederhergestellt.

 

AV Stolzenberg bedankt sich für den umfassenden Bericht.

 

AM H. Wegner bedankt sich für die Erläuterungen. Er bedaure die Zerstörung des originären Kulturguts. Er fragt, wie stark der Eingriff sei bzw. wieviel vom Gewölbekeller erhalten bleibe, da in der Mengstr. im Zuge des Zweiten Weltkriegs viel Kulturgut zerstört worden sei. Auch wenn das Welterbe nicht beeinflusst werde, habe die Hansestadt eine Vorbildfunktion in Bezug auf ihr Welterbe.

 

AM Schedel bedankt sich für diese klare und rechtzeitige Information. Sie bittet darum, dass die Kellervariante r Laien noch einmal erläutert werde.

 

AM Steffen weist darauf hin, dass vor 7/8 Jahren alle innerstädtischen Häuser mit historischer Bausubstanz erfasst und verzeichnet worden seien. Er fragt, wann konkret aufgefallen sei, dass dieses mittelalterliche Gewölbe existiere.

 

AM Leber merkt an, dass im Gebäudekomplex zwei Treppen vorgesehen seien.

 

Fr. Mueller-Haagen konkretisiert, dass es sich einerseits um die Rettungswegtreppe (Kaskadentreppe) handle, die in den Keller führe, andererseits um die Treppe, die von der Diele der Mengstr. 4 aus in die oberen Geschosse des Buddenbrookhauses führe.

 

Fr. Dr. Hunecke stellt die Sicht der Denkmalpflege vor. Auf die Frage von AM Steffen antwortet sie, dass diese rein optische Erfassung bereits zwanzig Jahre zurückliege. Dass diese Keller als Denkmale ausgewiesen sind, sei bekannt gewesen. Alle Beteiligten haben sich nach bestem Wissen und Gewissen um Lösungen bemüht. Darüber hinaus bitte die untere Denkmalpflege, im Bericht den § 12 DSchG-SH um die Angabe des Abs. 1 in Verbindung mit § 3 zu erweitern, da die untere Denkmalpflege hinsichtlich genehmigungspflichtiger Maßnahmen die Genehmigungshoheit habe. Trotz der fachlichen Einschätzungen werden die Aufgaben der oberen Denkmalschutzbehörden für den Bereich der Hansestadt Lübeck von dessen rgermeister wahrgenommen.

 

AV Stolzenberg fragt, wieviel Substanz weggebaut werde.

 

Fr. Dr. Hunecke antwortet, dass zwei Gewölbe von insgesamt vier durch den Eingriff der Treppe beeinträchtigt werden. Jedoch werde der Keller durch den Umbau auch saniert.

 

AM Petereit merkt an, dass dieser Eingriff minimalinvasiv sein werde und es auch keine hinlängliche Alternative gebe, um das Projekt zu realisieren.

 

AM Hunecke legt aus fachlicher Sicht dar, dass es sich hierbei um eine Teilzerstörung eines Denkmals handle.

 

AM Steffen erwähnt, dass der politische Beschluss zur Umgestaltung des Buddenbrookhauses bereits längere Zeit zurückliege. Er merkt kritisch an, dass dieser Prozess schon vor drei Jahren tte initiiert werden können. Den derzeitigen Prozess vergleiche er mit einer Kopf durch die Wand-Mentalität. Das Hervorheben der zeitl. Einschränkung und Finanzierung aufgrund derrderkulisse finde er unberechtigt.

 

AV Stolzenberg fragt in Richtung Prof. Dr. Wißkirchen, ob er hinsichtlich des Nutzungsablaufs des künftigen Museums eine Beurteilung vornehmen nne, unabhängig von der denkmalpflegerischen Genehmigung.

 

Hr. Prof. Dr. Wißkirchen antwortet, dass die Kaskadentreppe für die Erschließung des Ausstellungsrundgangs von fundamentaler Bedeutung sei. Aus Sicht der Kulturstiftung HL als Nutzerin sei der Durchbruch des Gewölbes unverzichtbar, um das museale Konzept umzusetzen, die notwendigen Inhalte zu vermitteln, den Besucherstrom zu leiten und Abstände einzuhalten.

 

AM Dr. Junghans werte das Umbauprojekt rechtlich gesehen als Pflichtaufgabe. Das Ergebnis der Abwägung gefalle ihm nicht, er bedankt sich jedoch r die umfassende Darstellung der Abwägungsschritte.

 

AV Stolzenberg bedankt sich für die vorgetragenen Informationen und fordert Hr. Bgm. Lindenau auf, die anstehende Entscheidung in die Stadtgesellschaft zu transportieren, um die Akteure, die sich um den Denkmalschutz in Lübeck kümmern, wie BIRL, Deutsche Stiftung Denkmalschutz oder Gemeinnützige, in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.

 

Der Ausschussvorsitzende schließt die Sitzung um 17.49 Uhr.


 

 

 

 

Abstimmungsergebnis

 

einstimmige Annahme

 

einstimmige Ablehnung

 

Ja-Stimmen

 

Nein-Stimmen

 

Enthaltungen

 

Kenntnisnahme

x

Vertagung

 

Ohne Votum

 


 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich TOP 4.1_Anlage (3083 KB)