Auszug - Antwort auf die Anfrage des AM Prieur (CDU) zur VO/2020/09090: 2. Satzung zur Änderung der Satzung der Hansestadt Lübeck über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, den Ausbau, Umbau und die Erneuerung von Straßen, Wegen und Plätzen in der Hansestadt Lübeck vom 09.12.2014  

39. Sitzung des Bauausschusses
TOP: Ö 5.1.1
Gremium: Bauausschuss Beschlussart: zur Kenntnis genommen / ohne Votum
Datum: Mo, 21.09.2020 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 16:00 - 19:21 Anlass: Sitzung
Raum: Große Börse
Ort: Rathaus
VO/2020/09283-01 Antwort auf die Anfrage des AM Prieur (CDU) zur VO/2020/09090: 2. Satzung zur Änderung der Satzung der Hansestadt Lübeck über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, den Ausbau, Umbau und die Erneuerung von Straßen, Wegen und Plätzen in der Hansestadt Lübeck vom 09.12.2014
   
 
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna HagenBezüglich:
VO/2020/09283
Federführend:5.660 - Stadtgrün und Verkehr Bearbeiter/-in: Johannsen, Jens
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

 


Antwort:

Anfrage des AM Oliver Prieur in der Hauptausschusssitzung am 08.09.2020 (VO/2020/09283):

 

Zu Erläuterung: Nach der Vorlage dürfte es sich nicht um eine überraschende Rechtsmeinung des Gerichtes handeln. Ebenso wenig scheint vor dem OVG mit einer abweichenden Entscheidung zu rechnen sein. Die diskutierten Grundsätze sind seit Jahren Grundlage des Straßenausbaubeitragsrechtes.

 

 

Anfragen und Antworten:

1. Wieso hat der Ausschuss keine Kenntnis von dem Gerichtsverfahren?

Es handelt sich um Beitragsbescheide im normalen Verwaltungsverfahren, welche bisher noch nie mitgeteilt worden sind. Die Hansestadt Lübeck führt eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten, über die die Gremien nur in seltenen Ausnahmefällen von grundsätzlicher Bedeutung informiert werden. Um einen solchen Fall handelte es sich hier nicht.

 

2. Wieso konnte die Rechtswidrigkeit der Satzung nicht vor der mündlichen Verhandlung festgestellt werden, war die Rechtsprechung uns nicht bekannt? Wieso führen wir Verfahren zur Verteidigung offensichtlich rechtswidriger Bescheide?

Die Möglichkeit, bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen Teile des Aufwandes nach Einheitssätzen abzurechnen sieht § 8 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein ausdrücklich vor.

Das Verwaltungsgericht Schleswig hat in einem Urteil vom 27.05.2020 erstmals den im § 4 Abs. 2 der Straßenausbaubeitragssatzung bestimmten Einheitssatz für den Einbau einer Regenwasserleitung als fehlerhaft beurteilt und daher als unwirksam erachtet. In der Zeit seit dem Inkrafttreten der Satzung war dieser Punkt von dem Gericht und dem Oberverwaltungsgericht Schleswig in anderen Rechtsstreitigkeiten über von der Hansestadt Lübeck erhobenen Straßenausbaubeiträgen nicht beanstandet worden.

Eine Gerichtsentscheidung, nach der die Straßenausbaubeitragssatzung der HL im Ganzen rechtswidrig ist, existiert nicht. In dem genannten Urteil hat das Verwaltungsgericht die Satzung vielmehr im Übrigen ausdrücklich für wirksam und als nicht zu beanstandende Rechtsgrundlage für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen angesehen.

Es hat im Übrigen die Auffassung vertreten, dass der Aufwand für die Regenwasserleitung gewissermaßen ersatzweise auf der Grundlage der im Einzelfall hierfür tatsächlich entstandenen Kosten zu berücksichtigen ist.

Dementsprechend hat es auch in seinem Urteil vom 27.05.2020 die Klage gegen den Bescheid weitgehend, nämlich mit einer Quote von 72 % als unbegründet abgewiesen.

Diese Verringerung der Beitragshöhe rührt daraus her, dass die im Einzelfall entstandenen Kosten für die Regenwasserleitung geringer waren als die nach dem Einheitssatz berechneten. In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass in weiteren Rechtsstreitigkeiten um Straßenausbaubeiträge, die in der Folgezeit entschieden wurden, die im Einzelfall entstandenen Kosten der Regenwasserleitung höher waren, als die nach dem Einheitssatz berechneten. Der zu erhebende Beitrag liegt in diesen Fällen daher höher, als der bisher festgesetzte.

Ein offensichtlich rechtswidriger Bescheid lag damit nicht vor. Die Satzung ist bis auf die fehlerhafte Kalkulation des Einheitssatzes, die sich erst im Verlauf des Rechtsstreits herausgestellt hat, Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen. Das hat das Verwaltungsgericht in 5 gleichgelagerten in der Folgezeit ergangenen Urteilen bestätigt.

 

3. Wieso ist der Ausschuss in Kenntnis des Bürgerschaftsbeschlusses nicht darüber informiert worden, dass derartige Verfahren laufen mit der Frage, ob diese tatsächlich geführt werden sollen?

Mit Bürgerschaftsbeschluss vom 29.11.2018 ist die 1. Änderungssatzung zur Straßenausbaubeitragssatzung beschlossen worden, nach der keine Straßenausbaubeiträge mehr für Maßnahmen erhoben werden, die nach dem 01.01.2019 abgeschlossen wurden. Für Maßnahmen vor diesem Zeitpunkt besteht nach wie vor die aus dem Rechtsstaatsprinzip herrührende abgabenrechtliche Beitragserhebungspflicht. Sie verpflichtet die Hansestadt Lübeck weiter Beiträge zu erheben. Eine Nichtanwendung der von der Bürgerschaft beschlossenen geltenden Satzung wäre rechtswidrig und könnte als strafbare Untreue bewertet werden. Ein Entscheidungsspielraum besteht damit nicht.

 

4. Wann ist der aktuelle Stand der Satzung beschlossen worden und wieso empfiehlt der Bereich Recht einen Beschluss über eine rechtswidrige Satzung?

Die aktuelle Satzung ist von der Bürgerschaft am 27.11.2014 beschlossen worden und am 24.12.2014 in Kraft getreten. Sie ist seither bis zu der Entscheidung vom 27.05.2020 weder von dem Verwaltungsgericht noch dem Oberverwaltungsgericht Schleswig für ganz oder teilweise rechtswidrig erklärt worden. Vielmehr gibt es eine Reihe von Urteilen, in denen die Satzung als nicht zu beanstandende Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung angesehen wurde. Wie oben (zu Frage 2) dargestellt, ist die Satzung nach der aktuellen Auffassung des Verwaltungsgerichtes Schleswig nur hinsichtlich der Berechnung einer einzelnen Kostenposition rechtswidrig. Diese im Ergebnis rechtswidrige Einzelbestimmung soll mit der 2. Änderungssatzung durch eine rechtmäßige ersetzt werden. Dabei soll aus den in der Vorlage VO/2020/09090 genannten Gründen auch diese Aufwandsposition, wie alle anderen, nach dem im Einzelfall entstandenen Kosten abgerechnet werden.

Die Änderung der Satzung erfolgt außerdem aus Gründen der Rechtssicherheit. Nach der erwähnten – allerdings nicht unstreitigen und von dem Oberverwaltungsgericht Schleswig in dem in dieser Sache vorangegangenen Eilverfahren in Zweifel gezogenen – Rechtsauffassung des VG Schleswig können auch heute schon die Kosten für den Einbau der Regenwasserleitung so berücksichtigt werden, wie dies mit der geänderten Satzung bestimmt werden soll. Es ist aber nicht absehbar, ob sich das OVG Schleswig der Auffassung des VG Schleswig anschließen wird.

Um ihre Rechte zu wahren, sind Beitragspflichtige deshalb zurzeit gezwungen, gegen Beitragsbescheide Widerspruch einzulegen und ggfs. zu klagen, bzw. bei klageabweisenden Urteilen gegen diese Berufung einzulegen. Dies schafft Rechtsunsicherheit und verursacht unter Umständen für die Beitragspflichtigen erhebliche Gerichtskosten. Die Schaffung von Rechtsklarheit ist daher in ihrem Interesse.

 


 

 

 

 

Abstimmungsergebnis

 

einstimmige Annahme

 

einstimmige Ablehnung

 

Ja-Stimmen

 

Nein-Stimmen

 

Enthaltungen

 

Kenntnisnahme

x

Vertagung

 

Ohne Votum

 

 

Der Bauausschuss nimmt die Antwort zur Kenntnis.