Veröffentlicht am 04.06.2008

Innenminister bestätigt Lübecker Verhältnisausgleich

Stellungnahme aus Kiel stützt Zählverfahren zur Sitzverteilung in der neuen Bürgerschaft

Mit Beratungserlass vom 2. Juni 2008 hat der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein sich an alle Gemeinde- und Kreiswahlleiter für die Kommunalwahl vom 25. Mai 2008 gewandt und seine Auffassung zur rechtmäßigen Verteilung von Sitzen in den neu gewählten Kommunalvertretungen dargelegt.

In Zusammenhang mit der Verteilung von sogenannten Überschuss- und Ausgleichsmandaten hatte es in den vergangenen Tagen heftige Meinungsverschiedenheiten zwischen Verwaltung und Politik gegeben – so auch in Lübeck, wo die Grünen-Fraktion und die Wählerinitiative BfL jeweils einen zusätzlichen Sitz durch ein Ausgleichmandat reklamieren und Gemeindewahlleiter und Bürgermeister Bernd Saxe mit Klage drohen, sollte keine andere Auslegung des Wahlrechts vorgenommen werden.

Die Rechtsauffassung des Innenministers, formuliert durch dessen Mitarbeiter Hans-Jürgen Thiel, stützt jedoch das in Lübeck angewandte Verfahren der d’Hondt-Ermittlung von Sitzen, Überhang- und Ausgleichsmandaten und gibt Bürgermeister Saxe in sofern volle Rückendeckung.

Die Stellungsnahme aus Kiel im vollen Wortlaut:

„Betr.: Verhältnisausgleich bei entstandenen Mehrsitzen, § 10 Abs. 4 GKWG

Bei der Mandatszuteilung aufgrund der Ergebnisse der Gemeinde- und Kreiswahlen am 25. Mai 2008 sind nach meinem derzeitigem Kenntnisstand in erheblichem Umfange Mehrsitze (sog. Überhangmandate) und Ausgleichsmandate entstanden. Allein in den 11 Kreistagen sowie in den Stadtvertretungen von Kiel und Lübeck sind nach den Berechnungen der zuständigen Kreis- und Gemeindewahlleiter 143 zusätzliche Mandate (Mehrsitze und Überhangmandate) zu vergeben. Auch im kreisangehörigen Bereich (insbesondere in den größeren Städten und Gemeinden) dürfte die Vertreterzahl erheblich zugenommen haben.

Auf der kommunalen Ebene sind nun Diskussionen um die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 2 und 3 GKWG entstanden, der Regelungen zum Verhältnisausgleich im Falle entstandener Mehrsitze enthält. Mehrsitze entstehen, wenn eine Partei oder Wählergruppe mehr Mandate in den Wahlkreisen errungen hat, als ihr aufgrund der Verhältnisausgleichsberechnung nach d’Hondt unter Zugrundelegung der in § 8 GKWG festgelegten „Regelgröße“ der jeweiligen Vertretung zustehen.

Nachstehend erläutere ich Ihnen hierzu meine Rechtsauffassung und empfehle Ihnen, diese im weiteren Verfahren zugrunde zu legen:

§ 10 Abs. 4 GKWG lautet:

„(4) Ist die Anzahl der in den Wahlkreisen für eine politische Partei oder Wähler-gruppe gewählten Bewerberinnen und Bewerber größer als ihr verhältnismäßiger Sitzanteil, so verbleiben ihr die darüber hinausgehenden Sitze (Mehrsitze). In diesem Fall sind auf die nach Absatz 2 Satz 2 und 3 noch nicht berücksichtigten nächstfolgenden Höchstzahlen so lange weitere Sitze zu verteilen und nach Absatz 3 zu besetzen, bis der letzte Mehrsitz durch den verhältnismäßigen Sitzanteil gedeckt ist. Die Anzahl der weiteren Sitze darf dabei jedoch das Doppelte der Anzahl der Mehrsitze nicht übersteigen.“

Die Regelungen des heutigen § 10 Abs. 4 Satz 2 und 3 GKWG sind auf der Grundlage einer entsprechenden Gesetzesänderung seit dem 18. September 1965 unverändert in Kraft (s. GVOBl. Schl.-H. 1965, S. 73). Eine wortgleiche Vorschrift wurde auch in das Landtagswahlrecht aufgenommen (s. § 3 Abs. 5 Satz 2 und 3 LWG). Vor 1965 fand in Schleswig-Holstein – wie im Übrigen auch heute noch im Wahlrecht des Bundes – ein Verhältnisausgleich aufgrund errungener Mehrsitze nicht statt.

Seit Inkrafttreten der Regelungen des § 10 Abs. 4 Satz 2 und 3 GKWG und des § 3 Abs. 5 Sätze 2 und 3 LWG vertritt hierzu das Innenministerium als oberste Kommunalaufsichtsbehörde bei der Durchführung von Kommunalwahlen (und in entsprechender Weise ebenso die Landeswahlleitung bei der Durchführung von Landtagswahlen) unverändert folgende Rechtsauffassung zur rechtsfehlerfreien Ermittlung Zusammensetzung der kommunalen Vertretungen:

Die Mitglieder der Gemeinde- bzw. Stadtvertretungen und der Kreistage

werden nach dem System einer personalisierten Verhältniswahl gewählt. Dementsprechend ist bei der Sitzvergabe ein Verhältnisausgleich in folgender Weise durchzuführen (§ 10 GKWG):

1.Im ersten Schritt werden zur Berechnung der Stimmen für den Verhältnisausgleich nach d`Hondt für jeden Listenwahlvorschlag die Stimmen zusammengezählt, die auf die unmittelbaren Bewerberinnen und Bewerber der vorschlagenden Partei oder Wählergruppe im Wahlkreis abgegeben wurden (§ 10 Absatz 1, Satz 2 GKWG).

2.In der Folge wird unter Anwendung des d’Hondtschen Berechnungsverfahrens festgestellt, wie viele Sitze einer Partei oder Wählergruppe von der in § 8 GKWG bestimmten „regulären“ Gesamtzahl der Vertreterinnen und Vertreter einer Gemeinde oder eines Kreises (z.B. Ratsversammlung Kiel: 49) aufgrund ihres Stimmenanteils zustehen (verhältnismäßiger Sitzanteil). Diese Sitze werden an die Parteien und Wählergruppen unter Anrechnung ihrer unmittelbar gewählten Vertreterinnen und Vertreter vergeben (§ 10 Abs. 2 Satz 2 GKWG).

3.Stellt sich bei dieser Berechnung heraus, dass die Anzahl der für eine Partei oder Wählergruppe in den Wahlkreisen gewählten Bewerberinnen und Bewerber einer Partei oder Wählergruppe größer ist als der ihr zustehende Sitzanteil, verbleiben ihr diese Mehrsitze (§ 10 Absatz 4 Satz 1 GKWG).

4.Sind Mehrsitze entstanden, ist auf der Grundlage des § 10 Abs. 4 Satz 2 der Verhältnisausgleich unter Einbeziehung dieser Mehrsitze fortzuführen. Dazu wird die endgültige Sitzzahl der Vertretung Stück für Stück über die „reguläre“ Vertretungsgröße nach § 8 GKWG hinaus um weitere Sitze erhöht. Das geschieht in der Weise, dass die nach d’Hondt berechneten und bei der Vergabe der „regulären“ Sitze nach § 10 Abs. 2 Satz 2 und 3 GKWG noch nicht berücksichtigten nächstfolgenden Höchstzahlen zum Zuge kommen. In einem abstrakt-rechnerischen Schritt werden darauf weitere Sitze verteilt; diese Sitze werden jeweils nach § 10 Abs. 4 in Verbindung mit § 10 Abs. 3 GKWG konkret besetzt. Bei der Verteilung der weiteren Sitze ist demnach allein darauf abzustellen, auf welche Partei oder Wählergruppe die noch zu berücksichtigende nächstfolgende Höchstzahl jeweils fällt.

Bei der konkreten Besetzung eines solchen weiteren Sitzes kommt dann § 10 Abs. 3 – nach der Gesetzesformulierung in § 10 Abs. 4 Satz 2 GKWG uneingeschränkt – zur Anwendung. Das bedeutet:

  • Wenn die Höchstzahl auf eine Partei oder Wählergruppe fällt, die einen Mehrsitz errungen hat, kommt der im Rahmen des Verhältnisausgleichs bisher noch unberücksichtigt gebliebene unmittelbar gewählte Bewerber zum Zuge.
  • Wenn die Höchstzahl auf eine Partei oder Wählergruppe ohne Mehrsitz fällt, erhält deren nächster Listenvertreter den Sitz (sog. Ausgleichsmandat).

Durch diese Differenzierung des Gesetzgebers zwischen der Verteilung weiterer Sitze auf die Parteien und Wählergruppen in der Reihenfolge der nächstfolgenden Höchstzahlen einerseits und der Besetzung dieser verteilten weiteren Sitze innerhalb der dieser Höchstzahl zuzuordnenden Partei oder Wählergruppe in uneingeschränkter Anwendung des § 10 Abs. 3 GKWG wird in zweierlei Hinsicht deutlich, dass die Partei oder Wählergruppe, die Mehrsitze errungen hat, in gleicher Weise in die Verteilung weiterer Sitze einzubeziehen ist wie die anderen Parteien oder Wählergruppen:

  • Hätte der Gesetzgeber dies nicht gewollt, hätte er ausdrücklich regeln müssen, dass bei der weiteren Sitzverteilung die Partei oder Wählergruppe mit Mehrsitzen und damit die bei der Fortführung des Verhältnisausgleichs auf sie fallenden Höchstzahlen außer Betracht bleiben. Dann aber hätte der Gesetzgeber auch ein Verfahren festlegen müssen, wie dennoch rechnerisch festgestellt werden kann, wann ein Mehrsitz durch den verhältnismäßigen Stimmenanteil einer Partei oder Wählergruppe abgedeckt ist.
  • Zudem hätte sich der (Voll-)Verweis auf § 10 Abs. 3 GKWG erübrigt, da bereits denklogisch im Rahmen der Fortführung des Verhältnisausgleichs die Parteien oder Wählergruppen ohne Mehrsitze die ihnen zufallenden weiteren Sitze nur aus ihren Listen besetzen können. Das wäre aber bereits aus dem Verweis in § 10 Abs. 4 Satz 2 auf § 10 Abs. 2 Satz 2 GKWG bereits hinreichend klar geworden.

Damit trägt der Wortlaut des Gesetzes dem gesetzgeberischen Ziel Rechnung, dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit zumindest bis zu einem bestimmten Punkt (s. hierzu Ziffer 5.) Rechnung zu tragen und das Stimmenverhältnis möglichst genau in der Zusammensetzung der Gemeindevertretung bzw. im Kreistag abzubilden, also auch unter Berücksichtigung der Mehrsitze eine Zusammensetzung der Vertretung zu erzielen, die den verhältnismäßigen Stimmenanteilen der in ihr vertretenen Parteien oder Wählergruppen entspricht:

Auf welcher Stufe des Verhältnisausgleichs Mehrsitze von dem verhältnismäßigen Stimmenanteil abgedeckt sind, lässt sich nur ermitteln, wenn auch die Partei oder Wählergruppe, die einen Mehrsitz errungen hat, in die Vergabe der nächstfolgenden, nicht bereits nach § 10 Abs. 2 Satz 2 GKWG „verbrauchten“, Höchstzahlen einbezogen wird. Wie oben bereits ausgeführt, trifft dementsprechend der Gesetzgeber auch keine Bestimmung dahingehend, dass diese Partei oder Wählergruppe bei der Höchstzahlbetrachtung und der darauf basierenden Verteilung weiterer Sitze auszunehmen sei.

Deutlich wird dies, wenn man von folgender Fallkonstellation ausgeht: Eine Partei erringt einen Mehrsitz und die noch nicht berücksichtigte nächstfolgende Höchstzahl fällt auf diese Partei. Damit deckt der verhältnismäßige Stimmenanteil der Partei bei Vergrößerung der „regulären“ Vertretung nach § 8 GKWG um einen (weiteren) Sitz diesen Mehrsitz bereits ab und die Fortführung des Verhältnisausgleichs ist zu beenden. Würde die über diesen Mehrsitz verfügende Partei nicht in die Verteilung weiterer Sitze auf der Grundlage der noch nicht berücksichtigten nächstfolgenden Höchstzahlen einbezogen, ließe sich diese Tatsache gar nicht feststellen.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass der Begriff der „weiteren Sitze“ in § 10 Abs. 4 Satz 2 GKWG alle über die in § 8 GKWG festgelegte „Regelgröße“ einer Vertretung hinausgehenden Sitze – also je nach Situation vor Ort – sowohl Mehrsitze (sog. Überhangmandate) als ggf. auch sog. Ausgleichsmandate umfasst.

In diesem Sinne hat auch das OVG Schleswig in einem Urteil vom 22.11.2000, Az. 2 L 25/00 (NordÖR 2001, S. 69 ff.), zur Fortführung des Verhältnisausgleichs nach § 10 Abs. 4 Satz 2 GKWG in der Vertretung der Gemeinde Halstenbek angesichts eines von der CDU errungenen Mehrsitzes folgendes ausgeführt (Hervorhebungen durch das Innenministerium):

„Das (Anm.: in § 10 Abs. 4 Satz 2 GKWG) vorgeschriebene Verfahren des Mehr-sitzausgleichs ist im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei in der Weise durchgeführt worden, dass das Berechnungsverfahren nach d’Hondt über den 27. zu vergebenden Gemeindevertretersitz hinaus solange fortgeführt wurde, bis diejenige der nächstfolgenden Höchstzahlen erreicht worden war, mit der der CDU ein weiterer, den 12. Vertretungssitz deckender Sitz zufiel. Da im vorliegenden Falle in der Reihenfolge der Höchstzahlen das 27. Mandat ... auf die Partei Bündnis 90/Die Grünen gefallen war, die nächstfolgende Höchstzahl ... bereits der CDU (zu)fiel und eine andere Partei ... erst die dem wiederum folgende Höchstzahl ... erreichte, wurde der CDU der Mehrsitz zugesprochen, ohne dass im dahinführenden rechnerischen Verfahren ein Ausgleichsmandat für eine der anderen Parteien angefallen war.“

Soweit das OVG zuvor bei der abstrakten Darstellung der in Schleswig-Holstein geltenden Rechtslage kurz auch die in § 10 Abs. 4 Satz 3 GKWG geregelte – in diesem Rechtsstreit keine Rolle spielende – Begrenzung der Fortführung des Verhältnisaus-gleichs erwähnt und in diesem Zusammenhang die „weiteren Sitze“ in einem Klammerzusatz noch als „Ausgleichsmandate“ bezeichnet, dürfte dies angesichts der oben zitierten eindeutigen rechtlichen Ausführungen rechtlich ohne Belang sein.

Beispiel:

Bezogen auf eine nach § 8 GKWG 49köpfige Vertretung bedeutet dies folgendes:

Die ersten 49 Höchstzahlen sind bereits bei der Sitzverteilung nach § 10 Abs. 2 Satz 2 GKWG „verbraucht“ worden. Bei entstandenen Mehrsitzen kommt daher nun bei der Weiterführung des Verhältnisausgleichs nach § 10 Abs. 4 Satz 2 als nächstes die 50. Höchstzahl zum Zuge und die Partei oder Wählergruppe, auf die die 50. Höchstzahl fällt, wird ein weiterer Sitz verteilt. Soweit diese Partei oder Wählergruppe über einen Mehrsitz verfügt, wird bei der anschließenden Besetzung des Sitzes nach §10 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 3 GKWG dieser Mehrsitz der Partei oder Wähler-gruppe auf den ihr nach der Weiterrechnung zustehenden verhältnismäßigen Sitzanteil angerechnet. Durch die Verteilung eines weiteren Sitzes ist damit dieser Mehrsitz durch den verhältnismäßigen Stimmenanteil der Partei oder Wählergruppe abgedeckt; die Verteilung der jetzt vergebenen 50 Sitze spiegelt den verhältnismäßigen Stimmanteil der Parteien und Wählergruppen auf der Grundlage der d’Hondtschen Berechnung zutreffend wieder. Ist kein weiterer Mehrsitz errungen worden, ist der Verhältnisausgleich somit an dieser Stelle erfolgreich durchgeführt und es erfolgt keine darüber hinausgehende Verteilung weiterer Sitze.

Fällt aber die 50. Höchstzahl einer Partei oder Wählergruppe zu, die keinen Mehrsitz errungen hat, erhält diese Partei oder Wählergruppe den weiteren Sitz. (sog. Aus-gleichsmandat). Danach ist die nächstfolgende, im Beispiel also die 51. Höchstzahl zu betrachten. Fällt diese jetzt auf die Partei oder Wählergruppe mit dem Mehrsitz, ist der Mehrsitz mit diesem weiteren Sitz abgedeckt und der Verhältnisausgleich endet, da der verhältnismäßige Stimmenanteil der Partei oder Wählergruppe nun durch die erreichte Sitzzahl richtig wiedergegeben wird.

Fällt aber auch diese 51. Höchstzahl auf eine andere Partei oder Wählergruppe, erhält diese wiederum einen weiteren Sitz als sog. Ausgleichsmandat.

In derselben Weise wird der Verhältnisausgleich weiter fortgeführt, wenn eine Partei oder Wählergruppe mehrere Mehrsitze errungen hat. Dies geschieht grundsätzlich so lange, bis der letzte Mehrsitz durch einen der in der Reihenfolge der Höchstzahlen vergebenen weiteren Sitz in der oben beschriebenen Weise auch tatsächlich abgedeckt ist, längstens aber bis zu der vom Gesetzgeber in § 10 Abs. 4 Satz 3 GKWG für diese Fortführung des Verhältnisausgleichs gezogenen zahlenmäßigen Obergrenze (s. hierzu Ziffer 5.).

5.Der Gesetzgeber hat sich entschieden, die Fortführung des Verhältnisausgleichs an einem bestimmten Punkt zu beenden, um die Vertretungsgröße nicht über Gebühr ansteigen zu lassen: Nach § 10 Abs. 4 Satz 3 GKWG darf die Anzahl der nach § 10 Abs. 4 Satz 2 GKWG zu verteilenden weiteren Sitze das Doppelte der Anzahl der Mehrsitze nicht übersteigen. Wie oben ausgeführt, sind in die Verteilung weiterer Sitze nach § 10 Abs. 4 Satz 2 GKWG alle Parteien und Wählergruppen einzubeziehen. Die Zahl der auf dieser Grundlage zu verteilenden weiteren Sitze wird durch § 10 Abs. 4 Satz 3 GKWG begrenzt. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass mit dem Begriff der „weiteren Sitze“ in § 10 Abs. 4 Satz 3 GKWG etwas anderes gemeint sein könnte als in § 10 Abs. 4 Satz 2 GKWG. § 10 Abs. 4 Satz 3 GKWG begrenzt somit nicht erst die Zahl der ggf. zusätzlich zu den Mehrsitzen als sog. Ausgleichsmandate zu verteilenden Sitze. Vielmehr wird die Gesamtzahl aller im Wege der Weiterführung des Verhältnisausgleichs zu verteilenden, über die „reguläre“ Sitzzahl des § 8 GKWG hinausgehenden Sitze begrenzt. Es kann also bei einem Mehrsitz höchstens zu insgesamt zwei weiteren Sitzen einschließlich des Mehrsitzes, bei zwei Mehrsitzen höchstens zu insgesamt vier weiteren Sitzen einschließlich der beiden Mehrsitze, usw. kommen. Ist z.B. bei zwei Mehrsitzen der zweite Mehrsitz auch nach Verteilung des vierten weiteren Sitzes noch nicht abgedeckt, weil die für diesen vierten Sitz maßgebliche Höchstzahl auf eine andere Partei oder Wählergruppe fällt als die, die den Mehrsitz errungen hat, ist die Verteilung weiterer Sitze und damit der Verhältnisausgleich kraft Gesetzes dennoch an dieser Stelle abzubrechen. Der betreffenden Partei oder Wählergruppe verbleibt dieser Mehrsitz dann als sog. „ungedeckter“ (da vom verhältnismäßigen Stimmenanteil der Partei oder Wählergruppe trotz Vergrößerung der Vertretung nicht abgedeckter) Mehrsitz.

Nicht zu überzeugen vermag demgegenüber die im politischen Raum offenbar auch vertretene Auffassung, unter „weiteren Sitzen“ im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 und 3 GKWG seien ausschließlich die im Rahmen der Fortführung des Verhältnisausgleichs anderen Parteien und Wählergruppen zufallenden sog. Ausgleichsmandate zu verstehen. Auf den ersten Blick mag dies zwar sprachlich naheliegend erscheinen, bei genauer Lesart entspricht dies jedoch – wie oben ausgeführt – nicht dem Wortlaut des Gesetzes. Für eine entsprechend einengende Anwendung der Vorschrift besteht kein Raum.

Vor diesem Hintergrund kann auch das Urteil des VG Schleswig vom 15.12.2005, Az. 6 A 237/05 zu der Frage einer Listennachfolge in der Ratsversammlung der Stadt Geesthacht, in dem ohne vertiefte Auseinandersetzung mit der komplexen Materie des § 10 Abs. 4 GKWG der Begriff „weitere Sitze“ ohne eine Erläuterung mit dem Begriff „Ausgleichsmandate gleichgestellt wird, keine über den seinerzeit zu entscheidenden Einzelfall hinausgehende Wirkung entfalten.

Ich stelle anheim, die Fraktionen Ihrer Vertretungen entsprechend zu informieren.

Zudem weise ich darauf hin, dass ich Ihnen zur Frage der Listennachfolge im Falle des Freiwerdens eines nach der oben beschriebenen Fortführung des Verhältnisausgleichs „ungedeckt“ gebliebenen Mehrsitzes in Kürze eine gesonderte Handlungsempfehlung übersenden werde. Hier geht es um die Frage, ob der Beschluss des BVerfG vom 26.02.1998, Az. 2 BvC 28/96, zu den im Bundestag wegen des Verzichts des Bundesgesetzgebers auf eine Fortführung des Verhältnisausgleichs grundsätzlich „ungedeckten“ Überhangmandaten in Schleswig-Holstein bei nach § 10 Abs. 4 Satz 3 GKWG letzen Endes „ungedeckt“ bleibenden Mehrsitzen „entsprechende Anwendung“ finden muss. Das würde bedeuten, dass im Falle des Freiwerdens eines ungedeckten Mehrsitzes eine Listennachfolge nicht vorgenommen werden dürfte.“