Offener Brief des Stadtpräsidenten und des Bürgermeisters

Veröffentlicht am 14.09.2006

Offener Brief des Stadtpräsidenten und des Bürgermeisters

Offener Brief des Stadtpräsidenten und des Bürgermeisters

060745L 2006-09-14

Lübecks Stadtpräsident Peter Sünnenwold und Bürgermeister Bernd Saxe haben mit einem Offenen Brief auf die Diskussion um den Fortbestand des Bischofssitzes reagiert. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr Präsident Strenge,

mit großer Bestürzung hat die Hansestadt Lübeck aus der Presse erfahren müssen, dass in der nächsten Woche auf Ihrer Synode das hierarchische Reformvorhaben mit nur noch einem weisungsbefugten Landesbischof mit Sitz in Kiel beschlossen wird.

Wir hätten uns gewünscht, über eine so schwerwiegende Entscheidung direkt informiert zu werden.

In Abhängigkeit der Entscheidung der Kirchenleitung droht auf der nächsten Synode einer Jahrhunderte alten Kirchentradition in der Hansestadt Lübeck ein jähes Ende.

Zu Verwunderung hat in diesem Zusammenhang das diesbezügliche einstimmige Votum der zehnköpfigen Kirchenleitung einschließlich der drei nordelbischen Bischöfe geführt.

Die der Nordelbischen Kirche entgegengebrachte Loyalität hätten wir uns auch für Lübeck gewünscht. Diese hätte allein schon in einer Enthaltung bei der Abstimmung in einer so bedeutenden Standortfrage zum Ausdruck kommen können.

Mit Befremden konnten wir der Presse ebenfalls entnehmen, dass die Entscheidung über die künftige Struktur eng mit der künftigen personellen Besetzung verbunden ist. Hier sehen wir die Gefahr, dass die Glaubwürdigkeit des Kirchenstandorts Lübeck großen Schaden nimmt.

Erlauben Sie uns bitte auch, ein Zitat von Ihnen in den heutigen Lübecker Nachrichten aufzugreifen: Danach sollen Sie zum Protest aus Lübeck erklärt haben, dass „da nur noch wenig gekommen ist“ und dieses „eigentlich erstaunlich ist“. Auch diese Aussage lasen wir mit Verwunderung, suggeriert sie doch, dass die Hansestadt Lübeck selbst Schuld daran trägt, den Bischofssitz zu verlieren.

Gestatten Sie uns an dieser Stelle noch einmal nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Hansestadt Lübeck in der Vergangenheit zum wiederholten Male und in verschiedenster Form durch Argumente für den Erhalt des Bischofssitzes eingetreten ist.

Wir fügen Ihnen hierzu stellvertretend noch einmal die Resolution der Lübecker Bürgerschaft vom 26. Mai 2005 bei.

Wir hatten Ihnen in der Vergangenheit in Kenntnis unserer eigenen schwierigen finanziellen Situation versichert, dass wir Ihnen nachfühlen können, welche Verantwortung damit verbunden ist, in Zeiten knapper Kassen Entscheidungen treffen zu müssen, die mit harten Einschnitten verbunden sind und keine Beifallsstürme hervorrufen, die aber zwingend erforderlich sind, um das Fortbestehen eines weltlichen wie auch kirchlichen Gemeinwesens zum Wohle der Menschen zu sichern und nachfolgende Generationen die Zukunftschancen zu bewahren.

Gleichwohl sollte die Synode bei Ihrer Entscheidung berücksichtigen, ob der vermeintliche Einspareffekt in einer vertretbaren Relation zum Schaden steht, der drohen würde, wenn Lübeck den Bischofssitz verliert.

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert:

Lübeck, die Stadt der sieben Kirchtürme und das Zentrum des sakralen Backsteinbaus, ist seit seiner Gründung aufs Engste mit der Kirche verbunden. Bereits 1160, drei Jahre nach der Wiedergründung der Stadt, verlegt Herzog Heinrich der Löwe den Bischofssitz von Oldenburg in das wirtschaftlich und politisch aufstrebende Lübeck. Im Jahr 1163 wird der erste Dom geweiht. Von Lübeck aus wirkten die großen Reformatoren Johannes Bugenhagen und Hermann Bonnus. Mit Heinrich Meyer wurde nach dem Krieg ein Bischof gewählt, der die Gemeinden gezielt für die weltweiten Zusammenhänge öffnete und ein Bewusstsein für ökumenische Partnerschaft und Verpflichtung schuf.

Wir sind der festen Überzeugung, dass nicht zuletzt auch der Glaube durch Symbole lebt. Diese Symbole geben den Menschen gerade auch in schwierigen Zeiten Trost, Orientierung, Hoffnung und Zuversicht. Hierzu gehören sakrale Bauten ebenso, wie künstlerische, religiöse und geistige Zeugnisse.

Dazu zählt aber auch ein über die Jahrhunderte gehaltener Bischofssitz.

Die Silhouette Lübecks kündet von einer durch die Jahrhunderte gelebten fruchtbaren Einheit von Kirche und Stadt, die verantwortlich zeichnet für das, was im Holstentor in Stein mit „Concordia Domi Foris Pax“ verewigt ist. Dieses Zeugnis der Einheit dürfte in dieser Art einzigartig sein. Zu dieser Einheit gehört für die Menschen, nicht nur in Lübeck, zwangsläufig auch der Sitz eines Bischofs bzw. einer Bischöfin.

Lassen Sie uns zum Abschluss an die Synode appellieren:

Der Bischofssitz sollte zum Wohle nicht nur der Menschen in Lübeck und Holstein in Lübeck verbleiben!

Wir bitten Sie, unsere Worte in Ihre Überlegungen einzubeziehen, wenn Sie und die Mitglieder der Synode in den kommenden Tagen über den Bischofssitz in Lübeck entscheiden.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Sünnenwold Bernd Saxe

Stadtpräsident Bürgermeister „


Anlage: Resolution zum Erhalt des Bischofssitzes in der Hansestadt Lübeck

„In kaum einer anderen Stadt ist seit Jahrhunderten so deutlich, dass der Glaube zur Identifikation und zum Aufbauwillen ihrer Gründer gehört hat, wie in der Hansestadt Lübeck. Die sieben Türme der Stadt signalisieren auch heute jedem Besucher, dass die Lübeckerinnen und Lübecker sich als selbstbewusste, hoffnungsfrohe und weltoffene Menschen verstehen.

Die Zerstörung Lübecks an Palmarum 1942 findet ihre Deutlichkeit in den Bildern der brennenden Kirchen St. Marien, St. Petri und dem Dom. Ihr Wiederaufbau war es, der die Lübeckerinnen und Lübecker besonders antrieb, denn sie waren auch ein Symbol für ihre Stadt.

Die fast 850jährige Tradition des Bischofssitzes als Grundstein auch für die Rolle Lübecks als Großstadt, die bedeutende und große Tradition der Kirchenmusik, das Heiligen-Geist-Hospital als Symbol für kirchliches Sozialwesen, das Wirken der Reformatoren und die Erfahrungen aus der „Ökumene im Widerstand“ lassen auch heute noch die Geschichte Lübecks anhand der Kirchengeschichte Norddeutschlands erlebbar werden. Dies gilt ebenso, wie Lübeck als Stadt der Stiftungen und des Ehrenamtes auch der Kirche einen Blick in die Zukunft aufweisen kann.

In dem so vieles vereinenden Lübecker Zentrum, der Altstadtinsel, findet heute mit den evangelisch-lutherischen Hauptkirchen, der katholischen Herz-Jesu-Kirche, der Reformierten Gemeinde, der Gottesdienste anderer christlicher Konfessionen, der aufblühenden Jüdischen Gemeinde und den Moscheen ein vielfältiges religiöses Leben statt, das zum derzeit so wichtigen Austausch zwischen den Religionen einlädt.

In dieser Situation bedauert die Lübecker Bürgerschaft außerordentlich den Beschluss der Synode der Nordelbischen Kirche, den Bischofssitz in Lübeck aufzugeben und appelliert an die Entscheidungsträger, ihr Votum zu überdenken, Lübecks Rolle als Stadt der Kirchen zu stärken durch den Erhalt des Lübecker Bischofssitzes.

Ich bitte Sie, sich im Sinne der vorgenannten Resolution für die Interessen der Hansestadt Lübeck einzusetzen.“ +++