Mißhandlung Justins war nicht vorherzusehen

Veröffentlicht am 13.08.2001

Mißhandlung Justins war nicht vorherzusehen

Mißhandlung Justins war nicht vorherzusehen

010580L 2001-08-13

Die Mißhandlung des kleinen Justin war seitens der zuständigen Mitarbeiter der Hansestadt Lübeck weder zu vermuten, noch vorherzusehen oder gar zu verhindern. Zu diesem Schluß sind Bürgermeister Bernd Saxe und Jugendsenator Ulrich Meyenborg gekommen, die sich intensiv mit dem Fall beschäftigt haben. Beide haben heute während einer Pressekonferenz im Rathaus Stellung zu den Vorkommnissen um den kleinen Jungen genommen. Das Kleinkind befindet sich nach wie vor im Krankenhaus.

Im Zuge der Berichterstattungen hatte Saxe den zuständigen Bereich Jugendhilfe/Jugendamt um einen Sachstandsbericht gebeten. Senator Meyenborg ließ sich am Urlaubsort laufend über die Vorgänge informieren.

Nach Vorlage des Sachstandsberichts führte Saxe ein intensives Gespräch mit den zuständigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Bereichs Jugendhilfe/Jugendamt, um zu klären, ob die Mißhandlung von Justin durch die zuständigen Mitarbeiter früher hätte erkannt und verhindert werden können.

Saxe und Meyenborg kommen gemeinsam nach sorgfältiger Prüfung der bisher vorliegenden Ergebnisse zu dem Schluß: “Der Fall Justin hat in der Öffentlichkeit zu Recht große Betroffenheit ausgelöst. Auch wir sind wie die Verantwortlichen im Bereich Jugendhilfe/ Jugendamt erschüttert vom Schicksal dieses Jungen und aufgebracht über Menschen, die zu so einer Tat fähig sind. In den vergangenen Wochen ist intensiv geprüft worden, ob diese Entwicklung hätte verhindert werden können. Tatsache ist, daß die zuständige Sozialberatungsstelle auf eigene Initiative bereits vor Monaten Kontakt zur Kindesmutter aufgenommen hat. Anlaß war der Tod des Kindesvaters. Seither standen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit der Familie in Kontakt und boten weitergehende Hilfe an. Im Ergebnis ist festzustellen, daß die Mißhandlung von Justin durch die sozialpädagogischen Fachkräfte weder zu vermuten, noch absehbar oder zu verhindern gewesen ist. Die Beratungsarbeit war fachlich qualifiziert, bedarfsgerecht und den Erfordernissen entsprechend.”

Bei wiederholten Hausbesuchen wurde nach Aussage des Sachstandsberichts durch die zuständigen Mitarbeiter des Bereichs Jugendhilfe/Jugendamt eine gute emotionale Bindung zwischen der Mutter und ihren Kinder beobachtet. Die Mutter wurde in Situationen erlebt, in denen sie angemessen sowohl auf die Bedürfnisse der Kinder einging als auch ihnen erzieherische Grenzen setzte. In der Beratung berichtete die Mutter auf Nachfrage, daß sie Ratschläge und Unterstützung in Erziehungsfragen von ihrer Mutter erhalte.

Der Sachstandsbericht bestätigt, daß es Hinweise des behandelnden Kinderarztes auf Überforderung der Mutter und Fehlernährung der Kinder gab. Bei einer Überprüfung ergab sich, daß die Mutter zwar Schwierigkeiten bei der Erledigung von Behördengängen nach dem Tod des Kindesvaters hatte, die Betreuungssituation der Kinder aber augenscheinlich gut war und der Verdacht der Fehlernährung nicht bestätigt werden konnte.

Bei dem Hinweis des Kinderarztes auf Fehlernährung blieb die Frage offen, ob diese Erkenntnisse aus Untersuchungen der Kinder oder aus Gesprächen mit Verwandten resultierten.

Saxe und Meyenborg weisen in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hin: “Entgegen anderslautender Behauptungen gab es in der Vergangenheit keinerlei Hinweise von behandelnden Ärzten oder von dritter Seite auf Mißhandlungen oder körperliche Gewalt an den Kindern, die der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis gegeben wurden.”

Abschließend stellen Bürgermeister und Jugendsenator fest, daß dieser Fall leider einer von den vielen Fällen ist, in denen Familien mit der Betreuung ihrer Kinder überfordert sind. Die Verwaltung arbeitet deshalb seit einiger Zeit neben den laufenden Einzelfallhilfen an Vorschlägen, um gezielt in einzelnen besonders betroffenen Stadtteilen gegenzusteuern. +++