Veröffentlicht am 08.10.1998

Jenisch'sche Schulstiftung

Jenisch'sche Schulstiftung

Am Donnerstag, 08. Oktober, um 15 Uhr wird der Umbau des Schulgebäudes der Jenisch'schen Schulstiftung für die Fachschule für das Hotel- und Gaststättenwesen (Hotelfachschule) an der Gewerbeschule Il der Hansestadt Lübeck in der St.-Annen-Straße eingeweiht. Die Gründung der Hotelfachschule an der Gewerbeschule II erfolgte schon zum Schuljahresbeginn 1992/93. Zurückzuführen ist die Einrichtung einer Hotelfachschule in Schleswig-Holstein auf die damalige Denkfabrik des früheren Ministerpräsidenten Björn Engholm. Lange Zeit war der Standort zwischen verschiedenen Schulstandorten strittig, ging es doch darum, die Hotelfachschule dort anzusiedeln, wo durch die Schule auch ein touristisches Signal gesetzt werden konnte. Für Lübeck war dann die Grenzöffnung ausschlaggebend.

Die sofort einsetzende große Nachfrage nach Schulplätzen ließ den Wunsch nach neuen Räumen entstehen. Im Gebäude der Jenisch'schen Schulstiftung gab die Aufgabe der Sprachheilgrundschule an diesem Standort die Möglichkeit, das der Hansestadt Lübeck zur Verfügung stehende Schulgebäude anderweitig zu nutzen. Verschiedene Nutzer kamen in Betracht, doch schnell war die Idee geboren, der Hotelfachschule ein eigenes Domizil anzubieten. Unter Beteiligung der Gewerbeschule II, des Bereiches Hochbau und des Bereiches Schule und Sport wurde ein Nutzungskonzept entwickelt.

Die Umbaukosten wurden auf 2,7 Millionen Mark geschätzt. Die Summe mußte trotz leerer Kassen der Hansestadt Lübeck aufgebracht werden. Durch die Hilfe vieler gelang das: Es gab Schulbaumittel des Bildungsministeriums, Fördermittel des Wirtschaftsministeriums, Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, eine Spende der Holsten-Brauerei und vor allem das finanzielle Engagement der Lübecker Possehl-Stiftung. "Ohne deren großzügige Unterstützung würden wir wohl heute noch nicht Einweihung feiern können", bedankte sich Schulsenator Ulrich Meyenborg.

Eine Besonderheit dieses Schulgebäudes ist, daß es nicht im Eigentum der Hansestadt Lübeck steht, sondern der Jenisch'schen Schulstiftung gehört. Die Geschichte des Hauses reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Durch archivalische Unterlagen sind die Namen der meist hochrangigen Eigentümer und Bewohner seit 1291 nachweisbar. So wohnten hier beispielsweise Mitte des 18. Jahrhunderts Bürgermeister Bernhard von Wickede, ab 1790 der Konferenzrat Heinrich von Thiemen und nach dessen Tod Senator Ludwig Mentze. Im Jahre 1821 errichtete der über Lübecks Grenzen hinaus bekannte Arzt Dr. Matthias Leithoff dort ein orthopädisches Institut. Nach dem Tode Leithoffs (1846) erwarb die Familie Jenisch das Haus und nutzte es als Freischule, die bis dahin im Hause Hartengrube / Ecke Bauhof gestanden hatte.

Margaretha Elisabeth Jenisch, Tochter des Hamburger Kaufmanns und Senators Jenisch, hatte diese Einrichtung gestiftet. Durch eine schwere Erkrankung bedingt, lebte sie seit 1787 in Lübeck, wo sie im Hause ihres Onkels, Bürgermeister Plessing, gepflegt wurde. Aus Dankbarkeit stiftete sie 1803 die Freischule, die dann später in diesem Haus ihr Domizil fand. In dieser Zeit wurden jährlich rund 300 Mädchen zu "nützlichen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft" (damaliger Schulauftrag) unterrichtet und es begann die Tradition des Hauses als Schulstätte. 1923 mußte die Schule als Folge der Inflation schließen. Das Haus blieb aber weiterhin im Besitz der Stiftung und wurde der Hansestadt Lübeck zur Nutzung für schulische Zwecke überlassen. In den vergangenen Jahrzehnten fanden dort Ausbildungen von Kinderpflegerinnen, hauswirtschaftlichen Berufen, Sprachheilgrundschülern statt. Mit der Berufsvorbereitung junger Menschen wird das Haus wieder im Sinne der Stifterin genutzt.

"Die Hansestadt Lübeck dankt ausdrücklich dem Stiftungsvorstand der Jenisch'schen Schulstiftung für die während der ganzen Bauphase kooperative Zusammenarbeit", richtete Senator Meyenborg seinen Dank auch an den Stiftungsvorstand. Die Umbauphase war stets die Suche nach einem Kompromiß zwischen denkmalpflegerischen historischen Gesichtspunkten und heutigen modernen Anforderungen gastronomischer Ausbildungsinhalte. Die Fach- und Unterrichtsräume beweisen aber, daß der Kompromiß stets gefunden wurde. Viele denkmalpflegerischen Inhalte mußten gesichert werden, wie das Bildnis eines Engels im jetzigen Küchenbereich. Vor allem durch die Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ist es gelungen, besondere Denkmäler des Hauses nicht nur zu sichern, sondern sie auch wieder zu restaurieren. Dazu zählt die einzigartige Stuccolustrowand - eine besondere Art der Friskotechnik - im Lehrerzimmer.

Das Gebäude verfügt über fünf Klassenräume und über einen modernen Computerraum, der alle Ansprüche des heutigen PC-Einsatzes in der Gastronomie erfüllt. Das Haus hat aber auch einen kleinen Raum mit Stuckdecke, der als Demo-Restaurant genutzt werden kann. Der besondere Stolz des Studiendirektors der Gewerbeschule II, Dieter Bahr, der als Abteilungsleiter diese Hotelfachschule betreuen wird, ist die Küche 2000: "Diese Küche bietet uns alles, was das Herz eines jeden Kochs höher schlagen läßt. Vom modernsten Bratgrill und Gefrieranlagen bis zu Vakuumverpackern und Induktionsherden." Bahr war es, der die Küche 2000 konzipiert hat und alle überzeugen konnte, in der Küche eine Versuchsküche mit unterzubringen, in der vor allem Convenienceprodukte fachkritisch beurteilt werden sollen.

Der Schulleiter der Gewerbeschule II, Gerd Dunker, hofft für die Zukunft des Gebäudes, daß über die Hotelfachschule hinaus auch andere Institutionen und Organisationen des Hotel- und Gaststättenwesens das Gebäude für Seminare und Fachtagungen nutzen werden und hier ein Ort der Hotel- und Gaststättenentwicklung für die Region und darüber hinaus entstehen wird. Ein Anfang ist mit der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein gemacht. Bereits in der nächsten Zeit werden hier Fachtagungen angeboten.

Schulsenator Ulrich Meyenborg wünscht der Hotelfachschule, mit diesem neuen Gebäude ihre Reputation noch weiter auszubauen, die sie bisher bundesweit erlangen konnte. Das dürfte den engagierten Lehrkräften nicht schwerfallen. +++