Veröffentlicht am 19.09.2023

Neue Stromtrasse stört Lübecks Stadtansicht und verhindert geplante Aufforstung

Hansestadt Lübeck fordert Prüfung alternativer Verläufe der sogenannten „Elbe-Lübeck-Leitung“

Derzeit plant die Tennet die sogenannte „Elbe-Lübeck-Leitung“, eine neue Stromtrasse, die das Umspannwerk Stockelsdorf mit mit einem neuen „Netzverknüpfungspunkt im Herzogtum Lauenburg an der Elbe“ verbinden soll. Das Vorhaben wird entsprechend dem Stand der Technik für 380 kV Drehstromleitungen als Freileitungen mit Masthöhen mit mindestens 65 Metern Höhe konzipiert. Der Vorhabenträger Tennet wird am kommenden Donnerstag, 21. September 2023, die vorläufigen Planungen in Hamberge vorstellen. Nach Kenntnis der Hansestadt Lübeck soll die 380 kV Leitung parallel zu zwei bestehenden 110 kV Leitungen verlaufen und das Stadtgebiet im Bereich von Groß Steinrade und Niendorf kreuzen. Eine der bestehenden 110 kV Leitungen soll auf dem Mastgestänge der 380 kV Leitung mitgeführt werden. Der Einsatz von Erdkabeltechnik ist für das Vorhaben nicht vorgesehen, da die rechtliche Grundlage auf Bundesebene fehlt.

Zwar war die Hansestadt vorab in die Planung eingebunden, Anregungen und Bedarfe der Hansestadt Lübeck wurden aber bisher nicht gehört. Bürgermeister Jan Lindenau ist mit dem Vorgehen der Tennet so nicht einverstanden: „Grundsätzlich unterstützt die Hansestadt Lübeck die Zielsetzung, regenerativ erzeugten Strom zu verteilen, aber bei der Errichtung der nötigen Infrastruktur darf nicht über die Belange vor Ort hinweggegangen werden.“

Blick auf Lübecker Altstadtsilhouette würde erheblich gestört

Der aktuelle Vorzugskorridor der Tennet wird erhebliche Auswirkungen auf die Sichtachsen auf das UNESCO Welterbe „Lübecker Altstadt“ haben. Die UNESCO hat die Lübecker Altstadt aufgrund ihrer außergewöhnlichen universellen Bedeutung 1987 als Welterbe anerkannt. Die historische Silhouette der Lübecker Altstadt mit ihren sieben Türmen ist von zentraler Bedeutung für die Wahrnehmung und den Erhalt dieser einzigartigen Welterbestätte. Die Hansestadt Lübeck ist äußerst besorgt, dass die geplante 380 kV-Freileitung diese Sichtachsen erheblich beeinträchtigt und somit die visuelle Integrität des Welterbes empfindlich stört. Nach der Tennet soll keine Korridorvariante vertiefend geprüft werden, bei der es zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der Sichtachsen kommt. Im Hinblick auf eine sachgerechte Abwägung ist aus Sicht des Bürgermeisters eine entsprechende Variante aufzunehmen und vertiefend zu untersuchen.

Stromtrasse statt Wald

Durch die von Tennet bevorzugte Variante im Lübecker Raum wird die geplante Neuwaldbildung im Raum Lübeck-Niendorf neben schon vorhandenen Stromleitungen der SH-Netzagentur noch einmal um etwa fünf Hektar auf Breiten bis zu 100 Metern durchschnitten. Da die neuen Trassen in West-Ost Richtung verlaufen, die bestehenden in Nord-Süd Richtung, bleibt von der ursprünglich geplanten Neuwaldbildung am Stück auf 50 Hektar nur noch ein Flickenteppich kleinerer Aufforstungen von etwa 35 Hektar mit verminderter klimatischer Wirkung übrig.

Daneben sollen bestehende Altwaldbereiche wie der Moorgartener Wald und die erst 15 Jahre alte Neuwaldfläche am Wald Lehmbeck komplett mit Schneisenbreiten von bis zu 100 Metern zertrennt werden. Hier soll Wald in der Größe von etwa 15 Hektar abgeholzt werden.

„Die von der Bürgerschaft mit breiter Mehrheit beschlossenen Aufforstungen sind ebenso wie die in den letzten Jahren als Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in die Umwelt vollzogenen Neubewaldungen ein wesentlicher Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels. Dass uns diese Instrumente nun aus der Hand geschlagen werden sollen, obwohl es offensichtlich schonendere Alternativrouten für die unbestreitbar wichtige Tennet-Leitung gibt, ist nicht hinnehmbar,“ argumentiert auch Umweltsenator Ludger Hinsen.

Die Wälder erfüllen für die Hansestadt Lübeck und die gesamte Region wichtige klimatische und ökologische Funktionen, dienen dem Schutz der Artenvielfalt, tragen zur Luftreinigung und dem allgemeinen Wohlbefinden aller Bürgerinnen und Bürger bei. Die Umsetzung der vorläufigen Vorzugsvariante würde zu einem erheblichen Verlust sowie zu einer Zerschneidung und Fragmentierung bestehender Waldflächen führen und die Erstaufforstung im Bereich Niendorf nahezu unmöglich machen.

Lübeck fordert alternative Trassenverläufe zu prüfen

Die Hansestadt Lübeck fordert daher die Tennet auf, die möglichen Auswirkungen auf das UNESCO-Welterbe Lübecker Altstadt sowie auf die Erstaufforstung und die bestehenden Waldflächen sorgfältig zu prüfen. Es ist von größter Bedeutung, dass zusätzliche Korridorvarianten in Betracht gezogen und vertiefend untersucht werden, um diese wertvollen Bereiche zu schützen und zu bewahren.

Informationsveranstaltung am 21. September 2023 in Hamberge

Um über den Trassenverlauf zu informieren, plant die Tennet im September mehrere Informationsveranstaltungen. Auch die Wahl der Veranstaltungsorte (Hamberge, Elmenhorst, Sandesneben) stößt in Lübeck nicht auf Begeisterung. „Auch die Wohnbevölkerung in Lübeck ist von der Leitung betroffen. Wenn die Leitung in nicht geringem Ausmaß durch Lübeck verläuft, dann darf auch gern eine Informationsveranstaltung hier für unsere Bürgerinnen und Bürger stattfinden. Bei der Suche nach Räumlichkeiten sind wir immer gern behilflich“, so Jan Lindenau. Die Infoveranstaltung in Hamberge findet am Donnerstag, 21. September, 16 bis 20 Uhr in der Sporthalle Schulstraße 8a statt.

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