Veröffentlicht am 04.07.2023

„Bildnis des Christoph Tiedemann“ von Hans Kemmer

Werk von 1556 konnte nach langen Bemühungen aus Los Angeles angekauft werden

Heutzutage sind nachhaltige Werte in aller Munde und dies gilt auch für die Arbeit in den Museen. So bleiben dem St. Annen-Museum nach der großen Ausstellung „Cranach – Kemmer – Lübeck“ im Jahr 2021/2022 gleich zwei wichtige Resultate erhalten:

Der kostbare Bestand an Malerei der Reformation und der deutschen Renaissance wurde neu geordnet und hat in der Dauerausstellung eigene Räume gefunden, die vom tiefgreifenden Wandel im Leben wie in der Kunst und ihren neuen Themen im frühen 16. Jahrhundert erzählen.

Es konnte außerdem nach langen Bemühungen das erstmals während der Ausstellung präsentierte Bildnis des Christoph Tiedemann von Hans Kemmer aus dem Jahre 1556 für150.000 Euro aus Los Angeles angekauft werden. 2007 war es von einem amerikanischen Privatsammler bei Sotheby’s in New York als Bildnis eines unbekannten Herren von einem ebenfalls unbekannten norddeutschen Künstler erworben worden. Erst die Kunsthistorikerin Annette Kranz hat das Bild 2012 als Porträt des Lübecker Domdekans Christoph Tiedemann identifiziert und Hans Kemmer zugeschrieben. Diese Zuschreibung konnte aufgrund der Infrarotuntersuchung im St.  Annen-Museum 2021 mit detaillierten Unterzeichnungen im Stil Kemmers bestätigt werden. Seither befindet sich das Bild im St. Annen-Museum und es wurden große Anstrengungen angestellt, um Förderer für den Ankauf des Gemäldes zu gewinnen. Dies ist nun gelungen: „Mit der Hilfe der Kulturstiftung der Länder, der Possehl-Stiftung und mit dem erneuten großen bürgerlichen Engagement der Freunde der Museen für Kunst und Kulturgeschichte wurde der Ankauf bewältigt.

Er ergänzt damit aufs Glücklichste die Ankäufe der letzten Jahre“, freut sich die Leiterin des St. Annen-Museum Dr. Dagmar Täube. „Nun haben wir eine Lücke geschlossen und können der Malerei der Reformation und der deutschen Renaissance den gebührenden Platz in der Sammlung geben“. Das Bildnis wurde von Hans Kemmer, dem wichtigsten Reformationsmaler Lübecks, gemalt und zeigt – wie das Wappen zweifelsfrei verrät – auch eine im Stadtbild verankerte, historische Persönlichkeit Lübecks: Zu sehen ist Christoph Tiedemann (*um 1515/1516 in Stadthagen, † 06.10.1561 in Lübeck). Er war nicht nur Domdekan, sondern auch der Bruder des letzten katholischen Bischofs und ebenso wie dieser altgläubig. Doch zeigt sich der Geistliche hier nicht in seiner Amtstracht, sondern seine Kleidung stellt vielmehr weltlichen Luxus und gesellschaftlichen Stand zur Schau. „Es gibt keinen besseren Ort, wo das Bild hingehören könnte, als in das St. Annen-Museum“, bestätigt auch Dr. Tilmann von Stockhausen, Leitender Direktor der LÜBECKER MUSEEN, der ebenfalls sehr erfreut über das Engagement der Geldgeber ist.

So ergänzt das Gemälde die kleine, aber hochkarätige Sammlung der frühneuzeitlichen Malerei im St. Annen-Museum in der Heimatstadt und Wirkstätte Hans Kemmers um eine wichtige Position: Neben der religiösen Szene der Ehebrecherin, den persönlichen Epitaphien und der minnehaft anmutenden Liebesgabe ist nun auch ein autonomes Porträt des Meistermalers in die Sammlung eingezogen, das beweist, dass der Lübecker „Meistermaler der Reformation“ auch – wie sein Lehrer Lucas Cranach - für katholische Auftraggeber gearbeitet hat. Von Kemmer sind überhaupt nur 28 Werke überliefert, ein überwiegender Teil wurde in der Ausstellung „Cranach – Kemmer – Lübeck“ 2021/22 gezeigt. Mit acht Werken des Meisters besitzt das St. Annen-Museum nun die größte Anzahl an Werken aus seiner Hand.

Das Bild wird auch beim Lübecker Publikum beliebt sein, denn Kemmer hat hier einen Teil der Stadtgeschichte versteckt: Eine Anspielung auf die in Lübeck herrschenden Konflikte zwischen den Konfessionen, die auch nach der offiziellen Einführung der Reformation 1531 durch die Bugenhagensche Kirchenordnung andauerten, ist in den einander anfauchenden Eidechsen auf der Fensterbank zu vermuten. Diese stehen symbolisch für das Streben zum göttlichen Licht und illustrieren folglich die Heftigkeit der Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten, in die auch Christoph Tiedemann verstrickt war. Das Bild hängt nun Seite an Seite mit den Porträts von Martin Luther und Philipp Melanchthon aus der Cranach-Werkstatt sowie weiteren Werken von Hans Kemmer. „Sie erzählen von der bewegten Stadtgeschichte Lübecks während des Umbruchs in der Reformationszeit, dem neuen Glauben und von den damit verbundenen Unsicherheiten der Menschen in dieser Zeit, aber auch von ihrer Lust am Leben und an den schönen Dingen,“ so Täube.

Weitere Informationen unter https://st-annen-museum.de/ +++

Quelle: Die Lübecker Museen