Veröffentlicht am 13.12.2022

Die Digitale Kunsthalle von ZDFkultur eröffnet neue Ausstellung „Die Zukunft ist Grass“

Mit dem Günter Grass-Haus entwickelte Ausgabe stellt ab 16. Dezember 2022 den Künstler Grass vor und präsentiert seine Werke in einem Rattenbau

Die Erde ist verwüstet, die Menschheit hat sich durch Umweltzerstörung und schließlich durch einen Nuklearkrieg selbst abgeschafft. Dystopie oder eine gar nicht mal so unrealistische Perspektive? Günter Grass (1927–2015), Schriftsteller, bildender Künstler und vor allem ein wachsamer Beobachter seiner Zeit, setzte sich bereits in den 1980er Jahren mit den Gefahren der Aufrüstung und der Umweltausbeutung auseinander – Jahrzehnte bevor Wladimir Putin wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen drohte und auf der Weltklimakonferenz in Sharm El-Sheikh darüber diskutiert wurde, wie die schon jetzt verheerenden Folgen des Klimawandels eingedämmt werden können. In seinem 1986 veröffentlichten Roman „Die Rättin" bauen nach dem Untergang Ratten eine neue Zivilisation auf. Die neue, gemeinsam mit dem Günter Grass-Haus in Lübeck entwickelte Ausgabe der Digitalen Kunsthalle von ZDFkultur stellt nun den bildenden Künstler Grass näher vor und präsentiert seine Werke in einem außergewöhnlichen Setting: einem Rattenbau. Über verschlungene Gänge gelangt das Publikum in vier virtuelle Räume, die das bildhauerische, zeichnerische und schriftstellerische Schaffen von Grass zusammenführen.

Zu besuchen ist die multimediale Ausstellung „Die Zukunft ist Grass" ab Freitag, 16. Dezember 2022, unter https://digitalekunsthalle.zdf.de Die vier Themenräume der Ausstellung sind aus Handlungssträngen des Romans abgeleitet: Danzig nach der atomaren Katastrophe, der absterbende Wald, die übersäuerte Ostsee sowie die Weltraumkapsel, in der der Erzähler die von atomaren Explosionen zerstörte Erde umrundet. Im Traum berichtet ihm eine Ratte davon, wie die Menschen die Katastrophe herbeigeführt haben. Grass hat in seinen Werken seine Heimatstadt Danzig immer wieder zum Schauplatz der Handlung gemacht. So spielt „Die Blechtrommel" (der erste Teil der „Danziger Trilogie") im kleinbürgerlichen Milieu des Vororts Langfuhr, in dem der spätere Literaturnobelpreisträger geboren wurde. Auch „Die Rättin" führt die Leserschaft in die Stadt an der Ostsee. Neben Skulpturen und Zeichnungen des ausgebildeten Bildhauers und Grafikers Grass sowie Mitschnitten aus Lesungen von „Die Rättin" ist in diesem ersten Raum auch ein Video-Interview mit dem widerständigen Autor zu erleben. Der Raum Wald ist Grass’ Beschäftigung mit Bäumen und seinem Kampf gegen das Waldsterben gewidmet. Textauszüge, Skizzen, Bronzen und ein von Grass und Regisseur Volker Schlöndorff entwickeltes Filmprojekt dokumentieren die Dringlichkeit, die das Thema für ihn hatte. Der Raum Ostsee greift einen Handlungsstrang aus „Die Rättin" auf, der die Übersäuerung der Ostsee in den Fokus rückt, eine Entwicklung, die sich zu Beginn der 1980er Jahre vor allem durch eine Quallenplage zeigte. Im Ostsee-Raum sind vorwiegend Skulpturen zu sehen, die auf die Ausbeutung der Natur und der Meere anspielen. Der Raum Weltall nimmt nicht nur Bezug auf die Rahmenhandlung des Romans, sondern auch auf Grass’ Auseinandersetzung mit der Gentechnik.

Günter Grass’ Roman „Die Rättin" und seine in der Ausstellung präsentierten Werke entstanden vor dem Hintergrund global bedeutender Ereignisse: Mit ihrem 1979 verabschiedeten Doppelbeschluss hatte die NATO angekündigt, in Westeuropa neue mit Atomsprengköpfen bestückte Raketen und Marschflugkörper aufzustellen – ein weiterer Schritt im atomaren Wettrüsten zwischen West und Ost. Im selben Jahr fand in Genf die erste Weltklimakonferenz statt, organisiert auf Bestreben besorgter Wissenschaftler:innen, die deutliche Hinweise auf eine Klimaerwärmung ausgemacht hatten. Der Autor und Künstler als Seismograf gegenwärtiger und künftiger Verwerfungen fing diese Ereignisse jedoch nicht nur ein, sondern trug aktiv zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit bei. „Jetzt sehen wir den Zeitpunkt, an dem es kein Öl mehr geben wird, kein Kupfer, nichts mehr von diesem und jenem, und jetzt haben wir Angst. […] Wir sind Gefangene unseres eigenen ökonomischen Systems", erklärte der Autor 1979 in einem Interview – und lieferte damit eine Zukunftsprognose von stetig größer werdender Brisanz. – Wenige Monate nachdem „Die Rättin" publiziert worden war, ereignete sich die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.

Weitere Infos unter https://digitalekunsthalle.zdf.de bzw. unter https://grass-haus.de/ +++

Quelle: Die Lübecker Museen