Veröffentlicht am 25.11.2022

Verkehrsversuch Beckergrube mit Deutschem Verkehrsplanungspreis 2022 ausgezeichnet

Jury überzeugte temporäre bauliche Veränderung und der begleitende fachliche Dialog

Preisverleihung in Berlin: Projektleiterin Dr. Julia Lindfeld (v. r.) nimmt die Auszeichnung für die Hansestadt Lübeck entgegen.

Die Hansestadt Lübeck hat für die beispielgebende Durchführung des Verkehrsversuchs im Projekt Beckergrube den Deutschen Verkehrsplanungspreis 2022 erhalten. Der Verkehrsplanungspreis wird von der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL e. V.) in Kooperation mit dem ökologischen Verkehrsclub VCD verliehen. Prämiert werden besonders innovative integrierte stadt- und verkehrsplanerische Projekte. Die Preisverleihung fand am 24. November 2022 im Rahmen der SRL-Jahrestagung in Berlin statt.

Senatorin Joanna Hagen zeigt sich sehr erfreut: „Wir haben diesem Projekt eine hohe Priorität zugewiesen und werden nun mit einer so bedeutsamen Auszeichnung dafür belohnt. Mittlerweile werden deutschlandweit Verkehrsversuche durchgeführt, die sich ein Beispiel an der Beckergrube nehmen. Es ist eine behutsame Vorgehensweise um ausreichend Akzeptanz für die dringend notwendige Mobilitätswende zu erreichen und gleichzeitig den Strukturwandel in eine positive Richtung zu lenken.“

Der Preis ging an Lübeck, weil die Umsetzung im Stadtraum durch die temporäre bauliche Veränderung und die Möblierung sichtbar gemacht wurde. Auch der Prozess, also das Erproben von Veränderungen und der begleitende fachliche Dialog hat die Jury überzeugt. Projektleiterin Julia Lindfeld freut sich darüber, dass mit dem Preis auch die intensive Mitwirkung der Akteure in der Straße selbst honoriert wird.

Neben dem Verkehrsplanungspreis gab es weitere drei Anerkennungen. Insgesamt wurden elf Arbeiten bewertet. Die Verleihung erfolgt alle zwei Jahre.

Hintergrund

Die Neugestaltung der Beckergrube wurde bei der Beschließung des Rahmenplans Innenstadt mit Mobilitätskonzept (2019) als Schlüsselprojekt der ersten Umsetzungsstufe benannt. Die Verwaltung ist beauftragt, unter Durchführung eines Verkehrsversuchs und anschließenden freiraumplanerischen Wettbewerbs, eine Neugestaltung vorzunehmen. Übergeordnete Aufgaben sind eine Verkehrsberuhigung in Verbindung mit einer Stärkung des klimafreundlichen Verkehrs, attraktive Aufenthaltsqualitäten sowie eine baukulturelle und funktionale „Wiedereingliederung“ in die Lübecker Altstadt. Es soll ein attraktiver und resilienter Stadtraum entstehen.

Unter dem Motto „Lübeck geht los!“ startete in 2020 ein Verkehrsversuch, um die Umsetzbarkeit der verkehrlichen Zielsetzung zu prüfen. Autoverkehr ohne Ziel auf der Altstadtinsel wird im Zeitraum des Verkehrsversuchs umgelenkt. Der Straßenraum wurde provisorisch zurückgebaut und die freigewordenen Flächen mit temporären Maßnahmen, wie Fahrradmodulen, mobilen Baumstandorten und Sitzbänken bespielt.

Es gelang eine temporäre Steigerung der Aufenthaltsqualität. Verkehrserhebungen zeigen zudem, dass die Verkehrsberuhigung ohne Belastung angrenzender Straßenräume funktioniert und sich die Verkehrsstärke tatsächlich halbiert hat. Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 20 km/h trägt mit dazu bei, dass das Verkehrsgeschehen inzwischen als wesentlich entspannter wahrgenommen wird als früher. Der provisorische Umbau ist auf ca. drei Jahre angelegt.

Der Verkehrsversuch wurde als Planungsinstrument herangezogen, um testweise aufzuzeigen, welche Veränderungen möglich sind und wie bereits mit geringen Mitteln Qualitäten geschaffen und Problemstellungen behoben werden können. Durch die Sperrung der östlichen Beckergrube für den Durchgangsverkehr konnte eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens von mehr als 50 % erreicht werden. Etwa 3.000 Kraftfahrzeuge pro Tag sind weiterhin zufahrtsberechtigt, darunter der ÖPNV, Anlieferverkehr und Anlieger:innen. Der provisorische Umbau umfasste eine Verringerung der Fahrbahnbreite von 10 auf 6 m, die Verlegung und den barrierefreien Ausbau der zwei Bushaltestellen sowie die Anordnung von Seitenstreifen, die als Multifunktionsflächen dem Lieferverkehr, dem Parken für Menschen mit Behinderung, Taxen sowie als Abstellfläche für Fahrräder dienen. Insgesamt wurden in diesem Zuge 19 Kurzzeitparkplätze umfunktioniert und so eine Neuaufteilung der Flächen erreicht. Zusätzlich wurden Abstellanlagen für über 100 Fahrräder installiert sowie zehn urbane Sitzmöbel und neun Bäume in großen Pflanzkisten aufgestellt.

Bereits nach kurzer Zeit konnten Aneignungsprozesse in der Beckergrube beobachtet werden: Gastronomische Betriebe erweiterten ihre Außenbereiche, eine Initiative organisierte ein Urban Gardening-Projekt und auf einer Multifunktionsfläche finden Tanzabende und kleinere Veranstaltungen statt. Die Resonanz auf den Verkehrsversuch wurde als sehr positiv wahrgenommen. +++