Veröffentlicht am 25.05.2022

Talking Heads! Drei Nobelpreisträger verlassen das Parkhaus

Bildhauer Bertrand Freiesleben und die Lübecker Museen ziehen Resümee zum PopUp-Atelier

Die Büste von Thomas Mann. (25. Mai 2022)

Drei Wochen lang lud der international renommierte Portraitbildhauer Bertrand Freiesleben in sein Pop-Up-Atelier im Parkhaus St. Marien in der Lübecker Altstadt. Vom 1. bis 24. Mai 2022 sind dabei in Gesprächen mit Schulklassen und Passant:innen acht Portraitköpfe der drei Lübecker Nobelpreisträger entstanden. „Talking Heads“ lautete der Titel des Projekts. Freiesleben und die Lübecker Museen zogen gestern in einer Abschlussveranstaltung Resümee. Freieslebens Ansätze und Werke überzeugten Prof. Dr. Hans Wisskirchen, Leitender Direktor der Lübecker Museen, und die Leiter:innen der den Lübecker Nobelpreisträgern gewidmeten Häuser Dr. Birte Lipinski (Buddenbrookhaus), Dr. Bettina Greiner (Willy BrandtHaus) und Dr. Jörg-Philipp Thomsa (Günter Grass-Haus). „Ich bin fasziniert, dass in den einzelnen Skulpturen die unterschiedlichen Aspekte dieser vielschichtigen Persönlichkeiten so klar zutage treten“, so Wißkirchen. Drei Portraitskulpturen von Thomas Mann und Willy Brandt sowie zwei von Günter Grass sind entstanden. Einige Köpfe wurden in nur 20 bis 40 Minuten fertiggestellt, andere dauerten Stunden. Allen gleich ist die liebevolle Intensität der Beobachtung und die Qualität der künstlerischen Setzung.

Der gebürtige Lübecker Bertrand Freiesleben kehrte nach langen Auslandsaufenthalten zurück in seine Heimatstadt und sorgte dort nun für ein einzigartiges Ereignis. Drei Wochen lang konnten die Besucher:innen Einfluss auf die Entstehung seiner Werke nehmen. „Ich möchte die Gedanken der Entstehung nicht nur mitteilen, vielmehr bin ich neugierig auf die Gedanken anderer, die einfließen sollen, wenn sie gut sind“, so Freiesleben. Live vor Publikum fertigte der Künstler Büsten von Thomas Mann, Günter Grass und Willy Brandt, um ihre Aktualität herauszustellen. Über 140 Schüler:innen kamen dafür zu philosophischen Ateliergesprächen. „Thomas, Herbert und Günter kamen ja nicht als Nobelpreisträger zu Welt. Und sie hatten eine genauso schwierige Welt geerbt, wie unsere Kinder heute. Ich möchte den Kindern zeigen, dass Angst nicht lohnt, sondern es immer richtig ist, sich für Gutes einzusetzen.“

Bertrand Freiesleben führt die Portraitbüste in die Gegenwart. Schon mit dreißig Jahren hatte der heute 54-Jährige den „Grand Prix de l’Académie des Beaux-Arts“ des Institut de France gewonnen, die höchste Auszeichnung des Fachs im Wettbewerb mit 256 Teilnehmer:innen aus aller Welt. Seitdem faszinieren seine lebendig tiefgründigen Portraitköpfe Künstler:innen und Kunstkenner:innen gleichermaßen. Seine Köpfe stehen im FolkwangMuseum, der War Memorial Opera in San Francisco, der LSE in London, in Bundesministerien,

Philharmonien, Unter den Linden in Berlin. Im Bundespräsidialamt ist er gleich doppelt vertreten mit den Portraits von Horst Köhler und Christan Wulff.

Das Ansehen von Porträtbüsten in der zeitgenössischen Kunst ist aufgrund von Kaminsimsnippes, Akademismus und ideologischem Missbrauch in Form von Hitler- oder Stalin Büsten eher schlecht. Freiesleben geht einen anderen Weg und sucht sensible Wege für sein Fach. „Jedes Wesen ist kostbar und verdient, dass wir uns ihm widmen. Die Büsten werden von mir nicht als Studien gesehen. Es gibt so viel Individualität zu entdecken und zu zeigen.

Vielfalt, Reichtum, Momente. Du bist faszinierend! Das ist unsere Zeit.“, so Freiesleben.

Im Rahmen der Aktion „Talking Heads“ trugen die Museumsleiter:innen der beteiligten Häuser mit Impulsvorträgen viele Gedanken bei. Die Stadt engagierte sich, das mediale Interesse war groß. Fotograf:innen, Autor:innen und Filmer:innen entwickelten eigene Projekte daraus. Zwei Kinder übernahmen kurzerhand eine verworfene Arbeit und lieferten eine expressionistische Überzeichnung. „Das Experiment ist aufgegangen: Besonders nach Corona und in ihren akuten Ängsten ist es wichtig, die Leute wieder einzufangen, gerade auch da, wo niemand mit Inspiration rechnet“, sagt Freiesleben voller Überzeugung.

Interessierte, die es nicht zur Ausstellung schaffen konnten, haben die Chance die Werke digital zu erleben. Auf Instagram unter @bertrandfreiesleben und auf Facebook unter Bertrand Freiesleben kann die Ausstellung nachempfunden werden.

Mehr Informationen zum Künstler gibt es unter https://www.bertrandfreiesleben.com/+++

Quelle: Die Lübecker Museen