Veröffentlicht am 07.07.2021

Die Bedeutung des Waldes für Günter Grass

Sonderausstellung „INTO THE TREES“ vom 8. Juli bis 31. Dezember 2021 im Günter Grass-Haus

Der Wald steht im Mittelpunkt der neuen Sonderausstellung „INTO THE TREES“, die im Günter Grass-Haus von Donnerstag, 8. Juli, bis Freitag, 31. Dezember 2021, zu sehen sein wird. Günter Grass, der sich sehr gerne im Wald aufhielt, beschäftigte sich bereits in den 1980er Jahren mit dem Waldsterben, nicht zuletzt in seinem apokalyptischen Roman „Die Rättin“ von 1986. Die Ausstellung zeigt, welche Bedeutung der Wald im Schaffen des Schriftstellers, Malers und Bildhauers Grass hatte. In Poesie und Prosa, in Aquarellen, Zeichnungen, Lithographien und Plastiken setzt sich der Künstler immer wieder mit dem Wald und der stetig fortschreitenden Zerstörung der Umwelt durch den Menschen auseinander. Schnell wird deutlich, dass die Thematik nichts an Aktualität verloren hat, im Gegenteil: Sie ist aktueller denn je. Und so regt sie auch zum Nachdenken über die eigene Beziehung zum Wald heute an.

Insgesamt sind in der Ausstellung 30 bildkünstlerische Werke sowie Manuskripte von Günter Grass zu sehen, darunter Radierungen, Kohle-, Sepia- und Rötelzeichnungen, Lithografien, Aquarelle und Bronzeplastiken. Die Schau ist in drei Themenschwerpunkte unterteilt:

Im Themenblock „Wald als Rückzugsort von Günter Grass“ wird die idyllische Seite des Waldes gezeigt. Hier sind zahlreiche Waldbilder (und auch Gedichte) zu sehen, die in den 1990er Jahren auf der dänischen Ostseeinsel Møn entstanden sind, wo sich der Literaturnobelpreisträger in den Sommermonaten aufhielt und jeden Tag durch die Wälder streifte. Gleichzeitig wird in diesem Bereich der Ausstellung ein optischer Bruch von Trugbild und Realität vorgenommen, indem an der Decke befestigte und an einen künstlichen Wald erinnernde Paneelen eine Trennung zwischen idyllischem Wald und zerstörtem Wald vollziehen und gegenüberstellen. In diesem Bereich geht es zudem um den Bildband „Totes Holz“, in dem Günter Grass seine in den Jahren 1988/1989 mit Kohle und Sepia angefertigten Zeichnungen von abgestorbenen Bäumen herausgegeben hat. Mit dieser Dokumentation von sterbenden Wäldern, für ihn gleichbedeutend mit dem Untergang einer ganzen Märchenkultur, führte er den „Waldzustandsbericht“ der damaligen Bundesregierung als Satire vor. Einige der Manuskripte sind erstmals im Original ausgestellt.

Dem Roman „Die Rättin“ kommt in der Ausstellung eine Sonderstellung zu, da darin die apokalyptische Grundstimmung der 1980er Jahre verarbeitet wurde. Dementsprechend widmet sich der zweite Themenschwerpunkt dem Märchenwald in diesem Werk. Auszüge daraus machen deutlich, in welch satirischer Form das Schicksal der darin beschriebenen Waldfiguren, die ihren Lebensraum retten wollen und kläglich scheitern, abgehandelt wird. Außerdem wird in diesem Bereich das Drehbuch für einen Stummfilm thematisiert, den Günter Grass zusammen mit Volker Schlöndorff über das Waldsterben realisieren wollte. Zwar kam es dazu nie, doch wird ein für die Ausstellung produziertes Interview mit Schlöndorff gezeigt, der darin über die Pläne für diesen Film spricht.

Im dritten Bereich schließlich geht es um die Welt der 1980er Jahre, um den Hintergrund des Entstehungszeitraumes der „Rättin“ zu beleuchten. Auf die Besucher:innen wartet darin eine eigens für die Ausstellung entwickelte Filminstallation mit Originalaufnahmen der 1980er Jahre, um den Kontext dieses widersprüchlichen Jahrzehnts zwischen Punkern und Poppern, zwischen den Grünen und Helmut Kohls „geistig-moralischer Wende“ herzustellen. Während über die Bildschirme zu Hause „Die Schwarzwaldklinik“ oder „Die Schlümpfe“ flimmerten, wuchs in Wirklichkeit die Angst vor einem Atomkrieg, vor saurem Regen und vor dem Waldsterben. Die Filminstallation, die Mikhele Apitzsch erstellte, zeigt zahlreiche Referenzen zur Popkultur, auf die sich auch Grass zum Teil bezog.

Für kleine Besucher:innen ist eine Kinderecke vorgesehen. Dort wartet das beliebte Waldungeheuer „Grüffelo“ auf junge Talente, die es dem Maler Günter Grass gleichtun und die Wände bemalen wollen.

Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau ist begeistert, dass sich das Günter Grass-Haus mit „INTO THE TREES“ erneut einem Umweltthema widmet: „Gerade in diesen Zeiten, wo der Klimawandel und damit einhergehend der Klimaschutz endlich im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen sind, ist es beeindruckend zu sehen, dass Günter Grass sich bereits vor 40 Jahren mit derselben Thematik auseinandergesetzt hat.“ Der Leitende Direktor der LÜBECKER MUSEEN Prof. Dr. Hans Wißkirchen ergänzt: „Dieses Thema ist heute brisant wie nie und macht deutlich, dass Günter Grass ein sehr wachsamer und kritischer Beobachter seiner Zeit war. Die Ausstellung zeigt, dass sich das Günter Grass-Haus ganz wie sein Namensgeber bei Weitem nicht nur mit Literatur, sondern auch mit aktuellen und zentralen Fragen der Gesellschaft auseinandersetzt, die weit über das Literarische hinausgehen."

Dr. Jörg-Philipp Thomsa, Leiter des Günter Grass-Hauses, betont, „Mir ist es wichtig, regelmäßig Ausstellungen und Veranstaltungen zum Thema Wald- bzw. Naturschutz zu initiieren und auf der Basis des Werks von Günter Grass dieses interdisziplinär bzw. aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Das Projekt zeigt einmal mehr, wie sinnhaft und erhellend es ist, sich mit seinem Werk zu beschäftigen. Ich danke allen Förderern und Kooperationspartnern, den Gestalterinnen Janna Nikoleit und Jana Beckmann, der Kuratorin Tatjana Dübbel und den Mitarbeiter:innen des Günter Grass-Hauses für die Verwirklichung dieses großen Projekts.“

Vernissage

Die Ausstellung wird am Donnerstag, 8. Juli, um 20.30 Uhr auf der Lübecker Freilichtbühne eröffnet. Museumsleiter Dr. Jörg-Philipp Thomsa spricht mit dem international bekannten DJ, Ornithologen und Naturschützer Dominik Eulberg über die größte Künstlerin aller Zeiten – die Natur. Eulberg präsentiert faszinierende Filme und Fakten über die heimische Flora und Fauna, aktiviert auf der Freilichtbühne einen Fledermausdetektor, zeigt wie Vogelstimmen in Noten übertragen klingen und was Musik mit Natur zu tun hat. Darüber hinaus liest Schauspielerin Nina Mercedés Rühl Textpassagen von Günter Grass und das Lübecker DJ-Duo „Artenvielfalt“ legt ab 19 Uhr auf. Die DJs Ben Sachau und Lennart Vonau engagieren sich mit ihrem Musikprojekt ebenfalls für den Schutz der Umwelt.

Das Ticket für die Eröffnungsveranstaltung auf der Freilichtbühne berechtigt zugleich zum Eintritt in die Sonderausstellung und beträgt für Erwachsene 12 Euro, ermäßigt 8 Euro.

Begleitprogramm

Lesung - Eine Begegnung im Wald“ am Freitag, 13. August und Mittwoch, 15. September, 18.30 Uhr: Im Lübecker Stadtwald liest Schauspielerin Susanne Höhne Texte aus dem Roman „Die Rättin“ sowie Gedichte von Günter Grass. Förster Knut Sturm erläutert zudem, wie sich der Wald im Zuge des Klimawandels verändert hat.

Spaziergang „Die Rättin im Garten“ am Mittwoch, 25. August und Sonntag, 5. September, 18.30 Uhr: Auf einem Literarischen Spaziergang von der Marienkirche über das Günter Grass-Haus in den Lübecker Schulgarten liest Schauspielerin Rachel Behringer Texte von Günter Grass.

Instagram-Aktion #gghintothtrees - Waldfans sind dazu aufgerufen, ihre Bilder zum Thema „Wald“ unter #gghintothtreesauf Instagram zu posten oder per E-Mail an info@grass-haus.de zu senden. Mit den Bildern aus dieser Aktion wird eine Fotocollage für die Sonderausstellung entstehen. Zudem werden unter allen Einsendungen zehn Exemplare des neuen Buchs „Der lange Atem der Bäume“ von Peter Wohlleben verlost.

Workshops für Kinder ab 7 Jahren mit Nicole Kayser-Siewert

·         Zauberwald - Gestaltung eines Zauberwaldes mit verschiedenen Aquarelltechniken am Samstag, 18. September, 14 bis 16.30 Uhr

·         Waldwichtel - Sägen, Schnitzen und Bemalen eines Waldwichtels aus Holz amSamstag, 25. September, 14 bis 16.30 Uhr

·         Tier-Pop-Up-Karten - Gestaltung einer 3d-Pop-Up-Karte mit Tieren am Samstag, 23. Oktober, 14 bis 16.30 Uhr

·         Wald im Glas - Erschaffung einer Miniatur-Waldlandschaft aus Naturmaterialien wie Kastanien oder Tannenzapfen amSamstag, 6. November, 14 bis 16.30 Uhr

Die Teilnahme an allen Kinderworkshops beträgt 12 Euro; Geschwisterkinder zahlen die Hälfte. Anmeldung unter der Rufnummer (0451) 122-4230 oder per Mail an grass-haus-shop@luebeck.de

Weitere Informationen unter: https://grass-haus.de/ +++

Quelle: Die Lübecker Museen