Veröffentlicht am 07.05.2021

Studie "Transform-Pflege-C-19" untersucht Schritte zurück zur Normalität in Pflegeeinrichtungen

Weniger Abstand, keine Maske - Gesundheitsamt Lübeck und Gesundheitsnetzwerk COVID-19 testen angepasste Infektionsschutzmaßnahmen

Gemeinsam am Kaffeetisch ohne Mundschutz und übergroßen Abstand: Erna Fischer (85) mit Lenya Meier (25), Mitarbeiterin im Lotti-Tonello-Haus

Seit 14 Monaten herrscht in den Seniorenpflegeeinrichtungen Ausnahmezustand. Viele der Aktivitäten und zwischenmenschlichen Begegnungen, die zum Lebensalltag gehören und wichtig für die Lebensqualität älterer, pflegebedürftiger Menschen sind, sind seit über einem Jahr nur mit Einschränkungen möglich. Dies bewegt Fred Mente, Geschäftsführer der Vorwerker Diakonie, sehr. „Daher brauchen wir gerade dort dringend Ideen und echte Perspektiven für ein Stück mehr Normalität,“ so Mente. Auch Oberin Martina Egen der DRK-Schwesternschaft Lübeck e.V. wünscht sich, dass sich Infektionsschutz und Lebensqualität der Bewohner zukünftig besser miteinander vereinbaren lassen. Mit der inzwischen hohen Impfquote unter den Bewohner:innen und der stetig steigenden Impfquote unter Mitarbeitenden und Besucher:innen bietet sich die Chance, Schritte zurück zu mehr Normalität zu wagen.

Die Arbeitsgruppe des Gesundheitsnetzwerkes COVID-19 in der Hansestadt Lübeck hat aus diesem Grund in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt ein Konzept für angepasste Infektionsschutzmaßnahmen in Alten- und Pflegeheimen entwickelt, das seit zwei Wochen in ausgewählten Lübecker Pflegeeinrichtungen wissenschaftlich begleitet eingeführt wird. Aktuell nehmen das Pflegewohnheim Erika-Gerstung-Haus des DRK und alle fünf Seniorenpflegeeinrichtungen der Vorwerker Diakonie teil. Dieses Konzept sieht insbesondere vor, dass bei Begegnungen zwischen immunisierten Bewohner:innen und ihren ebenfalls immunisierten Kontaktpersonen wie etwa Pflegenden und Angehörigen auf das Abstandsgebot und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verzichtet werden kann.

„Ich genieße die Möglichkeit, ihre Gesichter wieder sehen zu können, weil wir keinen Mundnasenschutz mehr tragen müssen“, betont Käthe Heise, Bewohnerin des Erika Gerstung Hauses (97). Sie freue sich außerdem sehr, dass sie nach vielen Monaten endlich wieder Kontakt zu den anderen geimpften Heimbewohnern und Bewohnerinnen aus anderen Bereichen haben kann. 

„Leitgedanke war immer, die dringend notwendig gewordenen Lockerungen mit dem Schutz vor der Corona-Infektion in Übereinstimmung zu bringen. Ich denke, das ist in großer Verantwortung aller Beteiligter sehr gut gelungen“, sagt Dr. Alexander Mischnik, Leiter des Gesundheitsamtes der Hansestadt Lübeck. Für Oberin Eggen erfordert dieses Projekt auch eine Menge Mut „und den bringen wir gemeinsam auf – dafür danke ich unseren Teilnehmern und Teilnehmerinnen“, so Oberin Egen. Für die teilnehmenden Einrichtungen ist es wichtig, dass das Modellprojekt wissenschaftlich begleitet wird und dass noch nicht immunisierte Personen gut geschützt werden. Aus diesem Grund ist auch eine Notbremse mit dem Gesundheitsamt besprochen.

Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch die Sektion für Forschung und Lehre in der Pflege an der Universität zu Lübeck. Mit dieser Studie sollen mögliche Probleme in der Umsetzung und Risiken für den Infektionsschutz frühzeitig erkannt werden, um rechtzeitig gegensteuern zu können. Ein Hauptziel liegt darüber hinaus in der Erfassung der Auswirkungen auf die psychosoziale Gesundheit der Bewohner;innen. Zum Vergleich nehmen daher auch Pflegeheime an der Studie teil, die das gestufte Infektionsschutzkonzept vorerst nicht einführen. „Unsere Studie wird zeigen, ob und wie es gelingt, die Lebensqualität uns die soziale Teilhabe der Bewohner:innen durch den angepassten Maßnahmenplan zu reduzieren, ohne dass hierdurch das Infektionsrisiko steigt“, betont Prof. Dr. Katrin Balzer, Pflegewissenschaftlerin an der Universität zu Lübeck und Leiterin der Studie. Die Studie wird im Rahmen des vom Land Schleswig-Holstein geförderten Forschungsprojekts „Transform-Pflege-C-19“ durchgeführt.

Die ersten Erfahrungen aus dem Alltag der Pflegeeinrichtungen, die das Konzept umsetzen, sind ermutigend. Erna Fischer (85) lebt seit 2017 im Lotti-Tonello-Haus. Sie sagt: „Endlich! Die neuen Regelungen sind für alle hier im Haus eine große Erleichterung.“ Gemeinsam sitzt sie mit Lenya Meier (25), Mitarbeiterin im Lotti-Tonello-Haus, am Kaffeetisch ohne Mundschutz und übergroßen Abstand. Diese Bilder konnte man schon lange nicht mehr in den Pflegeheimen sehen.

Die Aussage von Nicole Tietz, Pflegedienstleiterin, steht stellvertretend für alle Beteiligten: „Das Projekt zaubert uns das Lächeln zurück.“+++

Quelle: Arbeitsgruppe Gesundheitsnetzwerk COVID-19