Inspektorenhaus nach umfangreicher Sanierung übergeben

Veröffentlicht am 25.05.2004

Inspektorenhaus nach umfangreicher Sanierung übergeben

Inspektorenhaus nach umfangreicher Sanierung übergeben

040422L 2004-05-25

Nach über zweijähriger Planungs- und Umbauzeit ist das sanierte „Inspektorenhaus“ neben dem Heiligen-Geist-Hospital heute im Rahmen einer kleinen Feierstunde im Beisein von Senator Wolfgang Halbedel, dem Architekten Thomas Tillmann, Vertretern beteiligter Firmen sowie der städtischen Bereiche Denkmalpflege, Hochbau und Stiftungsverwaltung den künftigen Nutzern übergeben worden.

Die durchgreifende Sanierung des „Inspektorenhauses“ wurde ausschließlich aus Mitteln der Stiftung Heiligen-Geist-Hospital finanziert. Unter Leitung des Architekturbüros Thomas Tillmann wurde es einfühlsam und dennoch heutigen funktionalen Anforderungen an ein Baudenkmal entsprechend in vorbildlicher Weise saniert. Zudem trägt die Maßnahme im vollen Umfang der Intention der Stiftungssatzung Rechnung, Denkmalpflege an eigenen Kulturwerten zu fördern.

Das sogenannte Inspektorenhaus ist in Gebäudeform, Ausrichtung und innerer Struktur ein typisches Lübecker Altstadthaus aus dem 15. Jahrhundert mit Satteldach, Giebel und Seitenflügel. Und doch stellt dieses Gebäude einen Sondertyp dar: es ist freistehend, es liegt mit seinem Schaugiebel nicht an der Straßenflucht, sondern zurückgesetzt, fast versteckt in den Bürgergärten.

Der Grundriß ist der Tradition des Lübecker Bürgerhauses verpflichtet, mit zentraler Diele, Vorderdornse, Bereich der ehemaligen Küche und Geschoßtreppenanlage mit dem um ein halbes Geschoß versetzten Seitenflügel. Der Grundriß nutzt geschickt die Möglichkeiten der seitlichen Belichtung. Dadurch entstehen im Gebäude repräsentative lichterfüllte Räume und ein schöner Wintergarten im Süden. Ein eingreifender Umbau fand im späten 18. Jahrhundert statt. Die halbe Geschoßdecke über dem ersten Obergeschoß wurde angehoben, um zwei repräsentative Räume zu schaffen. Dadurch wurde auch die Fensterfront verändert.

Bemerkenswert in einem kleinen Raum im ersten Obergeschoß sind freigelegte farbige Renaissanceausmalungen auf Holzbohlen nach Motiven von Ovid aus der Mitte beziehungsweise Ende des 16. Jahrhunderts. Mit Hilfe der Restauratoren Linde und Karl H. Saß konnten diese „puzzelartig“ zusammengestellt und ikonographisch bestimmt werden. Die Stuckdecken datieren aus dem 18. und 19. Jahrhundert, Türen und Fenster aus verschiedenen Zeitstellungen.

Die Holzbalkendecke über dem Erdgeschoß ist mit kräftigen Farben bemalt. Sie stammt wohl auch aus dem 16. Jahrhundert, ist aber nicht sichtbar. Bemalte Bohlen wurden ausgebaut, restauriert und konnten zur Ergänzung der Renaissanceausmalung verwendet werden. Andere bemalte Wand- und Deckenteile, (leider nur in Bruchstücken vorhanden) werden im Gebäude aufgehängt. Der Giebel mit einem mittig angeordneten Schornsteinzug wurde im 18. Jahrhundert mit Schweifgiebel und halbrundförmigem Giebelansatz überformt.

Die Lage des Gebäudes und die häufigen Umbauten im Inneren weisen auf Nutzungen hin, die im funktionalen Zusammenhang mit dem Heiligen-Geist-Hospital stehen. Sie sind jedoch im einzelnen wenig bekannt.

Dendrochronologische Untersuchungen am Eichendachstuhl haben ergeben, daß die Hölzer im Winter 1418/1419 geschlagen wurden. Es kann davon ausgegangen werden, daß das Gebäude mit seiner Fertigstellung ausschließlich der Unterbringung von Beamten und Bediensteten des Hospitals diente. Belegt ist das „freie Wohnen“ des Vogtes und Schreibers, später des Ökonomieinspektors, in Nebengebäuden des Hospitals. Aufgabe des Vogtes war es, über Jahrhunderte im Auftrag der Vorsteherschaft der Stiftung „darauf zu sehen, daß den bestehenden Ordnungen genau nachgelebt werde, daß die Hospitals-Gebäude sowohl in der Stadt als auch auf den Gütern nicht verfallen, und daß mit Holz, Kohlen und anderen Dingen haushälterisch umgegangen werde, der Ankauf dieser Gegenstände auch zu gehöriger Zeit geschehe.... . Er führt den Vorsitz im Vogtei-Gericht , und instruiert die Criminal- und Civilsachen bis zum Schluß“(G. W. Dittmer). Die Gerichtsbarkeit im Hospital und auf dem Lande verblieb bei ihm und in schweren Fällen bei der Vorsteherschaft bis ins 19. Jahrhundert. So mag sich die Darstellung der Justitia auf bemalten Wandbrettern erklären.

Nach dem Tod des letzten Ökonomierates 1947 wurde das „Inspektorenhaus“ nicht mehr hospitalbezogen genutzt, sondern an Gewerbetreibende sowie Rechtsanwälte und Notare vermietet. Das Erdgeschoß diente zuletzt einer Rechtsanwaltspraxis, die auch weiterhin dort ihrer Tätigkeit nachgehen wird; das zweite Obergeschoß ist an ein Lübecker Gastronomie-Ehepaar für Büro- und Personalräumlichkeiten vermietet. +++