Veröffentlicht am 26.07.1998

Mit Frauen-Power "Yachtsman of the Year"

Mit Frauen-Power "Yachtsman of the Year"

Die Frau hat Power: Wenn Courtenay Dey auf ihrem schnellen Schlauchboot durch die Lübecker Bucht fegt, den US-Seglerinnen bei der Travemünder Woche Anweisungen erteilt, Kritik und Lob gekonnt zu einem Motivations-Mix zusammenkocht, dann merkt jeder sofort das geballte Segel-Knowhow, das die US-Amerikanerin besitzt.

Bei ihren zehn Schützlingen, die vor Lübeck nicht nur die Travemünder Woche segeln, sondern in der kommenden Woche auch die Weltmeisterschaft in der für Frauen olympischen Einhandklasse absolvieren, herrscht ein Mix aus Ehrfurcht und Kumpelhaftigkeit vor: "Courtenay ist der Star, den es im US-Frauensegeln gibt", erzählt Hannah Swett, derzeit beste amerikanische Europe-Seglerin. Und tatsächlich ziert die Blondine Monat für Monat die Rückseiten aller US-Yachtsportmagazine mit einer Werbung für eine Nobel-Uhrenmarke.

Wenn man die US-Amerikanerin selbst befragt, dann will sie von der eigenen Prominenz nichts wissen: "Ich - ein Star? Gerade soviel, wie man in den USA als Frau und Seglerin ein Star sein kann. Wenn ich mit Michael Jordan spazieren gehen würde, dann würde ich kaum nach einem Autogramm gefragt werden."

Courtenay Dey ist eine amerikanische Segellegende. Mit fünf Jahren saß sie zum ersten Mal in einem Boot, mit neun gewann sie die ersten Regatten: "Ich habe wohl alles gesegelt, an das man ein Stück Tuch anschlagen kann." Die Europe-Klasse spielte bis 1989 in den USA keine Rolle; als sie in das olympische Programm aufgenommen wurde, war sie plötzlich ein Thema. "Ich hatte gerade die US-Meisterschaft in einer anderen Klasse gewonnen und mußte sofort zur Weltmeisterschaft nach Schweden fahren, wo ich dann vor einem Boot stand, das ich vorher noch nie gesehen hatte. Das war ein Schock."

Aber Dey verdaute diesen Schock schnell und wurde bei der WM Zweite. Ein Riesenrückschlag dann 1992 vor der olympischen Premiere der Europe: Dey war Krank und mußte die US-Ausscheidungen segeln - zehn Rennen gewann sie, aber in zwei war sie so schlecht, daß eine andere US-Seglerin nominiert wurde.

1996 kam dann die Wiedergutmachung. In Atlanta gewann sie die Bronzemedaille - fast ohne Vorbereitung. Denn die zwei Jahre davor war sie mit noch größeren Aufgaben beschäftigt, gehörte als Navigatorin zum Team der America III, der ersten Frauen-Mannschaft, die jemals um den America`s-Cup gesegelt hat: "Ein einmalige Chance, die Erfahrungen, die ich da gesammelt habe, möchte ich nicht missen - besonders dankbar bin ich Bill Koch für die Chance, die er uns gegeben hat." Der exzentrische US-Öl-Millionär hatte vier Jahre zuvor den America`s-Cup gewonnen und setzte mit dem Frauenteam, das erst im Defender-Halbfinale scheiterte, einen neuen Maßstab: "Wir haben bewiesen, daß wir mithalten können - und wir waren auch nicht die befürchteten Mannweiber, die überall als Schreckensvision aufgezeichnet wurden."

Für Dey wäre es ein Traum, noch einmal einen America`s-Cup zu segeln: "Aber dafür braucht man einen Visionär wie Koch - und der zeichnet sich in den USA nicht ab." Ihr Geld verdient Dey heute als Coach, wird viel von US-Seglern privat engagiert. Denn das System in den USA ist völlig anders strukturiert als in Deutschland. Lediglich zwei Trainer kümmern sich um den gesamten Olympiabereich, Förderungen von Verbandsseite gibt es nicht: "Da liegt noch viel im Argen, meine Bronzemedaille hat mich all mein Erspartes gekostet, Fördersysteme wie in Deutschland oder Frankreich sind wesentlich weiter vorne - da wird Seglern der Rücken freigehalten."

Die Hoffnungen der Trainerin liegen auf Hannah Swett, mit der sie schon auf der America III zusammengesegelt ist: "Aber Hannah hat ein Jahr nicht gesegelt, mußte eben solange arbeiten - sie hat sich erst in dieser Woche für die WM qualifiziert." Selbst bereitet sich Courtenay Dey auch wieder auf Olympia vor - diesmal im 470er mit Alica Manard als Vorschoterin: "Die Herausforderung, eine Medaille in einer anderen Klasse zu gewinnen, hat mich dazu bewogen", erzählt die Frau, die vom Weltsegelverband ISAF schon zweimal als "Yachtsman of the Year", der höchsten Anerkennung des Verbandes, ausgezeichnet wurde. Ihr Traum ist aber ein ganz anderer: "Natürlich Segeln, aber auf einem reinen Freizeitboot, nur mit meinem Mann - einmal um die ganze Welt." +++