Veröffentlicht am 17.03.2020

Stadt Lübeck untersagt neue Kur- und Reha-Maßnahmen

Allgemeinverfügung gemäß Erlass des Landes SH - Auch die Tagespflege wird eingestellt

Die Hansestadt Lübeck hat heute, 17. März 2020, nach Vorgaben des Landes Schleswig-Holstein eine Allgemeinverfügung zum Verbot und zur Beschränkung von Angeboten in Kur- und Reha-Einrichtungen sowie in teilstationären Pflege-Einrichtungen in der Hansestadt Lübeck in Kraft gesetzt.

Kuren

Demnach dürfen in Vorsorge- und Reha-Einrichtungen ab sofort keine neuen ambulanten oder stationären Kur- und Reha-Maßnahmen mehr begonnen werden. Das gilt auch für psychosomatische Maßnahmen und für Mutter-/Vater-/Eltern-/Kind-Kuren.

Leistungen der Anschlussheilbehandlung sind davon ausgenommen. Sie sollen aber vorrangig für Patientinnen und Patienten aus Schleswig-Holstein und Hamburg erbracht werden. Bereits begonnene Maßnahmen können zu Ende geführt werden.

Physiotherapie-Praxen
Für Physio- und Massagepraxen wurde die Schließung angeordnet. Ausnahme sind medizinisch gebotene Behandlungen für die eine ärztliche Verordnung vorliegt.

Dies bedeutet, dass Physio- und Massagepraxen grundsätzlich geschlossen sind und nur für die von einem Arzt diagnostizierte medizinisch gebotene Behandlung öffnen dürfen.

Auch hier steht im Vordergrund, die in derartigen Praxen üblichen engen Kontakte zwischen Therapeuten und Patienten mit wenigen Ausnahmen zu vermeiden, um die Übertragung des Coronavirus zu verhindern.

Tagespflege

Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige tagsüber untergebracht und verpflegt werden, dürfen ab sofort keine entsprechenden Leistungen mehr erbringen.

Allerdings gibt es Ausnahmen: Die Tagespflege bleibt weiterhin möglich, wenn eine pflegebedürftige Person ansonsten von Angehörigen versorgt und betreut werden müsste, die in Bereichen der kritischen Infrastruktur arbeiten.

Dazu zählen folgende Bereiche: Strom-, Gas-, Wasser- und Kraftstoffversorgung, öffentliche Abwasserbeseitigung und Müllabfuhr; Produktion, Zulieferung, Logistik sowie Groß-und Einzelhandel in den Bereichen Ernährung und Hygiene; Aufrechterhaltung der Netze für Informationstechnik und Telekommunikation; der Gesundheitsbereich; Banken zur Bargeldversorgung und für Sozialtransfers; Transport, Verkehr und Logistik für kritische Infrastrukturen, ÖPNV; Medien mit Anteilen von Risiko- und Krisenkommunikation; Kernaufgaben der öffentlichen Verwaltung wie Gesundheitsamt, Sozialverwaltung, Jugendhilfe, Ordnungswesen, Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Justiz, Veterinärwesen, Küstenschutz, Bundeswehr; Lehrkräfte, soweit sie die Notbetreuung von Kindern übernehmen; in stationären Jugendhilfe- und Eingliederungshilfeeinrichtungen Tätige.

Dabei sind nur die Kernaufgaben der Infrastruktur von Belang; Zusatzleistungen wie der Betrieb einer Kantine fallen nicht darunter.

Ausnahmen für schwer Pflegebedürftige

Von den Verboten ausgenommen sind Personen, die einen täglichen Pflege- und Betreuungsaufwand benötigen, dem im häuslichen Rahmen nicht entsprochen werden kann. Für sie soll ein Notbetrieb nach Entscheidung der Einrichtungsleitung sichergestellt werden.

Weil Personen, die in der Tagespflege betreut werden, zu den besonders gefährdeten Personengruppen gehören, wird dringend empfohlen, alle Möglichkeiten der ambulanten Betreuung auszuschöpfen und nicht auf den Notbetrieb zurückzugreifen.

Pflegende Angehörige können sich mit Fragen an den Pflegestützpunkt unter der Rufnummer (0451) 115 wenden.

Vollstationäre Pflegeheime sind von den Schließungen nicht betroffen.

Die Allgemeinverfügung gilt ab sofort und ist befristet bis zum 19. April 2020. Eine Verlängerung ist möglich.

Die Allgemeinverfügung im Wortlaut:
Allgemeinverfügung der Hansestadt Lübeck zum Verbot und zur Beschränkung von Angeboten in Kur- und Rehaeinrichtungen sowie in teilstationären Pflegeeinrichtungen auf dem Gebiet der Hansestadt Lübeck

Gemäß § 28 Absatz 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit § 106 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG) wird folgende Allgemeinverfügung erlassen:

1.In Vorsorge - und Rehaeinrichtungen dürfen ab sofort keine Vorsorge und Rehabilitationsmaßnahmen nach § 41 SGB V und im Rahmen allgemeiner Heilverfahren gem. § 40 Abs. 1 SGB V erbracht werden.

2.Von dem Verbot nach Ziffer 1 sind Leistungen der Anschlussheilbehandlung ausgenommen. Diese sind vorrangig für Patientinnen und Patienten aus Schleswig-Holstein und Hamburg zu erbringen.

3.Die Regelungen der Ziffern 1 und 2 gelten auch für psychosomatische Reha-Kliniken.

4.Für Patientinnen und Patienten bzw. betreute Personen, die bis 16. März 2020 Maßnahmen nach Ziffer 1 und 3 begonnen haben, dürfen die Maßnahmen durchgeführt werden.

5.In Einrichtungen, in denen Personen mit Pflegebedarf teilstationär untergebracht und verpflegt werden können (Tages- oder Nachtpflege), dürfen ab sofort keine entsprechenden Leistungen mehr erbracht werden.

6.Von dem Verbot in Ziffer 5 sind solche pflegebedürftigen Personen ausgenommen, die von Angehörigen versorgt und betreut werden, die als in Bereichen der kritischen Infrastruktur Beschäftigte zur Aufrechterhaltung dieser Strukturen und Leistungen erforderlich sind.

 Zu den kritischen Infrastrukturen zählen folgende Bereiche:

a) Energie – Strom, Gas, Kraftstoffversorgung,

b) Ernährung, Hygiene (Produktion, Groß- und Einzelhandel) – inkl. Zulieferung, Logistik,

c) Finanzen – ggf. Bargeldversorgung, Sozialtransfers,

d) Gesundheit – Krankenhäuser, Rettungsdienst, Pflege, Niedergelassener Bereich, Medizinproduktehersteller, Arzneimittelhersteller, Apotheken, Labore,

e) Informationstechnik und Telekommunikation – insb. Einrichtung zur Entstörung und Aufrechterhaltung der Netze,

f) Medien und Kultur – Risiko und Krisenkommunikation,

g) Transport und Verkehr – Logistik für KRITIS, ÖPNV,

h) Wasser und Entsorgung,

i) Staat und Verwaltung – Kernaufgaben der öffentlichen Verwaltung (Regierung und Verwaltung, Parlament, Organe der kommunalen Selbstverwaltung), Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Justiz, Veterinärwesen, Küstenschutz sowie

j) Grundschullehrkräfte, Sonderpädagoginnen an Förderzentren mit Internatsbetrieb und in Kindertagesrichtungen Tätige.

Hiervon ausgenommen sind Personen, die einen täglichen Pflege- und Betreuungsaufwand benötigen, dem im häuslichen Rahmen nicht entsprochen werden kann. Für diese Personen soll ein Notbetrieb nach Entscheidung der Einrichtungsleitung sichergestellt werden. Da pflegebedürftige Personen zur besonders vulnerablen Personengruppe gehören, sind entsprechende Schutzmaßnahmen zu beachten.

7.Diese Allgemeinverfügung gilt sofort ab dem Zeitpunkt der Bekanntmachung bis einschließlich Sonntag, den 19. April 2020.

8.Die Anordnung ist gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diese Allgemeinverfügung haben keine aufschiebende Wirkung.

Begründung
Die Regelungen dieser Allgemeinverfügung beruhen auf einem Runderlass gemäß § 3 Absatz 2 Satz 2 (Gesundheitsdienst-Gesetz – GDG) des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren vom 16.03.2020 (Az. VIII 40 – 23294/2020).

Rechtsgrundlage für die getroffenen Maßnahmen ist § 28 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Nach Satz 1 hat die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungs-verdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.

Vor dem Hintergrund der sehr dynamischen der Verbreitung und von Infektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus und Erkrankungen an COVID-19 müssen unverzüglich umfänglich wirksame Maßnahmen zur Verzögerung der Ausbreitungsdynamik und zur Unterbrechung von Infektionsketten ergriffen werden. Weitreichende effektive Maßnahmen sind dazu dringend notwendig, um im Interesse des Gesundheitsschutzes die dauerhafte Aufrechterhaltung der wesentlichen Funktionen des Gesundheitssystems sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Schleswig-Holstein soweit wie möglich sicherzustellen. Die großflächige Unterbrechung, Eindämmung bzw. Verzögerung der Ausbreitung des neuen Erregers im Land stellt – über die bereits ergriffenen Maßnahmen hinaus - das einzig wirksam Vorgehen dar, um diese Ziele zu erreichen.

Aus fachlicher Sicht sind umgängliche Maßnahmen zur Kontaktreduzierung und zum Schutz besonders vulnerabler Gruppen der Bevölkerung dringend zeitnahe geboten.

Die Kurangebote und weitere stationäre Vorsorge- und / oder Rehabilitationsangebote für zum Beispiel für Mütter, Väter, Kinder und pflegende Angehörige in Schleswig-Holstein werden sehr umfänglich von Personen aus dem Bundesgebiet in Anspruch genommen. Aufgrund der in vielen Gebieten teilweise deutlich höheren Infektionsraten ist auch für diese Angebote eine mit anderen besonders betroffenen Gebieten vergleichbaren Verbreitungsdynamik zu befürchten.

Im Hinblick auf diese Sachlage sind die akut stationären Einrichtungen bereits aufgefordert, elektive Eingriffe und sonstige Angebote soweit möglich zu verschieben.

Ziffer 1 und 3: Kur- und Vorsorgemaßnahmen sowie Rehabilitationsbehandlungen der allgemeinen Heilverfahren stellen keine lebensnotwendigen Gesundheitsleistungen dar und können daher aus gesundheitlicher Sicht grundsätzlich verschoben werden. Die Inanspruchnahme der Angebote führt zudem zu einer hohen Anzahl von Anreisen aus anderen Bundesländern, mit zum Teil höheren Infektionsraten und damit einer erhöhten Gefahr möglicher Übertragungen.

Hinzu kommt, dass die Möglichkeiten der Einrichtungen, in dem erforderlichen Umfang gestaltend auf die Anreisebedingungen einzuwirken oder in gebotenen Umfang die infektionshygienischen Gegebenheiten für die in Rede stehenden Aufenthalte begrenzt sind.

Daher sind die Vorsorge- und Rehaangebote einzustellen.

Ziffer 2: Nicht von dem Verbot erfasst, sind Anschlussheilbehandlungen. Diese sind unabweisbar gebotene Versorgungsangebote. Alternativ verbliebe sonst nur die weitere Patientenversorgung in der jeweiligen stationären Einrichtung der Akutversorgung. Diese aber gilt es in der gegenwärtigen Situation so weit wie möglich zu entlasten. Die Bestimmung in Ziffer 2. nimmt daher die Anschlussheilbehandlungen vom Verbot aus. Dies gilt auch für Anschlussheilbehandlungen, die in den psychosomatischen Reha-Kliniken durchzuführen sind (Ziffer 3).

Ziffer 4: Bereits begonnene Maßnahmen dürfen aufgrund der Ausnahmeregelung zu Ende durchgeführt werden.

Ziffer 5 und 6: In den Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege werden in einem örtlich umgrenzten Raum aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters, Gesundheitszustands oder Pflegebedarfs besonders gefährdete Personengruppen gemeinschaftlich versorgt und betreut. Damit einher geht ein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Soweit hier nicht Personen versorgt und betreut werden, die einen täglichen Pflege- und Betreuungsaufwand benötigen, dem im häuslichen Rahmen nicht entsprochen werden kann, ist ein Verzicht auf Leistungen der Tages- und Nachtpflege deshalb zur Verzögerung der Ausbreitung und Unterbrechung von Infektionsketten erforderlich.

Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Hansestadt Lübeck, vertreten durch den Bürgermeister, Bereich Gesundheitsamt, Sophienstraße 2-8, 23560 Lübeck einzulegen oder durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach § 5 Abs. 5  DE-Mail-Gesetz  an info@luebeck.de-mail.de.

Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diese Allgemeinverfügung haben keine aufschiebende Wirkung.

Lübeck, den 17.03.2020

gez. Jan Lindenau, Bürgermeister +++