Rede von Bürgermeister Saxe zur Eröffnung der Kunsthalle

Veröffentlicht am 30.05.2003

Rede von Bürgermeister Saxe zur Eröffnung der Kunsthalle

Rede von Bürgermeister Saxe zur Eröffnung der Kunsthalle

030413R 2003-05-30

Weiterer Meilenstein für die Kulturhauptstadt des Nordens

Rede von Bürgermeister Saxe zur Eröffnung der Kunsthalle St. Annen

(Sperrfrist: Beginn der Rede / Es gilt das gesprochene Wort)


Namentliche Begrüßung der geladenen Gäste, darunter

· Staatsministerin Weiß

· Kultusministerin Erdsiek-Rave

· Ministerpräsident a. D., Minister a. D.

· Stadtpräsident Sünnenwold

· Mitglieder der Bürgerschaft, des Land- und Bundestages

· Dr. Knüppel

· Senatorinnen und Senatoren

· ehemalige Senatoren Meyenborg und Zahn

· Konsuln und Generalkonsuln

Ich begrüße herzlich:

Mitglieder der Vorsteherschaft der Possehl-Stiftung, an der Spitze der Vorsitzende, Dr. Pfeifer, ·und die Mitglieder der Unternehmensleitungen der L-Possehl-Gruppe und der angeschlossenen Unternehmen aus der ganzen Republik, Prof. Friedhelm Döhl, der eigens zum heutigen Anlaß ein neues Werk komponiert hat, das von Sabine Meyer und Rainer Wehle und der Klarinettenklasse der Musikhochschule Lübeck zur Welturaufführung gebracht wird; ein fröhliches Willkommen und herzlichen Dank dem Komponisten und den Darbietenden.


Ich begrüße Herrn Ingo Siegmund, den Architekten, der im Angesicht des Bauwerks im Laufe des Tages zweifellos viel Lob und Zuspruch erfahren wird.


Ich begrüße herzlich unsere Freunde und Nachbarn von der Jüdischen Gemeinschaft. Ich bin sicher, Synagoge und Kunsthalle werden von dieser interessanten Nachbarschaft profitieren können. Schließlich – wenn es erlaubt ist – begrüße ich als Gast gern die Gastgeber, die Hausherrn, Pastor Lotichius und den Kirchenvorstand von St. Aegidien, in deren Räumen wir freundlicherweise zu diesem Festakt zusammen kommen durften.


Eigentlich, meine Damen und Herren, ist es schon ein Anachronismus, den wir her heute feiern. Denn anachronistisch ist ein Ereignis, das nicht in seine Zeit paßt – oder zu passen scheint.


Und in diesen Zeiten, in denen die deutschen Städte – und Lübeck noch ein bißchen mehr als andere – unter dramatisch rückläufigen Einnahmen, unter extremer Verschuldung leiden, in diesen Zeiten scheint es schon ein wenig „aus der Zeit“ zu sein, eine neue Kunsthalle zu eröffnen.


„Haben denn die keine anderen Sorgen?“, höre ich manchen fragen, und „Gibt es denn nicht Wichtigeres?“ mag der eine oder die andere denken.


Die Halle, meine Damen und Herren, ist ein Geschenk, ein Geschenk, das die Stadt froh und dankbar angenommen hat. Gibt es uns doch die Chance, unseren Ruf als „Kulturelle Hauptstadt des Nordens" weiter auszubauen, auf einem weiteren Feld, dem der modernen, zeitgenössischen Kunst, Neues zu entwickeln. Und gibt es uns damit doch auch neue touristische Attraktivität: Viele der über 10 Mio. Gäste, die Jahr für Jahr in unserer Stadt weilen, kommen gerade wegen des kulturellen Reichtums, wegen des unglaublich reichhaltigen Angebotes an kulturellen Sehens- und Erlebenswürdigkeiten, zu uns. Hier neue, zusätzliche Attraktivität hinzuzufügen, hat auch wirtschaftliche, touristische Bedeutung.


Und, meine Damen und Herren, in dieser Zeit der leeren Kassen, der Finanznot und der Arbeitslosigkeit eine Kunsthalle zu eröffnen setzt auch ein Zeichen für Kunst und Kultur. In Zeiten ökonomische Schwierigkeiten werden Kunst und Kultur nicht zum Haupt-Steinbruch für Konsolidierungsrunden; sicher wird man auch hier stärker noch als schon bisher die Fähigkeit entwickeln müssen, mit dem zurecht zu kommen, was da ist, ohne Zuwächse leben zu können, vielleicht auch verkraftbare Abstriche hinzunehmen lernen. Aber die Botschaft des heutigen Tages ist: Kunst und Kultur bleiben auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtige Bestandteile des urbanen gesellschaftlichen Lebens, sie geben uns gerade in schwerer Zeit Identität und Orientierung, sie stehen nicht zur Disposition.


Und, meine Damen und Herrn, wenn es denn ein Anachronismus ist, in diesen Zeiten eine Kunsthalle zu eröffnen, dann hat dieser Anachronismus in unserer Stadt seit über 150 Jahren Tradition.


Mit der Gründung des Unternehmens L. Possehls vor gut 150 Jahren und der später gegründeten gleichnamigen Stiftung durch Senator Emil Possehl vor bald 90 Jahren wurde der Grundstein gelegt für ein herausragendes Beispiel typisch lübschen Bürgersinns, der ganz im Geiste J. F. Kennedys immer auch fragt: „“was kann ich für die Gemeinschaft, für meine Stadt tun?“, der den Art. 14/2 des heutigen Grundgesetzes schon damals ernst nahm: Eigentum verpflichtet.


Es ist, meine Damen und Herren, für einen überaus erfolgreichen – und übrigens auch reichen – Unternehmer des frühen 20. Jahrhunderts schon ein erstaunlicher Satz, wenn Emil Possehl 1915 sagt: „Die öffentliche Wohlfahrt ist das ganze Ziel meiner Arbeit und meines Lebens.“ Dank zu sagen ist also posthum Emil Possehl. Aber nicht nur ihm.


Dank zu sagen ist natürlich auch dem heutigen Unternehmen Possehl und all seinen gruppenzugehörigen Töchtern, Enkeln, Schwestern. An der Spitze dem Vorstand unter Führung von Herrn Dr. Wortberg, aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, durch deren erfolgreiche Arbeit die Stiftung ja überhaupt erst in die Lage versetzt wird, in so reichem Masse Gutes für unsere Stadt zu tun.


Zu danken ist aber auch den Männern und Frauen des Vorstandes der Possehl-Stiftung, die ehrenamtlich, in ihrer Freizeit, die Mittel verwalten und unermüdlich darüber beraten und entscheiden, wie, auf welche Art und Weise sie dem Vermächtnis Emil Possehls am ehesten gerecht werde können, wie sie dem Wohl der Hansestadt Lübeck am besten dienen können.


Dank zu sagen gilt heute, am Tag der Eröffnung der Kunsthalle aber auch der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, hier stellvertretend repräsentiert durch Herrn Dr. Knüppel, ohne dessen und deren Hilfe das Werk nicht zu vollenden gewesen wäre.


Meine Damen und Herren,

wenn Sie gleich, im Anschluß an diesen Festakt, hinüber gehen in neue Kunsthalle, werden Sie feststellen können, dass das neue Gebäude nicht nur dem Zweck dient, Kunst zu präsentieren, sondern dass es selbst ein Stück Kunst ist, Baukunst in des Wortes klarer Bedeutung.


Ein wesentliches Charakteristikum dieses Erweiterungsbaus ist, daß hier Altes und Neues kunstvoll miteinander verbunden werden. Die Architektur des späten Mittelalters und der heutigen Zeit wird miteinander verzahnt und trotzdem bleiben die architektonischen Eigenheiten der beiden Epochen erhalten und erfahrbar.


Die Kunsthalle selbst – sie werden es selber erleben - ist ein strenger, langgestreckter Backsteinkubus, der sich in klaren Linien über dem Grundriß der Apsis und des Mittelschiffs der alten Klosterkirche erhebt - ein moderner, puristischer Bau mit Betonwänden und Zementböden.


Den verblüffenden individuellen Reiz erhält er dadurch, daß er die übrig gebliebenen Architekturteile der alten Kirche dezidiert als Ruinen-Reste einbezieht - und zwar außen wie innen.


Außen: die alte Fassade mit ihren Nischen, der hohe gotische Eingangsbogen und der Treppenturm; innen: die Pfeilerstümpfe und Arkaden, die dreiseitige Apsis, die flachen Seitenkapellen der Nordwand und die hohe Südwand, die an das Kloster angrenzt. Sie sind lediglich weiß getüncht worden, um als Hülle für moderne Kunst dienen zu können.

Altes und Neues aneinander zu verbinden, ohne es dabei zu verwischen, das ist eine Kunst, die hier vorzüglich gelungen ist. So sind über vier Etagen ganz individuelle Ausstellungsräume entstanden. Keiner ist wie der andere, anders als der symmetrisch strenge Bau von außen erwarten ließe. Vielmehr strahlen die Räume noch etwas von der sakralen Atmosphäre der ehemaligen Klosterkirche aus - eine geeignete, um nicht zu sagen „würdige“ Voraussetzung für die Präsentation moderner Kunst.


Das Prinzip der Verbindung einerseits und der klaren Abgrenzung andererseits scheint für den gesamten Museumskomplex zum Leitmotiv geworden zu sein. Und von dieses Eigenart profitieren beide Teile:


Die Abgeschlossenheit des alten Klosters wird durch den kleinen hellen Vorhof der Kunsthalle mit ihren großen Glasflächen aufgebrochen und öffnet sich dem Besucher durch unverhoffte Einblicke. Die Architektur lädt den Besucher, den Touristen, der sich vielleicht zufällig hierher verirrt, aber auch die Lübeckerinnen und Lübecker, ein, hereinzuschauen, eine Tasse Kaffee zu trinken. Und sie macht ihn neugierig auf die Kunst. Und zwar sowohl auf die, die in den transparenten Räumen der Kunsthalle steht, als auch auf die, die im Verborgenen der Klostermauern blüht; denn hier verbirgt sich eines der schönsten mittelalterlichen Museen Deutschlands.


Wenn man den Grundriß des gesamten St. Annen-Museums mit all den dazugehörigen Gebäuden betrachtet, dann fällt auf, daß der Erweiterungsbau darin eigentlich gar keinen so großen Platz einnimmt.

Trotzdem hat er durch seine Lage und durch seine konzentrierte Form eine ganz zentrale Stellung. Aus diesem Grund führt auch der Haupteingang für das ganze Museum – d.h. für die Bestände der neuen und der alten Kunst – durch diesen Neubau. Vom hellen Eingang aus kann der Besucher dann entweder in den großzügigen Räumen der Kunsthalle wandeln oder durch eine enge gotische Pforte in den Kreuzgang des ehemalige Klosters schlüpfen, um dort die mittelalterliche Kunst in stiller Klosteratmosphäre zu erleben.


Und ebenso hat er die Möglichkeit in der ersten Etage der Kunsthalle durch eine schmale Tür in die Epochenräume des St. Annen-Museums überzuwechseln. So wird Alt und Neu verbunden, wenngleich auch eindeutig geschieden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, ich habe Sie hinreichend neugierig gemacht. Lassen Sie sich – im Abschluss an diesen kleinen Festakt – in das Museum, in seinen alten und in seinen neuen Teil einladen, erleben Sie die gelungene Symbiose von alt und neu, erleben sie moderne Kunst in zeitgenössischer Architektur in historischem Umfeld.


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat die Kultusministerin des Landes Schleswig-Holstein, Ute Erdsiek-Rave. +++

Bernd Saxe ist Bürgermeister der Hansestadt Lübeck.