Antrittsrede Saxes: “Lübeck hat für die Zukunft große Chancen”

Veröffentlicht am 27.04.2000

Antrittsrede Saxes: “Lübeck hat für die Zukunft große Chancen”


000332R 2000-04-27

Nach seiner öffentlichen Vereidigung im Bürgerschaftssaal des historischen Rathauses, hat Lübecks neuer Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) in seiner Antrittsrede das Zusammenstehen aller Lübeckerinnen und Lübecker zum Wohle der Hansestadt eingefordert und die Bedeutung des Ehrenamtes unterstrichen. “Frage nicht, was die Stadt für Dich tun kann, sondern frage, was Du für deine Stadt tun kannst”, sagte er in Abwandlung eines Zitates vom ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy.

Die Rede des ab 1. Mai amtierenden, 228. Bürgermeisters der Hansestadt Lübeck, hat folgenden Wortlaut:

“Sehr geehrter Herr Stadtpräsident, verehrte Mitglieder der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck, sehr geehrter Herr Bürgermeister Bouteiller, meine Damen und Herren Senatoren, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sehr geehrte Damen und Herren,

Sie werden nachvollziehen können, daß dies ein großer Tag, ein bewegender Moment für mich ist: 228. Bürgermeister der Hansestadt Lübeck zu werden, der erste Bürgermeister im neuen, im dritten Jahrtausend, und zugleich der erste Bürgermeister unserer Stadt, der direkt vom Volk gewählt worden ist.

Dies erfüllt mich mit Respekt vor der großen Tradition unserer Stadt und vor dem Amt, das dieser Tradition verpflichtet ist und zugleich in die Zukunft weist, die für uns große Chancen bereithält.

Es erfüllt mich zugleich mit Dankbarkeit für das große Vertrauen, das mir entgegengebracht wird. Uns alle, die Mitglieder der Bürgerschaft, die Damen und Herren Senatoren, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung und die vielen Bürgerinnen und Bürger, die in Vereinen und Verbänden, in Organisationen und Parteien, in Institutionen und Unternehmen wirken, verbindet doch bei aller Unterschiedlichkeit in politischen und weltanschaulichen Überzeugungen bei allen Differenzen in den Interessen und Auffassungen eines: Die Liebe zu dieser Stadt und der Wille, Kraft und Energie, Ideen und Konzepte einzubringen zum Wohle unserer Hansestadt Lübeck und ihrer Menschen.

Dieses breite bürgerschaftliche Engagement für die Interessen des gemeinsamen Ganzen, für ein Gemeinwesen des sozialen Ausgleichs und der Gerechtigkeit, für einer starke und leistungsfähige, eine tolerante und weltoffene Hansestadt Lübeck ist ein herausragendes Stück der besonderen Tradition und Geschichte unserer Stadt, das mir in den letzten Wochen vielerorts in der Stadt begegnet ist: In den Behindertenorganisationen, wo mit einem bewundernswerten ehrenamtlichen Engagement daran gearbeitet wird, Not zu lindern, Hilfe zu leisten, ohne daß dies im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit steht . Bei den Freiwilligen Feuerwehren, wo neben allem anderen zum Teil eine tolle Jugendarbeit geleistet wird, die den jungen Menschen eine Aufgabe und Orientierung gibt. In Sportvereinen, in Kulturinitiativen, in ökologischen Gruppen und Sozialverbänden, in Parteien und Gewerkschaften - überall gibt es dieses freiwillige Engagement für das Gemeinwohl das es in Gegenwart und Zukunft neu zu fördern und auf eine neue Grundlage zu stellen gilt.

Wir brauchen eine neue Kultur des Miteinanders in dieser Stadt, der Fähigkeit, über Trennendes und Unterschiedliches in den Auffassungen und Wertvorstellungen hinweg miteinander an der Zukunftsgestaltung für das Ganze zu arbeiten, der Bereitschaft, eigene und Gruppeninteressen gelegentlich ein Stück weit hintanzustellen zu Gunsten der Bedürfnisse und Erfordernisse der Gemeinschaft, der ganzen Stadt. “Suchet der Stadt Bestes”, appelliert der Prophet Jeremia nach der Überlieferung des Alten Testamentes im Jahre 597 vor Christus an die Bewohner Babylons, und er fügt hinzu: “denn wenn es der Stadt gut geht, dann geht es auch Euch wohl.”

John F. Kennedy variiert den Gedanken in seiner Zeit zu der - hier etwas frei wiedergegeben - Aufforderung: “Frage nicht, was die Stadt für Dich tun kann, sondern frage, was Du für Deine Stadt tun kannst!”

Wenn es uns, die wir in besondere Verantwortung hineingewählt sind, in den kommenden Jahren gelingt, diesen Grundgedanken des freiwilligen Engagements für das Gemeinwesen wieder stärker zu wecken, ihm neu zum Durchbruch zu verhelfen, wenn wir auch durch eigenes Vorbild zu überzeugen vermögen, dann werden wir in der Lage sein, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Bestes zu finden. Dazu gehört nicht zuletzt - sondern eher zu Beginn - ein breiter Dialog über die Ziele, die wir anstreben und erreichen wollen und über die Wege, die wir beschreiten müssen; um die Ziele realisieren zu können.

Unsere Stadt braucht eine gemeinsame Vision; ein breit getragenes Leitbild über die Entwicklungsziele und Entwicklungsrichtungen in den ersten zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren des neuen Jahrtausends. Die Aufgabe der Formulierung eines Leitbildes für Lübeck bleibt richtig und notwendig und erfordert ein Stück Neuanfang, den ich in der Anfangsphase meiner Amtszeit gern auf den Weg bringen will. Concordia domi, foris pax - dieser Leitspruch am Lübecker Holstentor ist nicht nur Zeugnis vergangener Epochen, er ist auch Grundlage für die zukünftige Stadtpolitik Er stellt beide Grundsätze - Eintracht im Innern und Frieden nach außen - gleichberechtigt nebeneinander und verpflichtet uns zu beidem.

Der Gedanke der Hanse, der Aktions- und Wertegemeinschaft von Städten, des freien Austausches zwischen den Märkten und den Kulturen, bleibt auch in Zukunft aktuell und wird von Lübeck aus mit neuem Leben erfüllt. Aus der Geschichte Lübecks als einer toleranten und weltoffenen Stadt ragt unsere feste Verankerung im Ostseeraum in Gegenwart und Zukunft herüber. Die intensiven wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Beziehungen Lübecks mit den Städten und Regionen rund um die Ostsee haben uns in der Vergangenheit stark gemacht, haben die Grundlage für unsere Rolle als Königin der Hanse und für den Wohlstand der Stadt und ihrer Menschen gelegt. Wir wollen auch in Zukunft gute Nachbarn sein, im Innern und nach außen, wollen die Beziehungen zu unseren Partnern pflegen. Wir wollen die Zukunft mit unseren Nachbarn gestalten. Dies gilt gleichermaßen für die Nachbarn “in der Ferne” wie für die Nachbarn “in der Nähe", die umliegenden Kreise und Gemeinden, mit denen wir freundschaftlich, konstruktiv und vertrauensvoll zusammenarbeiten wollen.

Vor uns liegen in den kommenden Jahren große Herausforderungen. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bleibt in Anbetracht der nach wie vor zu hohen Zahlen ganz oben auf der Prioritätenliste der wichtigsten Aufgaben der Kommunalpolitik und -verwaltung. Der Ausbau des Hafens ist eine der großen Zukunftsinvestitionen, die es weiter zu betreiben gilt, wenn Lübeck und Travemünde im Wettbewerb der Hafenstandorte bestehen können sollen. Die Weiterentwicklung des Hochschul-, Wissenschafts- und Technologiestandortes ist auf dem Wege und hilft uns, im Strukturwandel zu bestehen und unsere Wirtschaft fit zu machen für die Zukunft.

Lübecks Status als kulturelle Hauptstadt des Nordens muß immer wieder neu erarbeitet und verteidigt werden, darum ist nicht der Abbau des kulturellen Angebotes angezeigt, sondern Ausbau und Modernisierung und vor allem eine bessere Vermarktung, denn für uns ist Kultur auch Wirtschaftsfaktor.

Den Tourismus gilt es zu stärken; dazu gehören wichtige Infrastrukturinvestitionen in Travemünde, der verstärkte Einstieg in den Messe- und Kongreßtourismus, der Schutz und die Pflege des Weltkulturerbes in der Lübecker Altstadt wie die Rückgewinnung von Zentralität im Einzelhandel.

Der Schutz von Natur und Umwelt, der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen bleibt für uns eine unerläßliche Verpflichtung, nicht nur für uns, die wir gern in dieser Stadt leben, nicht nur für diejenigen, die hier Entspannung und Erholung suchen, sondern vor allem für unsere Kinder und Enkel, denen wir einen lebenswerten intakten Globus hinterlassen wollen.

Schließlich, nicht endlich, gilt es auch im Bereich der Sozial und Jugendpolitik die Schwerpunkte zu setzen, die erforderlich sind um Lübeck auch in Zukunft sein zu lassen, was es historisch immer war: Eine Stadt der sozialen Gerechtigkeit und des Ausgleichs, eine Stadt in der die Starken, die leistungsfähigen und Erfolgreichen immer auch ihre Verpflichtung gesehen haben, da zu sein für die weniger Erfolgreichen, für die schlechter Gestellten, für die Benachteiligten. Lübeck ist und bleibt vor allem auch dies: Eine soziale Stadt . Dies nicht nur aus den Gründen von Tradition und Geschichte sondern auch weil die Bürgerschaft sich selbst und die Verwaltung im Zuge des Agenda-Prozesses auf den Grundsatz der Nachhaltigkeit verpflichtet hat. Dieser Grundsatz verlangt von uns, die wir heute Politik machen und gestalten, mit allem was wir tun Sorge zu tragen dafür, daß auch unsere Kinder und Kindeskinder eine lebenswerte Welt vorfinden, daß auch sie noch Gegebenheiten vorfinden, die ihnen Luft lassen zum Atmen und Entscheidungsspielräume für ihre politischen Ziele.

Nachhaltigkeit gilt es zu beachten im Bereich der Sozialpolitik, auf dem Sektor der Wirtschaftspolitik, auf dem Feld der Umweltpolitik. Nachhaltigkeit aber gilt auch in der Finanzpolitik. So, wie wir verpflichtet sind, nachkommenden Generationen eine intakte Umwelt zu hinterlassen, so sind wir auch aufgefordert, ihnen geordnete Finanzen zu übergeben und nicht heute in unverantwortlicher Weise Schulden anzuhäufen, deren Folgelasten noch viele Generationen nach uns daran hindern, gestaltende Politik nach ihren eigenen, dann aktuellen Vorstellungen zu betreiben. Darum gibt es zum Kurs der Haushaltskonsolidierung, zum Kurs des Verzichts auf Neuverschuldung und zum Kurs des schrittweisen Abbaus der entstandenen Verpflichtungen keine Alternative. Hier ist in den vergangenen Jahren bereits Herausragendes geleistet worden; meinem Vorgänger, Herrn Bürgermeister Bouteiller, ist für seine besonderen Verdienste auf diesem Felde Dank und Anerkennung auszusprechen.

Ich lade Sie, meine Damen und Herren Mitglieder der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck, herzlich dazu ein, gemeinsam auf diesem eingeschlagenen Weg weiter voranzuschreiten. Lassen Sie uns zu der gemeinsamen Vereinbarung kommen: Keine neuen Schulden anzuhäufen, keine defizitären Haushalte mehr zu fahren, nicht mehr Geld auszugeben als wir einnehmen, erreichte Schuldenstände wo immer möglich schrittweise zu reduzieren. Der Lohn für eine solche gemeinsame Politik liegt nicht nur im Dank der Bürgerinnen und Bürger sondern auch in der Rückgewinnung neuer kommunalpolitischer Handlungsspielräume, die heute durch die Finanzlage bis zur Bewegungsunfähigkeit stranguliert sind.

Keine Alternative gibt es auch zur Fortsetzung des Prozesses der Modernisierung der städtischen Verwaltung. Von der Öffentlichkeit noch wenig bemerkt, ist auf diesem Sektor in den letzten Jahren Beeindruckendes geleistet worden, hat Lübeck im Kreise der schleswig-holsteinischen Kommunen wohl die deutlichsten Erfolge in diesem Bereich aufzuweisen. Auch dies ist ein Verdienst des scheidenden Bürgermeisters Bouteiller, der gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hansestadt Lübeck diesen Prozeß in Gang gesetzt und vorangetrieben hat. Dezentrale Ressourcenverantwortung; Budgetierung und Serviceorientierung sind einige der Stichworte des bisherigen Fortgangs. Der Prozeß muß und wird fortgesetzt werden; Kosten- und Leistungsrechnung, Qualitätsmanagement und Output-Orientierung. sind einige der Stichworte für die weiteren Vorhaben.

Die Hansestadt Lübeck hat eine kompetente, eine flexible und leistungsfähige Verwaltung, wir wollen sie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiter modernisieren, um unsere Stadt fit zu machen für die Herausforderungen der Zukunft.

Die neue Kommunalverfassung, die am 1 Januar des Jahres 1997 in Kraft getreten ist, hat die Kommunalpolitik auf eine neue Grundlage gestellt. Ehrenamt und Hauptamt wirken bei deutlicher voneinander abgegrenzten Aufgabendefinitionen zusammen; .der Bürgermeister ist der Chef der Verwaltung, er unterliegt zugleich der Richtlinienkompetenz des Kommunalparlamentes und dem Weisungsrecht durch den Hauptausschuß der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck.

Zugleich gibt das Wahlverfahren für das Amt des Bürgermeisters, die Direktwahl durch die Bürgerinnen und Bürger, dem Bürgermeister eine neue, eine ganz eigene Stellung, der es Rechnung zu tragen gilt. Ich will Ihnen - den Mitgliedern und Fraktionen der Bürgerschaft - für die vor uns liegende Zeit gern eine konstruktive, eine vertrauensvolle, eine zielgerichtete, am Wohl der Hansestadt Lübeck und der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt orientierte Zusammenarbeit vorschlagen. Wenn wir uns gemeinsam bemühen, wenn wir unterschiedliche Vorstellungen und Konzepte offen diskutieren, wenn wir schließlich zügig zu den notwendigen Entscheidungen kommen, und wenn wir dann den einmal als richtig erkannten Weg auch zielstrebig beschreiten, dann können wir für Lübeck viel Gutes bewirken. Unsere Stadt hat für die Zukunft große Chancen. Wir müssen sie gemeinsam nutzen.” +++