Veröffentlicht am 05.02.1998

Lübecks Ordnungsbehörde weist Vorwürfe zurück

Lübecks Ordnungsbehörde weist Vorwürfe zurück

Energisch zurückgewiesen hat die Lübecker Ordnungsbehörde die in den Medien verbreitete Kritik, die Hansestadt habe im Zusammenhang mit den Demonstrationen am Wochenende zu zögerlich gehandelt und mit ihren Entscheidungen die Polizeiarbeit erschwert. Der Sinn solcher "Falschmeldungen" sei ihm völlig unverständlich, sagte Bürgermeister Michael Bouteiller am 5. Februar. Seine Ordnungsbehörde habe professionell, entschieden und schnell gehandelt, doch seien ihr bis zum Vortag der Demonstration die Hände gebunden gewesen, weil Polizei und Innenministerium entscheidende Informationen nicht rechtzeitig nach Lübeck weitergereicht hätten.

Denn erst am Freitag, 30. Januar, 15.02 Uhr, war die Lageeinschätzung, daß die angemeldete Demonstration des "Bündnis Rechts für Lübeck" in Wirklichkeit ein bundesweiter Aufmarsch von Neonazis werden würde, per Fax vom Innenministerium nach Lübeck übermittelt worden. "Hätten wir diese Informationen rechtzeitig bekommen, hätten wir die Demonstration auch eher verbieten können", sagte Bouteiller. "Die Tatsachen sind so, wie wir sie dargestellt haben. Jede andere Behauptung ist falsch."

Angesichts der friedlich verlaufenen Demonstrations und der ausgezeichneten Polizeiarbeit sei ihm die harsche Schelte von Polizeichef Heiko Hüttmann indes rätselhaft. Sie stelle eine ausgesprochen "ungewöhnliche Kritik eines Polizeioffiziers" dar, über die intern noch geredet werden müsse, sagte Bouteiller. Er sei aber dagegen, Abstimmungsprobleme von Behörden, die im Dienste der Bürgerinnen und Bürger ihrer Arbeit nachgehen, in einem öffentlichen Gezeter in den Medien auszutragen.

Die Lübecker Ordnungsbehörde legte zur Entkräftung der Vorwürfe, denen sich am Wochenanfang überraschenderweise auch der Staatssekretär des Innenministers, Hartmut Wegener (SPD), angeschlossen hatte, eine Zusammenfassung der Ereignisse vor. Wir dokumentieren sie nachstehend im Wortlaut:

Fakten und Daten zu den Demonstrationen in Moisling, 31. Januar 1998

 18. Dez. 97   "Bündnis Rechts für Lübeck" meldet für den 31. Januar, 14 bis 17                      Uhr, eine Kundgebung mit Aufzug in Moisling an. Motto:                                "Kommunalwahlkampf in Lübeck"                                           6. Januar 98  Erste Stellungnahme der Polizeiinspektion Lübeck: Keine                               verbotsrelevanten Erkenntnisse                                          14. Januar    Innenminister fragt beim Ordnungsamt Sachstand ab.                      16. Januar    Bürgermeisterbüro leitet Hinweise und Internet-Aufrufe des                            "Nationalen Widerstands" und deren Internet-Magazin "Perspektive" an                  die Polizeiinspektion  weiter. Polizeiinspektion teilt mit, die                       Unterlagen dem LKA zugeleitet zu haben. Eine Bewertung liege derzeit                  nicht vor.                                                              19. Januar    "Lübecker Bündnis gegen Rassismus" und SPD-Moisling melden                            Kundgebung für den 31. Januar, 10 bis 12 Uhr, "auf dem Dorfteich"                     an. Motto: "Kein Fußbreit den Faschisten"                               21. Januar    Innenminister teilt dem Ordnungsamt Erkenntnisse über die                             anmeldenden und unterstützenden Personen der Kundgebung "Bündnis                      Rechts" mit. Genannt werden Dieter Kern, Reinhard Kessow, Andreas                     Rothmann und Thomas Wulff. Erneute Nachfrage nach dem Sachstand.                      Eindringlicher Hinweis, in die Bewertung der Hansestadt einfließen                    zu lassen, daß es sich um eine Wählergemeinschaft handele, die als                    "Wahlvorschlagsträger" unter besonderem gesetzlichen Schutz stehe.      23. Januar    Ordnungsamt teilt Innenministerium per Fax mit, daß eine                              abschließende Bewertung der Demonstrationsvorhaben noch nicht                         vorgenommen worden sei. Man werde die Anmelder zu Gesprächen bitten     Montag 26.    Ordnungsamt führt zusammen mit der Polizeiinspektion (PDir. Heiko       Januar        Hüttmann und Stv. Meinke) in getrennten Sitzungen                                     "Kooperationsgespräche" mit beiden Anmeldern, um festzustellen, ob                    trotz räumlicher und zeitlicher Nähe ein friedlicher Ablauf der                       Veranstaltungen gewährleistet werden könne. Den Zweitanmeldern wird                   empfohlen, den Veranstaltungsort zu wechseln. Dies wird                               zurückgewiesen.                                                         Montag 26.    Bürgermeister und Polizeiinspektion beraten Ergebnisse der              Januar        Kooperationsgespräche. Das in Dresden ausgesprochene Verbot einer                     linken Gegendemonstration am vorausgegangenen Wochenende wird                         diskutiert. Hüttmann drängt auf eine Verlegung der                                    Gegendemonstration in einen anderen Stadtteil. Hansestadt lehnt ab,                   weil dies einem Verbot gleichkomme. Ergebnis: Keine Verbote von                       Veranstaltungen                                                         Dienstag      Ordnungsamt erhält gleichzeitig mit dem Innenministerium eine           27. Januar    ergänzende Lagebeurteilung von der Polizeiinspektion. Ergebnis:                       Gefahr geht von der linken Demonstration aus, nicht von der rechten.                  Da Ausschreitungen von Links zu erwarten seien, wird empfohlen, die                   Gegenkundgebung in Moisling zu verbieten und sie in die Innenstadt                    zu verlegen.                                                            Dienstag      Innenministerium schließt sich der polizeilichen Einschätzung an und    27. Januar    erteilt die "dringende Empfehlung, die Versammlung des Lübecker                       Bündnisses von Auflagen abhängig zu machen, die zum Inhalt haben, daß                 · 1. die Kundgebung in einem anderen Stadtteil durchgeführt wird,                     der nicht an Lübeck-Moisling grenzt und                                               · 2. die Kundgebung in dem Zeitraum von 9 bis 11 Uhr durchzuführen."                  Die Bestätigung wird bis 28. Januar, 12 Uhr, erwartet.                  Dienstag      Bei einem Ortstermin in Moisling legen Ordnungsamt,                     27. Januar    Polizeiinspektion und der Anmelder Dieter Kern von Bündnis Rechts                     für Lübeck eine veränderte "Aufzugroute" fest. Sammelpunkt ist jetzt                  "Am Pennmoor". Die Hauptkundgebung soll auf einer Grünfläche                          zwischen Schneewittchenweg und Rumpelstilzchenweg stattfinden.                        Anmelder erhält entsprechenden Auflagenbescheid.                        Mittwoch      Bürgermeister versucht sich im Gespräch mit den Anmeldern der           28. Januar    Gegenkundgebung eine Gefahreneinschätzung zu verschaffen.               Mittwoch      Bürgermeister und Rechtsamt telefonieren mit Staatssekretär Wegener     28. Januar    im Innenministerium in Kiel und teilen mit, daß von einer Verlegung                   der Demonstration des SPD-Bündnisses zunächst abgesehen werde.          18.07 Uhr     Beim Ordnungsamt geht ein Fax aus Kiel ein. Inhalt: Für die Anmelder                  sei ein Auflagenbescheid zu erlassen, der der ursprünglichen                          Anmeldung entspricht. "Etwaige weitere Maßnahmen" seien von der "                     "polizeilichen Erkenntnislage" abhängig zu machen. Die                                Versammlungsbehörde (Ordnungsamt) wird angewiesen, sich am Freitag,                   30. Januar, bis mindestens 18 Uhr verfügbar zu halten.                  Donnerstag    Ordnungsamt erteilt den Anmeldern der Links-Demonstration den           29. Januar    vorgenannten Auflagenbescheid.                                          Freitag 30.   Innenministerium sagt erstmals Unterstützung für ein Verbot der         Januar        "Bündnis Rechts"--Demonstration zu und kündigt dazu ergänzende                        Informationen an. Diese gehen um 15.02 Uhr per Fax  beim Ordnungsamt                  ein. Darin enthalten sind für das Ordnungsamt zwei neue                               Informationen:                                                                        · 1. Nach Aussage eines Mitglieds der Lübecker Rechtsradikalenszene                   werde die Demonstration von Hamburg aus organisiert und lasse                         Gewalthandlungen erwarten. Diese Information sei bei der                              Polizeiinspektion Lübeck am 23. Januar fernmündlich eingegangen.                      · 2. Es handele sich nach Einschätzung des LKA vom 20. Januar                         keineswegs um eine Lübecker Wahlveranstaltung, sondern um einen                       bundesweiten Aufmarsch von Rechtsextremisten. Beide Informationen,                    1. und 2., wurden der Hansestadt Lübeck bis zu diesem Zeitpunkt                       vorenthalten.                                                           17.12 Uhr     Ordnungsamt übermittelt per Fax Verbotsverfügung an das "Bündnis                      Rechts für Lübeck". Sie geht zeitgleich an den Innenminister, die                     Polizeiinspektion und das Verwaltungsgericht in Schleswig. 18 Uhr                     versendet das Presse- und Informationsamt eine entsprechende                          Pressemitteilung unter der Überschrift Versammlung von "Bündnis                       Rechts" in Lübeck verboten. Rechtsamt teilt dem zuständigen Richter                   in Schleswig mit, daß das Ordnungsamt am Demonstrationstag, 31.                       Januar, ab 8 Uhr bei der Polizeiinspektion zu erreichen sei. Zwei                     Telefon- und zwei Faxnummern der Polizeiinspektion werden dem                         Verwaltungsgericht vom Rechtsamt aufgegeben. Eine Kontaktaufnahme                     über die Zentrale der Polizei oder das Faxgerät ist jederzeit                         möglich. Von der Faxmöglichkeit wird am Sonnabend, 31. Januar gegen                   13 Uhr Gebrauch gemacht.                                                Sonnabend     8.00 Uhr Bürgermeister übernimmt die Befugnisse als                     31. Januar    Versammlungsbehörde, um eine unmittelbare Kooperation mit der                         Polizei auf höchster Ebene sicherzustellen                              12.00 Uhr     Die Demonstration des SPD-Bündnisses endet ohne Zwischenfälle.          13.00 Uhr     Das Verwaltungsgericht hebt das Verbot der Kundgebung "Bündnis                        Rechts" auf                                                             15.43 Uhr     Rund 150 Teilnehmer der Kundgebung "Bündnis Rechts" treffen                           verspätet mit drei Bussen von Hamburg-Stapelfeld  kommend unter                       Polizeigeleit "Am Pennmoor" ein. Bürgermeister begrenzt nach                          Beratung mit dem Einsatzleiter die Dauer der Kundgebung auf 16.45                     Uhr.                                                                    16.45 Uhr     Bürgermeister verbietet nach Abstimmung mit dem Einsatzleiter aus                     Gründen der Gefahrenabwehr den geplanten Aufzug des "Bündnis Rechts"                  durch Moisling. Die Kundgebung wird für beendet erklärt.                17.12 Uhr     Die Demonstranten besteigen die Busse und entfernen sich unter                        Polizeischutz.                                                          18.00 Uhr     Pressekonferenz der Polizeidirektion mit Heiko Hüttmann im                            Polizeipräsidium. +++