Am 27. Februar 2025 hat die Lübecker Bürgerschaft die kommunale Wärme- und Kälteplanung (KWP) als Grundlage für die Wärmewende in Lübeck beschlossen (VO/2024/13808). Bis zum Sommer sollten die folgenden Konkretisierungen erarbeitet werden (VO/13808-03):
Stadtwerke Lübeck Energie GmbH: „Zeitplan für bereits bestehende Transformations- und Ausbauplanungen der Wärmenetze sowie eine Priorisierung der in der KWP genannten Fernwärmeeignungsgebiete nach aussagekräftigen Kriterien“
Stadtverwaltung: rechtssicheres Konzept, welches sicherstellt, dass die zukünftig zu errichtenden Fernwärmenetze eine für die Bürgerinnen und Bürger dauerhaft wirtschaftlich attraktive Lösung darstellen. In diesem Konzept soll unter Berücksichtigung der finanziellen und organisatorischen Leistungsfähigkeit der Stadtwerke geprüft werden, welche Maßnahmen erforderlich und möglich sind, um die Realisierung der netzgebundenen Wärmewende sicherzustellen.
Die Stadtwerke Lübeck-Energie GmbH haben der Stadtverwaltung am 7. Juli das in der Anlage 1 befindliche Gutachten zur Verfügung gestellt. Nach Auswertung der Unterlagen wurde deutlich, dass hier noch keine konkrete Benennung und zeitliche Einordnung der Planungsschritte und der erforderlichen Baumaßnahmen vorgenommen wurde („Masterplan“). Die wichtigsten Ergebnisse sind unter Punkt 1. kurz zusammengefasst.
Insoweit fehlen im Gutachten u.a. maßgebliche Eingangsgrößen für das von der Politik erbetenes „rechtssicheres Konzept“. Daher wird mit dieser Berichtsvorlage zunächst ein Zwischenbericht zu den bisherigen Überlegungen hierzu vorgelegt, der auf den aktuellen Kenntnistand aufsetzt (vgl. Pkt. 2). Diese fokussiert sich zunächst auf die Entwicklung möglicher Verfahrensschritte, mittels welcher ein Fernwärmeausbau stufenweise gelingen kann. Weiterhin wird auf Grenzen und Möglichkeiten bzgl. der Themenstellung zur Rechtssicherheit eingegangen.
Ein nächster Fortschrittsbericht wird im Rahmen der jährlichen Berichterstattung zur kommunalen Wärmeplanung (VO/2024/13808; Beschlusspunkt 4) im Februar 2026 vorgelegt, der die hier vorgestellten Inhalte weiterentwickelt. Da die kommunale Wärmeplanung mit vielen Unwägbarkeiten umgehen muss (Land, Bund, EU), kann es ein abschließend rechtssicheres Konzept im engeren Sinne auch dann nicht geben. Vielmehr handelt es sich um eine stufenweise Konkretisierung, die aufzeigt, wie und wann die Entscheidungen zum Fernwärmeausbau gefällt werden.
- SWL-Energie-Gutachten: Zeitplan u. Priorisierung im Fernwärmeausbau
In einem mehrstufigen Prozess wurden die Fernwärmeeignungsgebiete des KWP in drei Kategorien aufgeteilt.
- Priorität 1-Gebiete: kurzfristiger Ausbau und Dekarbonisierung der Fernwärme - hauptsächlich Bestandsnetze inklusive Erweiterungen. Hier wurden bzw. werden öffentlich geförderte Transformationspläne zur Realisierung erstellt. (ca. 31 % der Fläche der FW-Eignungsgebiete KWP)
- Priorität 2-Gebiete: grundsätzlich als sinnvoll erachtete zukünftige Fernwärmegebiete. Hier werden in der Regel öffentlich geförderte Machbarkeitsstudien bis Ende 2026 zur Prüfung der Eignung erstellt. (ca. 32 % der Fläche der FW-Eignungsgebiete KWP) Es gibt eine Unterscheidung nach Ausbaugebieten (zeitliche Einordnung der Umsetzung grob erfolgt) und Potenzialgebieten (noch offene Zeitplanung).
- Ausschlussgebiete: aufgrund von intern entwickelten Kriterien wird keine Ausbauplanung erfolgen (ca. 37% der Fläche der FW-Eignungsgebiete KWP)
Weitere Informationen sind der Anlage 1 zu entnehmen.
Die folgenden, wesentlichen Informationsgrundlagen, die u.a. als maßgebliche Grundlage für ein rechtsicheres Konzept benötigt werden, sind nicht Teil des Gutachtens:
- Ein Zeitplan für die Umsetzung der bereits bestehenden Transformations- und Ausbauplanungen (siehe VO/2024-13808 – Beschlusspunkt 3)
- Die Darstellung der finanziellen und organisatorischen Leistungsfähigkeit der Stadtwerke (siehe VO/2024/13808-3; Beschlusspunkt 8)
- Die Kriterien, welche jeweils zu der Einstufung der Eignungsflächen in eine der drei Kategorien führten (Transparenz)
- Eine überschlägige Umsetzungsplanung bis zum Erreichen der Klimaneutralität für die Fernwärme.
- Rechtssicheres Konzept für die netzgebundene Wärmewende
Grundsätzlich ist zu definieren, was ein rechtsicheres Konzept in welcher Detailierungstiefe leisten kann und was nicht. In einem ersten Ansatz wird dies im Sinne des Gemeinwohles dahingehend interpretiert, dass dieses Konzept den aus Bürgersicht wirtschaftlich attraktiven und zuverlässigen Ausbau der Fernwärme in Lübeck aufzeigt. Hierfür sind insbesondere folgende Ziele maßgeblich:
Fernwärme wird im Wesentlichen dort angeboten, wo sie preislich günstiger ist als dezentrale Lösungen (siehe auch Vorlage)
Fernwärme wird darüber hinaus dort angeboten, wo dezentrale Lösungen aus stadtgestalterischen Gründen (z.B. Denkmalschutz, Platznot) nicht realisierbar sind.
Für den Ausbau der Fernwärme wird– bezogen auf den späteren Fernwärmepreis – die kostengünstigste Variante umgesetzt.
2.1 abgestuftes Vorgehen für die verschiedenen Gebietskategorien
Für das von der Bürgerschaft erbetene, rechtssichere Konzept ist nun entscheidend, dass die Ziele nachvollziehbar und transparent verfolgt werden. Im Folgenden wird eine aus Sicht der Klimaleitstelle (KLS) transparente und übersichtliche Vorgehensweise vorgeschlagen. Diese baut auf dem vorliegenden Gutachten der SWL-Energie auf und nennt unterschiedliche Arbeitsschritte für die drei Kategorien.
- Ausbau und Dekarbonisierung der Fernwärme wird durch die SWL-Energie umgesetzt.
- Das aktuell verwendete Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung der quartiersbezogenen Transformationsstudien wird bezüglich der oben genannten Ziele überprüft und ggf. erweitert (z.B. Wirtschaftlichkeit/Wärmepreis für Kund:innen im Zeitverlauf, Zeitplan mit Abschätzung der Schritte für die Umsetzung).
- Eine Beteiligung der Stadtverwaltung (Scoping-Termin und Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Entwürfen der Leistungsverzeichnisse) wird installiert um Belange einzuspeisen und notwendige Abstimmungsprozesse auch mit den für die vorbereitende Planung und bauliche Umsetzung Verantwortlichen frühzeitig sicherzustellen.
- Zur Transparenz wird der wissenschaftliche Beirat über die Inhalte und Ergebnisse (Umsetzungs- und Zeitplanung) auf dem Laufenden gehalten (Modul 1 gemäß BEW).
- In quartiersbezogenen Machbarkeitsstudien wird jeweils eine überschlägige Null-Variante (dezentrale Versorgung) für den Fernwärmeausbau mitbeauftragt um zu ermitteln, ob ein Wärmenetz für Kund:innen günstiger ist als die dezentrale Versorgung.
- Das aktuell verwendete Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung der Machbarkeitsstudien wird bezüglich oben genannter Ziele überprüft und ggf. erweitert (z.B. zusätzliche Eigenschaften des Zielbildes für das Wärmenetz).
- Eine Beteiligung der Stadtverwaltung (Scoping-Termin und Möglichkeit zur Stellungnahme) wird installiert um Belange einzuspeisen und notwendige Abstimmungsprozesse auch mit den für die bauliche Umsetzung Verantwortlichen frühzeitig sicherzustellen.
- Zur Transparenz wird der wissenschaftliche Beirat über die Inhalte und Ergebnisse (Umsetzungs- und Zeitplanung) auf dem Laufenden gehalten (Modul 1 gemäß BEW)
- Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudien werden für die Politik offengelegt und dienen als Basis für die Entscheidung für oder gegen ein Wärmenetz.
- Die Kriterien für den Ausschluss der jeweiligen Gebiete werden offengelegt um sicherzustellen, dass dieses mit den o.g. Zielen übereinstimmt (Transparenz).
- Die Klimaleitstelle prüft, ob für Wohn-und Gewerbegebiete jeweils angepasste Quartierskonzepte oder Nachbarschaftslösungen für diese Gebiete sinnvoll erscheinen.
- Falls private Wärmenetzanbieter zentrale Versorgungslösungen anbieten, wird die HL – zum Beispiel durch Konzessionsverträge – sicherstellen, dass die oben genannten Ziele auch in diesen Fällen zur Anwendung kommen.
2.2 Grundlegende Maßnahmen für die Umsetzung
2.2.1 Zusammenarbeit der Akteur:innen
Für das fachliche Gelingen der leitungsgebundenen Wärmewende gibt es eine Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Bereichen der Stadtverwaltung und den Energieversorgern. Während erstere die Wärmeplanung koordinieren und mit Maßnahmen unterstützen, sind letztere für den Ausbau des Wärmenetzes inklusive der Umsetzungsplanung verantwortlich. Bei der netzgebundenen Wärmewende sind ein klares Rollenverständnis und eine eng abgestimmte konstruktive, vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Akteur:innen grundlegend.
Folgende Arbeitsformate sind eingerichtet und werden in einen strukturierten Ablauf und zum gegenseitigen Informationsaustausch eingebunden:
Stadtinterne AG Wärmewende (koordiniert von KLS)
Die kommunalen Handlungsfelder werden koordiniert und Verantwortlichkeiten festgelegt.
Koordinierungsgruppe Wärmewende SWL-Energie und KLS (gemeinsame Koordination)
Als Schnittstelle zwischen Verwaltung und Stadtwerken Lübeck gibt es für strategische Aufgaben und Einzelmaßnahmen einen regelmäßigen Austausch auf kurzem Weg. Eine Einbindung der an der baulichen Umsetzung beteiligten Bereiche der Verwaltung ist bei fortschreitender Konkretisierung der Planungen vorgesehen.
Koordinierungsgruppe für „Großprojekte“ (koordiniert von Stabsstelle Verkehrsfluss und Geoservices (VeGeS))
Die Leitstelle Verkehrsflussmanagement ist federführend aktiv, um die „verschränkte Planung“ im Straßenraum zu koordinieren.
2.2.2 Grundlegende fachliche Maßnahmen der Verwaltung für das Gelingen
Folgende grundlegende Maßnahmen der Stadtverwaltung werden empfohlen bzw. sind teilweise bereits in der Umsetzung, um den Fernwärmeausbau so effizient wie möglich zu gestalten. Dabei ist eine besonders enge Zusammenarbeit wichtig, um dem Zeitplan (insbesondere Einstellung der Zeitspannen der jeweils erforderlichen Einzelschritte) sowie der zeitlichen Abstimmung mit anderen Baumaßnahmen gerecht werden zu können. Im Anhang A sind die Maßnahmen detaillierter erläutert.
a) Flächensicherung und multifunktionale Flächennutzung vorbereiten
b) Schaffung des ggf. erforderlichen Planungsrechts
c) Verkehrsflussmanagement durch verschränkte Planung koordinieren
d) Verfahren verschlanken
e) Regulierungen überprüfen
f) Gestaltungsspielraum von Vertragswerken ausnutzen
2.2.3 Transparenz als Grundlage für die Akzeptanz der Wärmewende
Transparenz nach Innen und Außen ist grundlegende Voraussetzung für das Gelingen der Wärmewende. Als Instrument für eine Kommunikation mit der Öffentlichkeit von aktuellen Planungsständen und Kartengrundlagen ist das smart-city-Portal der Stadtverwaltung für die Wärmewende eingerichtet. Für interne Abstimmungen und Planungen sowie für Baugenehmigungsverfahren wird die Software ROADS verwendet. Hier werden frühzeitig erste Planungsstände und fortlaufend Aktualisierungen eingepflegt, um die verschränkte Planung und das Verkehrsflussmanagement zu ermöglichen. Neue Informationen sollen jeweils zeitnah einpflegt werden. Vortragsveranstaltungen, Informationen und weitere Formate finden begleitend statt.
2.3 Wärmewende umsetzen bis 2040 (Ressourcen und Risiken)
Die erfolgreiche Umsetzung der Wärmewende in Lübeck ist durch die technische Komplexität und den Umfang der erforderlichen Baumaßnahmen sowie die kurze Zeitspanne erheblichen Risiken ausgesetzt. Ein maßgeblicher Bestandteil eines rechtssicheren Verfahrens ist die Identifikation und die differenzierte Benennung von Risiken sowie die Definition von Maßnahmen zur Analyse des Fortschritts und erforderlicher Korrekturen. So kann auch z.B. bei sich ändernden Sach- oder Rechtslagen die Handlungsfähigkeit sichergestellt werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Risiken benannt und Gegenmaßnahmen vorgeschlagen:
Kurzer Umsetzungszeitraum: Ende kommenden Jahres wird eine konkrete Umsetzungsplanung für die Gesamtstadt durch die Stadtwerke vorgelegt. Durch die Fortschreibung des KWP mit einem Fokus auf das Monitoring der Maßnahmen wird die Einhaltung des Umsetzungsfahrplans erkennbar und ggf. ein Nachsteuern möglich.
Für wiederkehrende Aufgaben (z.B. Baugenehmigung für FW-Kreuzungsquerung) werden Zeitvorgaben zur Erfüllung festgelegt und nachverfolgt. Die Verfahren werden durch die o.g. Arbeits- und Koordinierungsgruppen soweit möglich verschlankt und Zeitverzüge durch Benennung jeweils eines Ansprechpartners vermindert.
Hohe Gleichzeitigkeit der Maßnahmen: Der Ausbau des Wärmenetzes fällt in eine Zeit weiterer großer Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Sanierung Brücken, Trennsystem Abwasser). Die Koordinierungsgruppe Großprojekte stellt die Umsetzbarkeit der Projekte bei Aufrechterhaltung des Verkehrsflusses sicher.
Hoher Investitionsbedarf: Notwendige Voraussetzungen für die Umsetzung sind eine ausreichende Kapitalausstattung und/oder eine Fördermittelzusage für alle anstehenden Investitionen bis zum Erreichen der o.g. Ziele. Deshalb priorisieren die Stadtwerke Lübeck die Umsetzung der Wärmewende - Investitionen z.B. in Photovoltaik-Projekte außerhalb des Stadtgebiets oder anderweitige externe Projekte sollten hingegen nur unter dem Nachweis der Sachdienlichkeit erfolgen.
Hoher Personalbedarf: Als Teil des Umsetzungsfahrplans wird der erforderliche Personalbedarf bei den Stadtwerken und der Stadtverwaltung zeitnah definiert und die notwendigen Stellenbesetzungen zügig eingeleitet. Die eingesetzten Arbeitsgruppen berichten zeitnah, wenn die zur Verfügung gestellten Ressourcen nicht ausreichen und stellen Konsequenzen bzw. Alternativen vor.
Zusammenfassend zeigen die Darstellungen des vorliegenden Zwischenberichtes erneut, in welchem komplexen Spannungsfeld sich die Gestaltung der kommunalen Wärmeplanung befindet. Eine klare Rollenverteilung, enge Abstimmungsprozesse und ein einheitliches Verständnis des Gesamtprojektes als gemeinschaftliche Aufgabe aller Beteiligten sind hier, auch im Hinblick auf Rechtssicherheit, unerlässliche Voraussetzungen.