Seit Jahrzenten ist der o. a. Kreisverkehr ein Unfallschwerpunkt an allen seinen Zufahrten – vorwiegend in der Konfliktsituation Radfahrende/Pkw, was auch den jährlich herausgegebenen Verkehrssicherheitsberichten der Polizei zu entnehmen ist.
Unfallstellen-Auswertung Hansestadt Lübeck
Mühlentorplatz 01.01.2017 bis 14.06.2022 (Zuarbeit Polizeidirektion)
insgesamt 188 polizeilich registrierte Verkehrsunfälle
- 111 aufgenommen
- 77 aufnahmefreie Verkehrsunfälle (ohne Personenschaden)
bei 92 Verkehrsunfällen mit Personenschaden wurden
- 4 Verkehrsteilnehmende schwer
- 101 Verkehrsteilnehmende leicht verletzt
- davon verunglückten 77 Radfahrer:innen
Häufigste Unfallursachen:
- 54 x Fehler beim Herausfahren aus dem Verkehrsverteiler (Typ: Abbiegen)
- 38 x Fehler beim Einfahren in den Verkehrsverteiler (Typ: Einbiegen/Kreuzen)
98 Verkehrsunfälle wurden von PKW-Fahrer:innen verursacht.
Somit werden durchschnittlich 20 Unfälle/Jahr polizeilich aufgenommen, wovon zehn Unfälle gleichen Typs registriert werden.
Gemäß Merkblatt zur Örtlichen Unfalluntersuchung in Unfallkommissionen wird eine Unfallhäufungsstelle (innerorts an Knotenpunkten) deklariert, wenn in einem Jahr fünf Unfälle vom gleichen Typ festgestellt wurden.
In Schleswig-Holstein gilt der Grenzwert für eine Unfallhäufungsstelle, gemäß Ministeriumserlass, von drei Unfällen gleichen Typs. Dieser Wert ist am Mühlentorplatz deutlich überschritten. Im Rahmen der Unfallkommission wird seit Jahren von der Fachaufsicht der Straßenverkehrsbehörde, dem Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein dringender Handlungsbedarf angemahnt.
Die zwischenzeitlich eingerichtete Interimslösung hat nach ersten polizeilichen Erkenntnissen zu einer Verringerung (zehn Unfälle, davon fünf Unfälle gleichen Typs seit 01.11.2023 bis 16.09.2024) geführt. Zudem hat sich das Sicherheitsgefühl insbesondere beim Fahrzeugverkehr in Bezug auf die Wahrnehmung des Radverkehrs im Kreisverkehr verstärkt.
Der Mühlentorplatz wird stark von Schüler:innenverkehren frequentiert und ist daher insbesondere in Bezug auf die Schulwegsicherung zu betrachten.
Es wurde eine Verkehrsuntersuchung in Auftrag gegeben, die, vor allem im Hinblick auf die Verkehrssicherheit, Vorschläge zum Umbau des Kreisverkehrsplatzes erarbeiten sollte.
Folgende Varianten wurden näher betrachtet:
- Variante 1: (Regelkonformer) Kreisverkehr,
- Variante 2: Kreuzungsknotenpunkt mit Lichtsignalanlage
- Variante 3: Über-/bzw. Unterführung
Nachfolgend werden die Varianten 1 bis 3 kurz vorgestellt und hinsichtlich Verkehrssicherung, Leistungsfähigkeit und Machbarkeit eingeordnet.
- Variante 1 (Regelkonformer) Kreisverkehr
In Variante 1 wurde ein regelkonformer Kreisverkehr mit einstreifigen Kfz Ein- und Ausfahrten, einer einstreifigen Kreisfahrbahn und der Führung des Radverkehrs auf einer gesonderten Radverkehrsanlage sowie abgesetzten Furten für den Rad- und Fußverkehr untersucht.
Die Führung des Radverkehrs auf übergeordneten Furten (Radverkehr hat Vorrang) wird in allen Untersuchungen zu dem Thema als unsicherste Führungsform für Kreisverkehre ausgewiesen. Dies war bei dem hohen Radverkehrsanteil, insbesondere von Schüler: innen entscheidend mit zu betrachten.
Auch im Hinblick auf die Unfallentwicklung nach Herstellung des Interimszustandes, kann ein regelkonformer Kreisverkehr unter den gegebenen Randbedingungen (hoher Radverkehrsanteil) nicht als verkehrssichere Lösung betrachtet werden.
Im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit ergibt sich eine sog. Qualitätsstufe E*. Hierbei sind die Querenden über die jeweiligen Ausfahrten nicht berücksichtigt. Unter Berücksichtigung dieser Ströme verschlechtert sich die Qualitätsstufe hin zu E-F. Zur Verbesserung der Qualitätsstufe wird die Anlage von Anlage von (zwei) zusätzlichen Bypässen empfohlen, die jedoch nur bei einem Neubau der Mühlentorbrücke möglich gewesen wären. Ein Brückenneubau ist jedoch nicht entschieden worden.
Für einen signalisierten Kreisverkehr ist die Fläche des Kreisels zu gering (keine Möglichkeit zur Aufstellung von Fahrzeugen innerhalb der Kreisfahrbahn). Weiterhin sind bei dem zeitweise auftretenden hohen Radverkehrsaufkommen die zur Verfügung stehenden Warteflächen für notwendige Verkehrsinseln zu gering

Variante 1 (Regelkonformer) Kreisverkehr mit einem Bypass
- Variante 2 Kreuzungsknotenpunkt mit Lichtsignalanlage
In Variante 2 wurde der Umbau des bisherigen Kreisverkehrs zu einem Kreuzungsknotenpunkt mit Lichtsignalanlage untersucht. Der Radverkehr wird wie bisher auf Radwegen zum Knotenpunkt geführt und quert die Knotenarme, wie der Fußverkehr, über signalisierte Furten. Die Signalisierung wurde zugunsten einer möglichst sicheren Führung der querenden Fußgänger- bzw. Radverkehrsströme ausgearbeitet.
Die Freigabezeit (Grünzeit) der rechtsab- bzw. einbiegenden Kfz soll weitestgehend getrennt vom parallelen Fuß- und Radverkehr erfolgen, auch wenn dies zu Lasten der Leistungsfähigkeit erfolgt.
Die Verkehrssicherheit für den Fuß- und Radverkehr wird gegenüber dem Bestand deutlich erhöht. Der Konflikt zwischen rechts ab- bzw. einbiegenden Kfz und dem Fuß- und Radverkehr wird durch die weitestgehend getrennte Freigabe vermieden. Die Wartezeiten für den Fuß- und Radverkehr sind notwendiger Weise höher als im Bestand.
Die Lichtsignalanlage kann mit dem Knotenpunkt (KP) Mühlenstraße / Wallstraße koordiniert betrieben werden. Um evtl. Rückstau bis zu diesem KP zu vermeiden kann der Zufluss aus der Wallstraße entsprechend reguliert werden (Pförtnerampel).
Die Qualität des Verkehrsablaufs wird gemäß HBS** 2015 mit „E“ (Berechnung der Festzeitsteuerung für die Spitzenstunde) auf Grundlage der Verkehrserhebung von 2020 angegeben. Tatsächlich stellt sich in der Regel in der verkehrsabhängigen Steuerung ein besserer Ablauf ein. Unter Berücksichtigung einer aktuelleren Verkehrserhebung aus dem Jahr 2024 hat sich der Verkehr etwas verringert und es wird insgesamt die Qualitätsstufe „D“ erreicht.
* Qualitätsstufen des Verkehrsablaufes: Es gibt die Stufen A bis F. A ist die beste und F die schlechteste Stufe. Gemäß Einführungserlass zum HBS (Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 14/2015) soll im Neu-, Um- und Ausbau, mindestens die Qualitätsstufe des Verkehrsablaufes (QSV) D erreicht werden. Sollte bei der Planung eines Neubauvorhabens eine QSV besser als D erreicht werden, so ist nachzuweisen, dass bei einer sparsameren Variante die QSV D nicht erreicht wird.
** HBS: Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen

Variante 2: Kreuzungsknotenpunkt mit Lichtsignalanlage
- Modifizierte Variante 2 Kreuzungsknotenpunkt mit Lichtsignalanlage und Erweiterung einer Zu- und Abfahrt
Um die Leistungsfähigkeit der Variante 2 für den Kfz-Verkehr zu erhöhen könnte die Zufahrt Kronsforder Allee und daraus folgend die Abfahrt Hüxtertorallee um jeweils einen Fahrstreifen erweitert werden.
Das bedingt aber einen erheblichen Eingriff in den Baumbestand. Gegenüber der vorgestellten Variante 2, in der 3 Bäume gefällt werden müssten, ist für die modifizierte Variante 2 die Fällung von ca. 16 Bäumen notwendig.

Modifizierte Variante 2: Kreuzungsknotenpunkt mit Lichtsignalanlage
Die umfangreiche Fällung von Bäumen, auch in Bereichen, die als Allee ausgewiesen werden, sollte auch in Abstimmung mit dem Bereich UNV (Abt. 2 Naturschutz, Landschaftsplanung und Immissionsschutz) nicht weiterverfolgt werden. Eine Zustimmung zur modifizierten Variante 2 liegt seitens der UNV daher nicht vor.
- Variante 3 Über- bzw. Unterführung
In der Variante 3, einer planfreien Lösung (zwei Ebenen), wird der Fuß- und Radverkehr getrennt vom Kfz-Verkehr auf einer zweiten Ebene geführt. Wobei die Führung auf beiden Ebene jeweils mit einem Kreisverkehr erfolgen könnte. Es sind Rampen erforderlich, um den Fuß- und Radverkehr auf der „höheren“ Ebene zu führen.
Die Neigungen müssten so ausgebildet sein, dass auch mobilitätseingeschränkte Personen diese nutzen könnten. Somit ergibt sich durch das vom Fuß- und Radverkehr zu nutzende Brückenbauwerk und die erforderlichen Rampenlängen eine Verlagerung des Knotenpunktes in Richtung Süden. Auch mit dieser Verlagerung können die erforderlichen Neigungen nur im Maximalbereich eingehalten werden. Umliegende Grundstücke würden teilweise nicht mehr erreicht werden, auch die Stresemannstraße müsste ggf. zur Sackgasse ausgebildet werden.
Daher wurde Variante 3 auf Grund erheblicher Flächenkonflikte und der ungünstigen Neigungen verworfen. Auch erhebliche Eingriffe in den Baumbestand wären notwendig.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Verkehrssicherheit durch die Trennung des Fuß- und Radverkehrs vom Kfz-Verkehr von einer sehr sicheren Führung ausgegangen werden kann.
Die Leistungsfähigkeit wird mit Qualitätsstufe „C“ ausgewiesen.

Variante 3: Über- bzw. Unterführung
Fazit
Im Ergebnis der Verkehrsuntersuchung ist festzustellen, dass die Variante 2 „Lichtsignalanlage (LSA)“ unter den priorisierten Aspekt der Verkehrssicherheit (u.a. Schulwegsicherung) die optimalste Lösung darstellt.
Die Varianten wurden auch mit der Fachaufsicht der Straßenverkehrsbehörde, der Polizei und den Stadtwerken Lübeck Mobil GmbH (SWLM) erörtert und es wurde Variante 2 als Vorzugsvariante zugestimmt.
Zeitplan
Eine bauliche Umsetzung ist bevorzugt im Zuge der Brückensanierung (vorgesehen 2026-2027) geplant. In diesem Zeitraum ist die Verkehrsbelastung am Mühlentorplatz durch die Umleitungsführung über den Berliner Platz voraussichtlich geringer und es müssen nicht alle Verkehrsbeziehungen aufrechterhalten werden (Ratzeburger Allee kann über den Knoten Ratzeburger Allee / Wallbrechtstraße und über den Berliner Platz umgeleitet werden).
Finanzierung
Kostenseitig wird der Knotenumbau gemäß vorliegender Vorplanung mit 2,3 Mio. € (brutto) beziffert. Unter der Berücksichtigung von möglichen Kostensteigerungen und eine Kostenvarianz auf Grund der Komplexität der Maßnahme werden 3 Mio. € geschätzt. Die HH-Mittel sind auf dem Sachkonto 7852000 geordnet. Die Einwerbung von Fördermitteln wird geprüft.
Empfehlung
Der Bereich Stadtgrün und Verkehr empfiehlt, die beschriebene Vorzugsvariante (Variante 2) zur weiteren Planungsbearbeitung / Umsetzung zu beschließen. Die Fachaufsicht der Straßenverkehrsbehörde erwartet, dass die Hansestadt Lübeck zeitnah bei diesem Unfallschwerpunkt handelt.