Mit Schreiben des Amtsgerichts Kiel vom 16.11.2020 wurden die Lübecker Museen darüber informiert, dass der im Oktober 2020 überraschend verstorbene Sammler Bernd Muhlack aus Kiel in seinem Testament vom 8. Juni 2020 die Hansestadt Lübeck als Vermächtnisnehmerin für seine Afrika-Sammlung eingesetzt hat.
Die Sammlung umfasst rund 2.570 Objekte, die konservativen Schätzungen zufolge einen Gesamtwert von mindestens 10 Mio. Euro haben.
Die Hansestadt Lübeck | Völkerkundesammlung ist in dem Testament nicht als Erbin, sondern als Vermächtnisnehmerin eingesetzt. Alleinerbe ist der Förderverein des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein e.V., der das Erbe annehmen wird. An die Annahme des Vermächtnisses sind keine weiteren Bedingungen geknüpft. Die Erfüllung des Vermächtnisses obliegt dem Testamentsvollstrecker, dem lt. Testament das Bestimmungsrecht über den Umfang des Vermächtnisses zusteht. Die dafür notwendige Entscheidung, welche Objekte der Afrika-Sammlung zuzuordnen und folglich der Völkerkundesammlung zu vermachen sind, hat der Testamentsvollstrecker bereits getroffen. Eine entsprechende Bestandsübersicht ist als Anlage 1 beigefügt.
Mit der Annahme des Testaments sind keine außerordentlichen finanziellen Folgewirkungen verbunden. Die Kosten für den Transport der Sammlung können die Lübecker Museen aus Drittmitteln finanzieren. Für die Lagerung der Objekte können in den Räumlichkeiten des Zeughauses die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Die Verwaltung der Sammlung ist durch das bestehende Personal gewährleistet. Die Inventarisierung, Erschließung und Erforschung der Objekte soll wie üblich über drittmittelfinanzierte Projekte erfolgen.
Die Provenienz der Objekte ist unbedenklich. Herr Muhlack genoss zeitlebens einen Ruf als ehrbarer Unternehmer und seine Objekte gelten als eine der bedeutendsten privaten Afrikasammlungen Deutschlands nach 1945. Da er seine Objekte ab den 1960er Jahren (also nach der Unabhängigkeit der betreffenden Staaten) im legalen Handel mit afrikanischen Geschäftspartnern erworben hat, steht seine Sammlung klar außerhalb der aktuellen Debatte um Kolonialismus und Raubgut. Rückbeförderungen für diese Stücke sind nicht zu erwarten. Dennoch wird selbstverständlich die Provenienz jedes einzelnen Objektes kritisch geprüft.
Was die Bedeutung der Sammlung anbelangt, dürfte klar sein, dass eine solche Sammlung nicht im Kunsthandel verschwinden darf, sondern als Übernahme in die öffentliche Hand der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollte, sei es in digitaler oder in analoger Form. Die Übergabe dieser Stücke an afrikanische Museen ist von Herrn Muhlack zu Lebzeiten verfolgt, aufgrund der Zustände in den betreffenden Ländern aber letztlich verworfen worden. Seine Hoffnung war es daher, die Sammlung in einem Museum in seiner Heimat Schleswig-Holstein für die Nachwelt bewahrt zu wissen.
Speziell für die Lübecker Völkerkundesammlung, die sich im Augenblick in einer Phase der Neukonzeption befindet, wäre die Übernahme einer so bedeutenden Sammlung ein wesentlicher Entwicklungsschub und ein positives Signal in die Öffentlichkeit. So ergibt sich mit diesem Erbe die Möglichkeit einer Aktualisierung der Sammlung und die Erschließung neuer Gruppen von Besucher:innen.
Der gegenwärtige Lübecker Afrikabestand stammt zu rund 80% aus der Zeit vor 1945, so dass es vergleichsweise schwierig ist, mit diesen Objekten auch aktuellere Themen zu behandeln. Zudem handelt es sich zu einem großen Teil um Gebrauchsgegenstände. Durch die Übernahme der Sammlung Muhlack böten sich vielfältige neue Möglichkeiten, aktuelle Themen von globalpolitischer Bedeutung anzusprechen. Aufgrund der hohen ästhetischen Qualität der Stücke eröffnet die Sammlung aber auch zahlreiche neue Optionen für eher künstlerisch orientierte Ausstellungen, auch in Kooperation mit den anderen Lübecker Museen sowie Kunst- und Kulturinstitutionen. Kostspielige Neuerwerbungen oder Leihgaben aus anderen Museen wären somit nicht länger erforderlich.
Eine Kunstsammlung von dieser Qualität bietet zudem reichliches Potenzial für neue Forschungsprojekte und internationale Kooperationen. Die Neuerschließung eines solchen Bestandes könnte z.T. in Kooperation mit Lübecker Bürger:innen mit afrikanischem Migrationshintergrund erfolgen. So wäre es möglich, einen kleineren Beitrag zur weiteren Profilierung der Hansestadt Lübeck als ein Zentrum der Forschung und ein Ort der Weltoffenheit zu leisten.
