Ausgangslage:
Das Europäische Hansemuseum (EHM) bildet mit dem Museum und der verbundenen Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums (FGHO) die größte Institution, die sich mit dem Thema Hanse beschäftigt. Das EHM erforscht und bewahrt das immaterielle Kulturgut de Hanse in Deutschland und Europa und stellt damit auf wissenschaftlicher Basis die Vermittlung der Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Hanse sicher. Es ist ein wichtiger Bildungs- und Lernort in der Hansestadt Lübeck, der die historische Bedeutung des Städtenetzwerkes lebendig hält und diese in den Kontext mit Fragestellungen in Verbindung mit dem Thema Hanse und Europa in der Gegenwart stellt.
Seit der Eröffnung des EHM vor nunmehr 10 Jahren hat sich das Museum erfolgreich entwickelt und konnte jüngst den millionsten Besucher begrüßen. Mit seiner außergewöhnlichen Dauerausstellung, dem Baudenkmal Burgkloster und den vielfältigen Sonderausstellungen und Veranstaltungen macht das Museum die Hanse für ein breites Publikum erlebbar und hat es innerhalb eines Jahrzehnts zu einem festen Bestandteil der europäischen Museumslandschaft entwickelt. Das EHM stärkt den Standort Lübeck und stellt eine bedeutende Bereicherung der Kulturlandschaft der Hansestadt Lübeck auch im Zusammenspiel mit den städtischen Museen und Bildungseinrichtungen dar.
Das Europäische Hansemuseum (EHM) ist auch ein Motor für die Lübecker Wirtschaft. So hat es in den zehn Jahren seit seiner Eröffnung eine kumulierte Wertschöpfung von 35,4 Millionen Euro in der Region erzeugt (ift Freizeit- und Tourismusberatung). Die Erhebung macht deutlich, dass Kultur nicht nur identitätsstiftend ist, sondern auch einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt. Rund 90 Prozent der Gäste des Hauses sind auswärtige Gäste, über 210.000 Tagesausflüge und mehr als 42.000 Übernachtungen sind direkt auf das EHM zurückzuführen. Alleinige Gesellschafterin der EHM ist aktuell die Possehl-Stiftung.
Für die Errichtung des Museums wurde der EHM eine Förderung in Höhe von 9,42 Mio. Euro aus dem »Zukunftsprogramm Wirtschaft« (EFRE-Mittel) bewilligt. Die Zweckbindung dieser Förderung ist auf die Dauer von 15 Jahren festgelegt. Gemäß Zuwendungsbescheid und den im Rahmen der Antragstellung und des Bewilligungsverfahrens abgegebenen Erklärungen ist die Possehl-Stiftung gegenüber dem Land u.a. verpflichtet,
- in den ersten 10 Jahren ab Eröffnung des Museums die Betriebsverluste auszugleichen, die sich nach Zahlung des städtischen Zuschusses für das Burgkloster in Höhe von 400.000 Euro ergeben;
- etwaige Rückzahlungsansprüche des Landes bei Nichteinhaltung der Mindestbetriebspflicht von 15 Jahren durch eine Bürgschaft von bis zu 3 Mio. Euro abzusichern;
- für die ersten 10 Jahre ab der Eröffnung mit mindestens 10 % Gesellschafterin der EHM zu bleiben.
Der Neubau des EHM wurde auf einem Grundstück der Hansestadt Lübeck (HL) errichtet, das zuvor mit Mitteln der Possehl-Stiftung durch die HL für die Errichtung des Museums erworben wurde. Die Überlassung des Grundstücks sowie des Burgklosterkomplexes (inkl. Beichthaus) ist in einem von der Bürgerschaft am 24.11.2011 beschlossenen und zwischen der HL und der EHM am 27.1./13.03.2012 geschlossenen Nießbrauchvertrag geregelt.
Neben der Nutzungsüberlassung als solcher werden in dem Nießbrauchvertrag auch die von der Bürgerschaft am 01.07.2010 (Drs. 620) beschlossenen Grundlagen der Zusammenarbeit weiter konkretisiert. Dazu gehört, dass die Hansestadt Lübeck mit einem Zuschuss i.H.v. max. 400.000 EUR jährlich das Betriebsergebnis ausgleicht (Kostenverlagerung aus der bisherigen Burgklosterfinanzierung) und dass der Kulturstiftung Beteiligungsrechte an der EHM durch die Übertragung von Gesellschaftsanteilen eingeräumt werden.
Unabhängig von der Beteiligungsform definiert der Vertrag folgende Punkte als Grundlage der Zusammenarbeit von HL und EHM:
- Gemeinsames Marketing wie Internetauftritt, Pressearbeit, Veranstaltungs-programme etc.
- Einheitliches Ticketsystem in allen Lübecker Museen
- Kostenloser Zugriff auf die Ausstellungsräume und die Technik im Obergeschoss des Burgklosters und im Beichthaus (z.B. 3 Ausstellungen pro Jahr sowie 2-3 Veranstaltungen im Monat)
- Teilnahme des EHM an der Museumsnacht und dem internationalen Museumstag.
Aktuelle Situation:
Im Jahr 2025 endet das 10. Betriebsjahr des Museums und damit die Verpflichtung der Possehl-Stiftung zum Ausgleich des Betriebskostendefizits. In weiteren fünf Jahren erlischt mit dem Ende der Zweckbindungsdauer auch die Bürgschaft der Possehl-Stiftung über die finanzielle Absicherung der Zweckbindung.
Mit Schreiben vom 14.10.2024 (Anlage 1) hat die Possehl-Stiftung gegenüber dem Bürgermeister nun ihre Bereitschaft erklärt, die Unterstützung der EHM über den Mindestförderzeitraum der insgesamt 15 Jahre hinaus für weitere 10 Jahre als Gesellschafterin fortzuführen – unter der Voraussetzung, dass die Gesellschaftersituation unverändert bleibt.
Die Hansestadt Lübeck begrüßt dieses Angebot, weil es die Kulturlandschaft in Lübeck nachhaltig stärkt weiterentwickelt. Auch aus wirtschaftlichen Gründen ist das Angebot der Possehl-Stiftung zu begrüßen: Unabhängig von den Fragen der Gesellschafterstruktur und der Zweckbindungsfrist bleibt die Pflicht der HL, einen jährlichen Betriebszuschuss von 400.000 Euro an die EHM zu zahlen, bestehen. Mit einer Übernahme von Mehrheitsanteilen an der EHM durch die Kulturstiftung und der Möglichkeit der Possehl-Stiftung, aus der Gesellschaft ganz auszusteigen, wäre zwischen den Gesellschaftern abzustimmen, wie mit den Verlusten der Gesellschaft umzugehen wäre. Dies kann dazu führen, dass auch die Kulturstiftung bzw. die Hansestadt Lübeck die Verluste der EHM (teilweise) ausgleichen müsste.
Zurzeit beläuft sich die jährliche Zuwendung der Possehl-Stiftung an die EHM für den Betrieb des Museums (ohne Sonderausstellungen) auf 3,75 Mio. Euro p.a. (2023, 2024). Dieser Zuschuss übertrifft inzwischen bei weitem die ursprünglichen Berechnungen des vor der Eröffnung des Museums aufgestellten Businessplans, der eine wesentliche Grundlage für die im Nießbrauchvertrag geregelte Beteiligung der Hansestadt Lübeck in Form einer Übertragung bzw. Übernahme von Mehrheitsanteilen an/durch die Kulturstiftung Hansestadt Lübeck darstellte. Nach damaligen Berechnungen hätte die Kulturstiftung als Hauptgesellschafterin das Risiko eines Betriebskostendefizits getragen, das gemäß 6-Jahres-Planung im Durchschnitt bei 416.526 Euro p.a. liegen sollte und somit dem Zuschuss für das Burgkloster entsprochen hätte.
Aufgrund der aktuellen Haushaltslage sind die HL und die Kulturstiftung daher bereit, für weitere 10 Jahre nach Ende der Zweckbindungsfrist, d.h. bis zum Ablauf des Jahres 2040, auf die Übertragung von Gesellschaftsanteilen zu verzichten. Mit diesem Verzicht geht zugleich der Verzicht der Hansestadt Lübeck auf das Kündigungsrecht gemäß § 10 f) des Nießbrauchvertrags einher, d.h. der Verzicht auf das Recht, die Nutzungsüberlassung zu beenden, wenn die Gesellschafterin der EHM die vereinbarte Form der Beteiligung gemäß des Nießbrauchvertrags nicht gewährt.
Da durch die Beibehaltung des Status Quo die Museumslandschaft in Lübeck weiterhin durch ein Miteinander privatrechtlich und öffentlich geführter Einrichtungen geprägt ist, ist es der HL jedoch ein wichtiges Anliegen, die Zusammenarbeit zwischen dem Hansemuseum und der Kulturstiftung weiter zu verbessern. Bislang findet ein regelmäßiger Austausch und eine gelegentliche projektbezogene Zusammenarbeit, z.B. bei der Museumsnacht, zwischen dem Museumsverbund der LÜBECKER MUSEEN und dem Europäischen Hansemuseum statt. Die Kulturstiftung und EHM/Possehl-Stiftung sind daher übereingekommen, die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit dem Ziel einer Verstärkung der aktuellen Zusammenarbeit erneut gemeinsam abzustimmen und die Ergebnisse in einer schriftlichen Kooperationsvereinbarung festzuhalten, die die Regelungen des Nießbrauchvertrages weiter konkretisiert und an die aktuellen Rahmenbedingungen anpasst.