Die Klimaleitstelle Lübeck wurde von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und dem Global Climate Forum e.V. Berlin angefragt, ob die Hansestadt Lübeck Interesse an der Mitarbeit in einem neuen europäischen Forschungsprojekt hat. Hierfür wird aktuell ein kommunaler Partner aus Deutschland gesucht. Dieser hat die Möglichkeit, bei zeitnaher Zusage im September ein sogenannter beneficiary partner zu werden und über das Projekt sowohl Personal- als auch Sachkosten in Höhe von insgesamt ca. 1,0 Mio. Euro für die Laufzeit von 4 Jahren zu beantragen (Förderquote 100 %). Aktuell sind für Lübeck ca. 400.000 € für Personalkosten und ca. 600.000 € als investive Mittel vorgesehen. Die Aufgabe kann von der Klimaleitstelle durch Umorganisation übernommen werden.
Der Antrag soll im September 2025 bei der EU eingereicht werden. Während des Sommers werden die Inhalte abgestimmt, Partner:innen ausgewählt und das Budget zusammengestellt.
Der Forschungsaufruf
Der geplante Antrag bezieht sich auf den europäischen Call "HORIZON-MISS-2025-01-CLIMA-03 – Demonstrating solutions to help hotspots in coastal regions to adapt to climate change“ im Rahmen der EU-Mission „Anpassung an den Klimawandel“. Der Aufruf richtet sich an regionale und lokale Behörden in europäischen Küstengebieten, die innovative Lösungen erproben und demonstrieren möchten. Folgende generelle Projektziele sollen im Rahmen des Projektes erreicht werden:
Erhöhung der Widerstandsfähigkeit besonders gefährdeter Küstenregionen Europas
Erprobung und Demonstration von innovativen Lösungen zur Anpassung an Klimarisiken wie Meeresspiegelanstieg, Küstenerosion und Überflutungen
Das Forschungs-Konsortium
Das Konsortium der Forschungspartner:innen setzt sich derzeit wie folgt zusammen:
• Spanien: Universität der Balearen (Lead) und Nationalparkverwaltung (Fallstudie: Mallorca)
• Deutschland: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Global Climate Forum Berlin e.V. und Hansestadt Lübeck (Fallstudie: Lübeck)
• Niederlande: HZ University of Applied Sciences und evtl. Rijkswaterstaat als (assoziierter) Partner (Fallstudie: Eastern Scheldt Bucht)
• Großbritannien: National Oceanography Centre, University of East Anglia und Bournemouth, Christchurch and Poole (BCP) Council (Fallstudie: Bournemouth)
Geplante Inhalte des Projektes mit Bezug zur Hansestadt Lübeck
Die HL plant, im Rahmen dieses Forschungsantrages folgende Arbeitspakete in das Projekt einzubringen:
den Bau und Einsatz von temporären Hochwasserschutzsystemen und/oder mobilen Schlauchdämmen mit Längen von ca. 200 – 400 m zum Schutz der öffentlichen Infra-struktur prüfen, umsetzen und testen. Infrage kämen hier bspw. die Kläranlage Priwall, Pumpwerke oder Verteilerkästen der Stadtwerke. Die Auswahl eines geeigneten Testbereichs und sinnvoller Maßnahmen wird zu Beginn des Projektes mit den relevanten Akteur:innen vor Ort konkretisiert und entschieden. Die Wirkungsweise der Schutzsysteme wird zusätzlich durch die Forschungspartner modelliert;
ein digitales Dashboard als Informationsplattform und Frühwarnsystem für die Hanse-stadt sowie deren Eigenbetriebe im Falle eines Küstenhochwassers für alle im Katastrophenschutz und Risikomanagement beteiligten Personen entwickeln und installieren. So können alle Beteiligten auf einheitliche Datengrundlagen zugreifen
bestehende Seegraswiesen vor dem Brodtener Steilufer ergänzen bzw. neue an geeig-neter Stelle pflanzen als Maßnahme des natürlichen Küstenschutzes.
Diese Arbeitspakete werden aktuell im Hinblick auf die Budgetplanung noch mit dem Konsortium abgestimmt. Für die Umsetzung der Arbeitspakete ist jeweils eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachabteilungen innerhalb der Hansestadt sowie bei der Ergänzung bzw. Pflanzung von Seegraswiesen mit dem Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein (MEKUN) bzw. dem Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH) notwendig. Die entsprechenden Ansprechpartner sind der Klimaleitstelle bekannt.
Dafür benötigt die Hansestadt Lübeck sowohl Personal- als auch Sachmittel in Höhe von ca. 1,0 Mio Euro zur Koordination und Umsetzung der Maßnahmen, die auf die spezifischen Bedürfnisse Lübecks zugeschnitten sind und die über das Projekt zu 100 % gefördert werden könnten. Die Aufgabe könnte von der Klimaleitstelle, Team „Klimaanpassung, Nachhaltigkeit und Bildung“ übernommen werden, da hiermit die Maßnahmen M11 „Gefahren durch Ostseehochwasser für bebaute Bereiche analysieren und eine Anpassungsstrategie entwickeln“ des Lübecker Klimaanpassungskonzeptes (vgl. VO/2020/09071) umgesetzt werden würde. Die Aufgabenübernahme würde durch eine Umorganisation innerhalb der Klimaleitstelle gewährleistet werden. Die Planstelle 7217 (ehemals A15, städt. Veterinärsdirektor:in, unbefristet) ist derzeit mit einer befristeten Projektstelle für das Projekt „LüKa“ - Lübeck - klimaangepasst, bis zum Ende des LüKa-Projektes (Sept. 2026), längstens bis 31.03.2027, besetzt. Nach Ende des LüKa-Projektes könnte unterjährig die dann freie Stelle im Stellenplan als Stelle für das Projekt DISCO-ADAPT für die Dauer der 100 %gen Förderung genutzt werden. Andere Bereiche und Akteure werden bei Bedarf in die Konkretisierung der Planung einbezogen (insbesondere Feuerwehr, EBL, Stadtwerke und ggf. weitere Abteilungen aus FB 5). Die Einrichtung einer permanenten Arbeitsgruppe ist aus derzeitiger Sicht nicht notwendig.
Handlungsnotwendigkeiten für die Hansestadt Lübeck
Da das novellierte Landeswassergesetz im November 2024 den Kommunen eine erweiterte Verantwortung beim Hochwasserschutz zugewiesen hat (vgl. §57 LWG), ergeben sich aus der aktiven Mitarbeit Lübecks als beneficiary partner innerhalb des Forschungsprojektes DISCO-ADAPT zahlreiche Vorteile:
Erkenntnisgewinn für Aufstellung von kommunalen Hochwasserschutz-konzepten:
Das Landeswassergesetz fordert die Kommunen sowie die Wasser- und Bodenverbände auf, kommunale Hochwasserschutzkonzepte zu erstellen. Hier muss Lübeck agieren. Vor allem, da sich die Vergabe von Fördergeldern durch das Land daran orientiert, ob ein entsprechendes Hochwasserschutzkonzept vorhanden ist.
Das letzte schwere Ostseesturmhochwasser war am 20./21. Oktober 2023 mit dem höchsten gemessenen Scheitelwasserstand von 2,27 m NHN in Flensburg. Dieses Hochwasser hat einen Schaden an Küsten, Stränden, Hochwasserschutzanlagen, Häfen und Booten in Deutschland von etwa 200 Millionen Euro verursacht. In Lübeck lag der höchste gemessene Wasserstand 50 cm niedriger als in Flensburg. Wäre die Windrichtung jedoch eine andere gewesen, wäre es auch in Lübeck zu deutlich größeren Schäden gekommen.
Erste Lösungsansätze für ein Hochwasserschutzkonzept könnten durch das neue For-schungsprojekt DISCO-ADAPT konkretisiert werden. Die HL hat so die Möglichkeit zu testen, ob und vor allem an welchen Stellen temporäre Hochwasserschutzsysteme und/oder Schlauchdämme geeignet sind, potentielle Schäden an wichtigen Infrastrukturen in Lübeck zu minimieren oder ob ggf. andere oder ergänzende Maßnahmen zum Einsatz kommen müssen. Diese Ergebnisse sollen als Basis für ein kommunales Hochwasserschutzkonzept dienen.
Optimierung des Katastrophenschutzes im Falle eines Hochwassers:
Im Zuge der Folgeveranstaltung zum DWA-Überflutungsaudits der Deutschen Vereini-gung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) haben im Januar 2025 Teilnehmende der Veranstaltung u.a. Ideen für die Optimierung des Katastrophenschutzes entwickelt. Hierzu zählt insbesondere die Entwicklung und Erstellung eines Dashboards. Vorteile:
- Festlegung einheitlicher Datengrundlagen zur Situationsbeurteilung
- Sicherstellung einer schnellen und übersichtlichen Zugriffsmöglichkeit auf wich-tige Daten für den relevanten Personenkreis
- Themen: Küstenhochwasser und ggf. Starkregen / Dauerregen
Positive Synergien mit dem Prüfauftrag „Meeresschutzstadt Lübeck“:
Mit Blick auf den Prüfauftrag der Bürgerschaft zum Dringlichkeitsantrag Bündnis 90/Die Grünen & CDU „Meeresschutzstadt Lübeck“ (vgl. VO/2024/13586) ergeben sich folgende positive Überscheidungen:
- Integration der zentralen Stelle zum Meeresschutz in das Forschungsprojekt DISCO-ADAPT, da es zahlreiche Überschneidungen bei den städtischen und nicht-städtischen Akteur:innen gibt. Wie oben schon erwähnt wurde, muss hierfür der Stellenplan nicht erweitert werden.
- Bereitstellung finanzieller Mittel für die Umsetzung möglicher Maßnahmen im Rahmen von DISCO-ADAPT, bspw. für die Ergänzung bestehender Seegraswiesen vor dem Brodtener Steilufer bzw. die Pflanzung neuer Wiesen als Maßnahme des natürlichen Küstenschutzes an geeigneter Stelle