Der RNVP setzt folgende Mindestbedienstandards für die Nachtverkehrszeit: In der Nachtverkehrszeit (samstags und sonntags von 1 Uhr bis 5 Uhr) ist ein Angebot nur in zentralen Gebieten (Altstadtinsel) sowie hoch und mittel verdichteten Wohn- und Mischgebieten vorgesehen. Es ist dabei freigestellt, ob dieses als Linienverkehr oder flexible Bedienform erbracht wird. Bei Linienverkehren ist dabei in zentralen Gebieten und hochverdichteten Quartieren ein 30-Minuten-Takt vorgesehen.
Für den Verkehr in den Nächten unter der Woche (Sonntag auf Montag bis Donnerstag auf Freitag) setzt der 5. RNVP keine Mindeststandards.
Frühere Nachtverkehrsangebote
Lübecker Frauen-Nachttaxi (1992 – 1994)
Im Sommer 1992 startete in Lübeck das Modell „Frauen-Nachttaxi“, das für zwei Jahre erprobt werden sollte. Bereits 1989 hatte das Frauenbüro von der Bürgerschaft den Auftrag erhalten, hierfür konkrete Pläne zu erarbeiten. Ein erster Probelauf zeigte die große Nachfrage. Das Ziel des „Frauen-Nachttaxis“ bestand darin, den Frauen nachts auf dem Weg nach Hause, egal ob von der Spätschicht, dem Theater- oder Disco-Besuch eine bezahlbare gewisse Sicherheit zu bieten. Das Angebot richtete sich insbesondere an junge Mädchen, Seniorinnen oder Frauen in Schichtarbeit. Damit das vergünstigte nächtliche Fahrangebot von Tür zu Tür möglichst vielen Lübeckerinnen zugutekommen konnte und um den städtischen Zuschuss gering zu halten, sah das Lübecker Modell bereits 1992 Sammelfahrten vor.
Aus der Sicht des damaligen Frauenbüros sei es dem Sicherheitsgefühl von Frauen besonders dienlich, wenn Frauen ausschließlich von Taxifahrerinnen chauffiert würden. Deshalb führen in Lübeck zwei Jahre lang acht Frauen, die von einem Kleinunternehmer eingestellt worden waren, mit finanzieller Unterstützung der Stadt das Lübecker Nachttaxi im Schichtdienst. Das Modell wurde durch das „ASTi-Nacht-Taxi“ ersetzt.
ASTi (1994 – 2007)
„ASTi“ als Kurzwort steht für „Anruf-Sammeltaxi“ und ist ein Sammelbegriff für verschiedene Verkehrsformen des Bedarfsverkehrs (Fahrt nur auf Voranmeldung), die mit kleineren Fahrzeugen gefahren werden. Im Verkehrsnetz von SWL Mobil gibt es im aktuellen Fahrplan noch zwei „ASTi“-Verbindungen, nämlich auf der Linie 1 im Binnenverkehr von Bad Schwartau sowie auf der Linie 35 zwischen Teutendorfer Weg und Teutendorf in Travemünde.
In der Vergangenheit setzte SWL Mobil (bzw. damals der Stadtverkehr Lübeck) umfangreicher auf „ASTi“-Fahrten. Im Jahresfahrplan 2000 gab es drei verschiedene „ASTi“-Konzeptionen:
- „ASTi“ im Abendverkehr
- „ASTi-Veranstaltungs-Taxi“
- „ASTi-Nachttaxi“
ASTi im Abendverkehr
Im Abendverkehr (ca. zwischen 21 Uhr und 1 Uhr) wurden auf einigen Linienabschnitten im Stadtrandbereich keine Busse eingesetzt, z. B. in Richtung Blankensee, Groß Steinrade, Krummesse oder Moorgarten. Die regulären Buslinien sind bis zu bestimmten Verknüpfungshaltestellen gefahren, ab dort musste dann in ein vorher bestelltes „ASTi“ umgestiegen werden. Diese Fahrten (dann z. B. von Oberbüssauer Weg bis Moorgarten) fuhren nach festem Fahrplan und auf bestimmte Zu- und Abbringerfahrten. Es kam der reguläre ÖPNV-Tarif zum Einsatz.
Diese Fahrten wurden im Laufe der Jahre stetig reduziert, indem die regulären Buslinien dann bis zu den Endpunkten verlängert wurden.
ASTi-Veranstaltungs-Taxi
Das „ASTi-Veranstaltungs-Taxi“ war als Produkt für Besuchende der MuK und des Stadttheaters gedacht. Fahrgäste konnten sich vor Beginn der Veranstaltungen an der Garderobe für die Rückfahrten anmelden, die dann nach Veranstaltungsende durchgeführt wurden. Es galt der gleiche Sondertarif wie beim „ASTi-Nachttaxi“.
ASTI-Nachttaxi
Das „ASTi-Nachttaxi“ ergänzte das Angebot in der Nachtverkehrszeit. An insgesamt 12 Haltestellen im Stadtgebiet waren Abfahrten möglich, vor allem in der Innenstadt und damaligen Schwerpunkten im Freizeitverkehr (Discotheken). Das „ASTi-Nachttaxi“ wurde 1994 eingeführt; bis 2003 wurden halbstündliche Abfahrten angeboten, danach stündliche Abfahrten um 1 Uhr, 2 Uhr und 3 Uhr. Die Abfahrten mussten jeweils eine halbe Stunde vorher telefonisch angemeldet werden.
Die Fahrten wurden von Taxis erbracht, wobei verschiedene Fahrtwünsche in einer Fahrt gebündelt wurden. Die Abfahrten konnten sich also auch leicht verschieben. Es kam ein Sondertarif mit relativ hohen Komfortzuschlägen zum Einsatz, wobei Fahrgäste mit Zeitkarten vergünstigt fuhren.
Als Ziele waren neben dem generellen Bediengebiet des Stadtverkehrs auch benachbarte Gemeinden im Amt Nordstormarn sowie die Gemeinde Ratekau möglich, nachdem mit den dortigen ÖPNV-Aufgabenträgern entsprechende Vereinbarungen geschlossen worden waren.
Die Nachfrage nach dem „ASTi-Nachttaxi“ war gering. Im Jahr 2006 wurden insgesamt 3900 Fahrgäste befördert. Zum Vergleich: Im „Lümo“-System wurden 2024 über 41.000 Fahrgäste befördert. Es entstanden jährliche Gesamtkosten von ca. 50.000 EUR sowie, abzüglich der Einnahmen, eine jährliche Deckungslücke von zuletzt ca. 34.000 EUR. Diese Kosten wollte der Stadtverkehr nicht mehr tragen und auch die Hansestadt Lübeck lehnte eine Kostenübernahme ab, da zum damaligen Zeitpunkt keine Notwendigkeit für ein Nachtverkehrsangebot aus dem RNVP abgeleitet werden konnte. Dementsprechend wurde das „ASTi-Nachttaxi“ im Jahr 2007 eingestellt.
Nachtbus (2000-2001)
Auf längeres Drängen des Unabhängigen Lübecker Jugendrates hat die Bürgerschaft am 02.09.1999 beschlossen, ab dem 01.06.2000 das bereits bestehende „ASTi-Nachttaxi“ ergänzende Nachtbusnetz zu etablieren – zunächst für einen Probezeitraum von einem Jahr. Hierfür wurden Haushaltsmittel in Höhe von 500.000 DM bereitgestellt, die das vom Stadtverkehr Lübeck prognostizierte Betriebskostendefizit von 350.000 DM/Jahr sowie Marketingkosten in Höhe von 110.000 DM abdeckten.
Die Konzeption des damaligen Nachtbusnetzes sah eine flächendeckende Bedienung der Hansestadt Lübeck vor. Es wurden insgesamt neun Nachtbuslinien geschaffen, die in den Wochenendnächten stündlich verkehrten. Die Linien waren am ZOB/Hauptbahnhof untereinander in Sternfahrten verknüpft – analog zum heutigen Abendverkehr. Es galt ein Sondertarif.
Die Linienführungen orientierten sich an den Tageslinien, waren aber auch auf die Anbindung größerer Discotheken ausgerichtet.
Die prognostizierten Fahrgastzahlen von 75.000 Fahrgästen/Jahr (bzw. 6.250 Fahrgäste/Monat), auf denen die Kostenkalkulation beruhte, wurden innerhalb des Projektzeitraums nicht erreicht und lagen ca. sieben Monate nach Einführung bei ca. 3.900 Fahrgästen/Monat. Diese Zahl ist grundsätzlich nicht überraschend, da neue ÖPNV-Angebote häufig eine gewisse Zeit benötigen, um die prognostizierten Fahrgastzahlen zu erreichen.
Der Stadtverkehr Lübeck schlug daher eine Verlängerung des Projektzeitraums auf zwei Jahre vor, die allerdings seitens der Bürgerschaft nicht mitgetragen wurde. Auch in einem reduzierten Netz (Zusammenlegung der besonders nachfragestarken Linien N17 und N31 mit dem Linienverlauf Pansdorf – Bad Schwartau – Stockelsdorf – ZOB – Kücknitz – Travemünde) wäre immer noch ein Betriebskostendefizit von ca. 160.000 DM entstanden. Das Nachtbusnetz wurde dementsprechend zum Fahrplanwechsel am 10.06.2001 wieder eingestellt.
Status Quo
Der vom Land Schleswig-Holstein verantwortete und von der NAH.SH organisierte Regionalzugverkehr wurde in den vergangenen Jahren deutlich in die Nacht ausgeweitet, auch unter der Woche (Ankünfte aus fast allen Richtungen zu den Knoten 1:00 Uhr und 2:00 Uhr). In Wochenendnächten wird die Strecke nach Hamburg Hbf. durchgängig bedient. Zwar wurden zum Fahrplanwechsel im Dezember 2024 seitens des Landes einzelne späte Zugfahrten wieder abbestellt, allerdings profitiert Lübeck davon, dass es ein betrieblicher Ausgangspunkt für die meisten hier haltenden Zuglinien ist.
Mit den Ausweitungen wurden auch die späten Ankünfte und Abfahrten in den landesweiten Taktfahrplan integriert, sodass alle Linien – bis auf die RB84 aus Kiel – zum sogenannten Nullknoten jeweils zur vollen Stunde ankommen und abfahren.
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 wurde der Busverkehr am Abend durch die Wiedereinführung von „Sternfahrten“ neu aufgestellt und auf vielen Relationen ausgeweitet. Das zentrale Element sind Rundumanschlüsse am ZOB/Hauptbahnhof zur vollen und halben Stunde, die auch mit dem Bahnverkehr verknüpft sind.
Diese Angebotsstruktur mit den „Sternfahrten“ wird täglich zwischen 21:00 Uhr und der letzten Abfahrt ab ZOB/Hauptbahnhof gegen 0:30 Uhr gefahren.
Auch nach der Betriebspause ist der Busverkehr im Frühverkehr in „Sternfahrten“ organisiert, wobei montags bis freitags die ersten Ankunfts- und Abfahrtszeiten für die Rundumanschlüsse am ZOB/Hauptbahnhof um 3:50 Uhr sowie 4:20 Uhr liegen, samstags um 4:50 Uhr und sonntags gegen 5:30 Uhr. Damit ist die Betriebspause relativ kurz, allerdings ist Lübeck dennoch die größte Stadt in Deutschland ohne durchgehenden Bus-, Straßenbahn- oder U-Bahn-Verkehr, zumindest am Wochenende. Diverse ankommende und abfahrende Regionalzüge haben keine Zu- und Abbringerfahrten im Busverkehr. Für viele Bevölkerungsgruppen stellt ein Nachtverkehr oft auch mehr als nur einen Komfortgewinn dar. Beschäftigte im Schichtdienst profitieren im Alltag davon. Auch stellt der Nachtverkehr einen Zugewinn im Sicherheitsempfinden dar, wenn man nachts in der Stadt mobil sein möchte/muss.
Im Abendverkehr besteht eine hohe Nachfrage: An einem Samstagabend befördern 44 Busse durchschnittlich 5.219 Fahrgäste. Die Fahrgastzahlen sind seit Einführung der Sternfahrten im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit um ca. 25% gestiegen.
Neben dem Busverkehr wird von SWL Mobil der On-Demand-Verkehr „Lümo“ betrieben, der im Rahmen eines Forschungsprojekts noch bis zum 30. Juni 2026 finanziert wird und als sogenannter Linienbedarfsverkehr[1] nach § 44 PBefG genehmigt ist. „Lümo“ bietet in einem beschränkten Bediengebiet flexible Fahrtmöglichkeiten täglich zwischen 20:00 Uhr und 1:00 Uhr, in den Wochenendnächten bis 4:00 Uhr. Fahrgäste können hier telefonisch oder per App ihren Fahrtwunsch abgeben. Das Hintergrundsystem verarbeitet die Fahrtwünsche und bündelt verschiedene Fahrgäste in einer Fahrt (Ridepooling). Es kommen kleinere Fahrzeuge zum Einsatz, die nicht nur an Bushaltestellen halten, sondern auch an vielen zusätzlichen „virtuellen Haltestellen“, die das Haltestellennetz verdichten. Virtuelle Haltestellen sind nicht baulich vorhanden oder vor Ort besonders markiert, sondern werden nur in der App angezeigt.
Im Jahr 2024 wurden von den max. sieben eingesetzten „Lümo“-Fahrzeugen insgesamt 41.342 Fahrgäste befördert, wobei maximal 310 Fahrgäste/Nacht unterwegs waren. Ca. 24.000 Kund:innen sind registriert, wobei pro Monat durchschnittlich 700 Kund:innen neu hinzukommen.
Die Nachfrage nach „Lümo“-Fahrten ist besonders am Wochenende deutlich höher als die zur Verfügung stehende Kapazität, so dass viele Fahrtanfragen vom System abgelehnt werden. Dies kann auch bei Nachfragespitzen wie den gebündelten Zugankünften und -abfahrten zur vollen Stunde problematisch sein, da bei Systemüberlastung somit Kund:innen im schlimmsten Fall faktisch gar kein anschließendes ÖPNV-Angebot zur Verfügung steht.
Die Begleitforschung zum Projekt „in2Lübeck“ zeigt, dass „Lümo“ von den Fahrgästen in einigen Punkten als deutlich attraktiver als das Busangebot bewertet wird, insbesondere in Bezug auf subjektive Sicherheit, flexible Fahrtmöglichkeiten und kurze Wege. Dies wird z. B. auch durch die o. g. virtuellen Haltestellen erreicht.
Ein Nachteil am „Lümo“ ist die bisher nicht gegebene Integration von Linienbedarfsverkehren in herkömmliche Fahrplan-/Routenauskünfte, z. B. Google Maps, DB Navigator oder die NAH.SH-App. Die „Lümo“-App bietet zwar schon heute eine multimodale Verbindungsauskunft mit Bussen, Bahnen und Linienbedarfsverkehren, allerdings haben Ortsfremde oder bisherige Nicht-Nutzer diese App im Regelfall nicht installiert. Die systembedingten Zugangshürden (z. B. Buchungszwang per App oder Telefon) können für manche Fahrgäste abschreckend wirken.
Das „Lümo“-Angebot ist zudem nicht eigenwirtschaftlich darstellbar und damit ohne Zuschüsse der Hansestadt Lübeck als ÖPNV-Aufgabenträger nicht möglich. Erneute bzw. anschließende Fördermöglichkeiten, z. B. des Landes Schleswig-Holstein oder des Bundes, sind nicht abzusehen. Mit Blick auf die Wirksamkeit von On-Demand-Verkehren insgesamt ist zudem festzustellen, dass diese bislang in der Praxis mit hohen Kosten pro Fahrgast ökonomisch vergleichsweise ineffizient sind. Trotz anfänglich hoher Erwartungen und technischer Potenziale sind zahlreiche Projekte bundesweit mittlerweile nach Auslaufen von Förderungen wieder eingestellt worden – meist aufgrund von Problemen mit der Skalierbarkeit (reale Fahrtenverfügbarkeit für den Fahrgast) und extrem hohen Betriebskosten pro Personenkilometer.
Grobkonzept für den Nachtverkehr
Zur Befriedigung der Mindeststandards des 5. RNVP wurden zwei Konzepte herangezogen, nämlich eine Bedienung nur mit Linienbedarfsverkehren sowie eine Bedienung nur mit Nachtbuslinien. Unterstellt wurde dabei ein Betrieb an allen Wochentagen, um auch den im RNVP-Beschluss genannten Bedürfnissen in den Gewerbegebieten gerecht zu werden.
Das Konzept für einen reinen Linienbedarfsverkehr sieht eine Verstetigung des bestehenden Angebots sowie eine Ausweitung auf das gesamte (besiedelte) Lübecker Stadtgebiet vor. Täglich werden die Bedienzeiten von 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr abgedeckt. An den nachfragestarken Wochenendnächten kommen bis zu 30 Fahrzeuge zum Einsatz, unter der Woche bis zu 20 Fahrzeuge.
Aufgrund der Erweiterung der Bedienzeiten, der Erhöhung der Fahrzeuganzahl sowie der Erweiterung des Bediengebiets betragen die Betriebskosten dieses Konzepts etwa 4 – 5 Millionen EUR/Jahr.

Abbildung 1: Bediengebiet bei vollständiger Erschließung mit Linienbedarfsverkehr
Das Konzept für die Nachtbuslinien sieht eine Fortführung des bisherigen Abendverkehrs (zumindest der Linienabschnitte auf dem Gebiet der Hansestadt Lübeck) vor. Die Außenbereiche werden durch Linien im 60-Minuten-Takt erschlossen, die sich dann auf den Hauptachsen zu einem 30-Minuten-Takt überlagern.
Die „Sternfahrten“ werden bis zum Beginn des Tagesverkehrs des darauffolgenden Tages fortgesetzt. Montags bis freitags erfolgt die letzte „Nachtbus-Sternfahrt“ demnach um 3:30 Uhr, samstags um 4:30 Uhr und an Sonn- und Feiertagen um 5:00 Uhr.
Das entstehende Netz hat eine gute Netzabdeckung und erfüllt die Erschließungsvorgaben des 5. RNVP. Allerdings entstehen ebenfalls hohe Betriebskosten in Höhe von ca. 4,8 Millionen EUR/Jahr.

Abbildung 2: Liniennetz bei vollständiger Erschließung mit Nachtbuslinien
Beide Varianten sind zur Erfüllung der RNVP-Standards mit sehr hohen Kosten verbunden. Beim Linienbedarfsverkehr entstehen die Kosten vor allem aus der hohen Fahrzeugmehrung. Die zusätzlichen Fahrzeuge sind notwendig, um die langen Strecken in die äußeren Stadtteile (z. B. Krummesse, Schlutup, Travemünde) zu bedienen, ohne die Angebotsqualität für alle Fahrgäste erheblich einzuschränken. Hintergrund ist hier, dass Fahrzeuge für einzelne Fahrten dorthin deutlich länger gebunden sind und ein geringeres Fahrtbündelungspotenzial besteht.
Eine Reduzierung der Fahrzeuganzahl und damit der Kosten müsste demnach auch mit einer Reduzierung des Bediengebiets einhergehen. Ein Beibehalt des heutigen „Lümo“-Angebots im Kerngebiet würde Betriebskosten in Höhe von ca. 650.000 EUR/Jahr erzeugen – wobei die oben genannten systembedingten Nachteile wie z. B. die Fahrtenverfügbarkeit nicht gelöst werden.
Die hohen Kosten des skizzierten Nachtbusnetzes ergeben sich aus der hohen zusätzlichen Betriebsleistung, hier insbesondere durch den 30-Minuten-Takt auf den Hauptstrecken. Letztendlich bestünde zwar die Möglichkeit, den Angebotsumfang zu reduzieren, allerdings besteht hier ein Spannungsfeld: Die Fahrgäste nehmen „Lümo“ aktuell als attraktives und flexibles Angebot wahr. Wenn die Taktvorgaben reduziert werden (z. B. nur 60-Minuten-Takt) oder wenn weniger Linien angeboten werden und damit räumliche Erschließungslücken im Angebot auftreten, würde dies als Verschlechterung gegenüber dem Status Quo empfunden.
Demnach ist es notwendig, das Nachtbusnetz gleich bei Einführung möglichst umfangreich auszugestalten; ein schrittweises Ausweiten des Angebots ist an sich nicht zielführend. Dennoch sind bereits für ein rudimentäres Nachtbusnetz mit einzelnen Linien und ggf. eingeschränkten Betriebszeiten Kosten von mehreren Hunderttausend EUR/Jahr zu erwarten.
Neben den hohen Kosten ist aber auch zu erwähnen, dass eine zeitnahe Umsetzung des skizzierten Nachtangebots mit Linienbussen oder „Lümo“ in diesem Umfang auch betrieblich für SWL Mobil nicht umsetzbar ist. Die Gewinnung des notwendigen, zusätzlichen Fahrpersonals, die Bereitstellung von E-Fahrzeugen und der entsprechende Platz auf dem Betriebshof sind bis Sommer 2026 (Zeitraum des Auslaufens der Förderung für „Lümo“) nicht möglich [2]. SWL Mobil weisen außerdem darauf hin, dass Investitionen, die über das gewöhnliche Maß hinausgehen, gesondert zu finanzieren sind.
Aufgrund diverser betrieblicher Belange setzt SWL Mobil nur einen Fahrplanwechsel im Jahr (jeweils zum internationalen Fahrplanwechsel im Dezember) um. Eine Erweiterung des Busangebots um (einzelne) Nachtbuslinien wäre daher frühestens zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2026 möglich.
Es ist also festzuhalten, dass aus den dargestellten Gründen weder ein reiner Linienbedarfsverkehr noch ein reines Nachtbusnetz eine adäquate Lösung für die Bedienung im Nachtverkehr ab Sommer 2026 darstellen. Je näher die Verkehre an den Standards des 5. RNVP orientiert werden, umso teurer werden sie auch.
ÖPNV-Aufgabenträger und SWL Mobil haben daher gemeinsam ein integriertes Grobkonzept für die ÖPNV-Bedienung in der Nachtverkehrszeit aufgestellt, dass beide Verkehre miteinander verbindet. Hierdurch lassen sich die Vorteile der beiden Systeme kombinieren und die jeweiligen Nachteile begrenzen – ebenso wie die Kosten gegenüber den oben skizzierten „Maximalvarianten“.
Das Grobkonzept sieht dabei folgende Eckpunkte vor:
- Es wird ein 24/7-Angebot im ÖPNV in der Hansestadt Lübeck vorgehalten.
- Die „Grundlast“ im Nachtverkehr wird von einem nächtlichen Busangebot im 60-Minuten-Takt übernommen. Die Nachtbuslinien sind als Sternfahrten am ZOB/Hauptbahnhof mit dem Zugverkehr und untereinander verknüpft.
Die Nachtbuslinien bedienen nur besonders aufkommensstarke Relationen sowie lange Distanzen, z. B. nach Travemünde. - Der Linienbedarfsverkehr „Lümo“ wird beibehalten und bildet die Erschließung für die Teile des zentralen Stadtgebiets, in denen die Nachfrage zu gering für einen Nachtbus ist und/oder die (noch) nicht betrieblich sinnvoll mit Nachtbussen erschlossen werden können.
- Durch ein sogenanntes Parallelfahrtenverbot wird ausgeschlossen, dass mit dem Bus mögliche Fahrtwünsche im Linienbedarfsverkehr realisiert werden.
Es ist zu erwarten, dass die Kosten deutlich geringer ausfallen als bei den oben skizzierten „Maximalvarianten“ (nur Linienbedarfsverkehr bzw. nur Nachtbuslinien). Aufgrund erster Überlegungen zur Ausgestaltung des Nachtbusnetzes sowie des Linienbedarfsverkehrs erscheinen Betriebskosten in Höhe von ca. 1,4 Millionen EUR/Jahr bis 2,5 Millionen EUR/Jahr realistisch.

Abbildung 3: Mögliche räumliche Ausgestaltung des Grobkonzepts. Blaue Fläche: Bediengebiet des Linienbedarfsverkehrs. Linien: Erster denkbarer Entwurf eines Nachtbusnetzes mit sechs vom ZOB/Hauptbahnhof ausgehenden Linien.
Nachtverkehr unter Einbindung des Taxigewerbes
Die damaligen „ASTi“-Ansätze in der Nacht richteten sich vor allem an enger umgrenzte Fahrgastgruppen, vor allem Besuchende von Veranstaltungen in der Innenstadt und Discotheken. Die Nutzbarkeit für weitere Relationen war i. d. R. nicht gegeben. Dies betrifft z. B. die Funktion als Zubringerfahrten zu den Nachtzügen von Lübeck weg oder auch für Fahrten stadteinwärts. Die im Beschluss des 5. RNVP geforderte Anbindung der Gewerbebetriebe ist auch nicht gegeben.
Eine reine Reaktivierung des „ASTi-Nachttaxis“ in der Konzeption der 1990er-Jahre erscheint aus heutiger Sicht und mit den heutigen technischen Möglichkeiten nicht sinnvoll. Eine modernere Konzeption von Bedarfsverkehren, die von Taxis erbracht werden, stellt das sogenannte „ÖPNV-Taxi“ dar.
Das Modell „ÖPNV-Taxi“ ist in den letzten Jahren in einigen deutschen Landkreisen umgesetzt worden. Deren Vorgehensweise bei der Einführung ist ebenfalls betrachtet worden. Beispiele aus vergleichbaren Großstädten in Deutschland gibt es bislang nicht, allerdings setzt die österreichische Stadt Linz auf eine Kombination von Nachtbuslinien und Taxiverkehren (dort „Nacht-AST“).
Die Benennung in der Stadt Linz deutet schon auf die fließenden Grenzen zwischen „ASTi“ und „ÖPNV-Taxi“ hin. Auf das Lübecker Beispiel „ASTi-Nachttaxi“ heruntergebrochen ist der Unterschied letztendlich, dass das „ASTi-Nachttaxi“ zu festen Abfahrtszeiten und mit einer festen Voranmeldezeit von 30 Minuten unterwegs war, während die neueren „ÖPNV-Taxi“-Ansätze zeitlich vollflexibel im definierten Bediengebiet gebucht werden können – im Prinzip analog zum heutigen „Lümo“-Angebot.
Im Hintergrund ist die Funktionsweise allerdings sowohl rechtlich als auch organisatorisch anders als klassische On-Demand-Verkehre. Das „ÖPNV-Taxi“ nutzt die Ressourcen des lokalen Taxigewerbes. Wenn keine regulären Fahrtwünsche bestehen, können sich die Taxen frei melden und können in dieser Zeit von den Fahrgästen für Fahrten im „ÖPNV-Taxi“ gebucht werden. Die Fahrten werden nach dem Taxitarif abgerechnet, wobei der Fahrgast nur den ÖPNV-Tarif, ggf. zzgl. Zuschlag, zahlt. Die Differenz würde dann von der Hansestadt Lübeck übernommen.
Zur Umsetzung eines „ÖPNV-Taxi“-Ansatzes müsste die Hansestadt Lübeck eine sogenannte allgemeine Vorschrift erlassen, die die Grundbedingungen des „ÖPNV-Taxis“ (Bediengebiet, Fahrpreise, Fahrzeugvorgaben, Vorgaben zur digitalen Abrechnung und Buchung etc.) festlegt. Hierzu wäre die rechtliche Beratung durch ein Fachunternehmen notwendig sowie eine intensive Abstimmung mit dem Taxigewerbe.
In den Landkreisen, in denen das „ÖPNV-Taxi“ bisher umgesetzt wird, wird die Dispositions- und Bestellsoftware („ÖPNV-Taxi-App“) von den Landkreisen zur Verfügung gestellt, wobei diese Software ausgeschrieben werden müsste. Es entstünden also für die Hansestadt Lübeck einmalige Einrichtungs- und jährliche Betriebskosten. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg entstehen z. B. jährliche Betriebskosten in Höhe von 83.400 EUR für die dort eingesetzte Software der Luxemburger Firma Losch Digital Lab, wobei hier nur eine geringere Fahrzeuganzahl inkludiert ist. Die Kosten für die Hansestadt Lübeck mit einer größeren Taxiflotte könnten höher ausfallen.
Durch die Organisation und Einrichtung des Verkehrs, das kontinuierliche Monitoring sowie die Abrechnung des Verkehrs mit den diversen Einzelunternehmen im Taxigewerbe entstünde darüber hinaus ein hoher Verwaltungsaufwand, der voraussichtlich zu einem zusätzlichen Personalbedarf in der ÖPNV-Aufgabenträgerschaft führt. Dieser Aspekt sollte auch in Bezug auf die entstehenden Kosten berücksichtigt werden.
Eine Abdeckung dieser Aufgaben durch SWL Mobil ist nicht möglich. Das „ÖPNV-Taxi“ wäre ein von den Verkehren von SWL Mobil organisatorisch komplett getrennter Teil des ÖPNV-Angebots.
Eine Abschätzung der Betriebskosten ist anhand der Nachfragedaten im „Lümo“-Angebot (durchschnittliche Fahrtlänge, Fahrgastzahlen) und der Taxipreise grob möglich. Unter diesen Maßgaben (und unter der Annahme eines analogen Bediengebiet zum „Lümo“) ergeben sich Betriebskosten von ca. 800.000 EUR/Jahr, von denen ein Komfortzuschlag sowie weitere Fahrgeldeinnahmen abgezogen werden können. Je nach Umfang des Bediengebiets und der Bedienzeiten ändern sich die zu erwartenden Kosten. Ein Aspekt beim „ÖPNV-Taxi“ ist, dass die Kosten seitens der Hansestadt Lübeck auf Grundlage der allgemeinen Vorschrift nicht durch Begrenzung der Fahrzeuganzahl gedeckelt werden können.
Kombination Nachtbus/Lümo und ÖPNV-Taxi
Mit der oben aufgeführten Grobkonzeption für den Nachtverkehr werden die Erschließungsvorgaben des 5. RNVP räumlich und zeitlich erfüllt. Einige Stadtbereiche werden allerdings voraussichtlich nicht von Nachtbuslinien oder dem Linienbedarfsverkehr erreicht werden können. Hierzu dürften vor allem gering verdichtete Siedlungsbereiche in städtischer Randlage oder Teile von peripheren Stadtteilen außerhalb des Bediengebiets des Linienbedarfsverkehrs in weiterer Entfernung von Nachtbushaltestellen zählen.
Für diese Bereiche bildet das Taxi weiterhin die Anbindungslösung.
Im Prozess der Erstellung des Grobkonzepts wurde daher untersucht, ob darüber hinaus das sogenannte „ÖPNV-Taxi“ im Sinne der Gleichbehandlung der peripheren Bereiche und der Verkehrswende umgesetzt werden kann. Hierzu fand am 02.06.2025 ein gemeinsamer Termin zwischen dem ÖPNV-Aufgabenträger, SWL Mobil und den Lübecker Funktaxen als Vertreterin der lokalen Taxibranche statt.
Eine grobe Abschätzung der Kosten anhand der Einwohnerzahlen in den äußeren Stadtbereichen sowie der Fahrgastzahlen im „Lümo“ für weniger dicht besiedelte Teile des Bediengebiets lässt ein jährliches Betriebskostendefizit von ca. 100.000 bis 400.000 EUR erwarten, dass zusätzlich zu den Kosten des Nachtverkehrs mit Nachtbuslinien und On-Demand-Angebot anfiele.
Fazit und Ausblick
In der Erarbeitung des Grobkonzepts für den Nachtverkehr haben sich verschiedene, grundsätzlich denkbare Varianten ergeben. Hierbei erscheint ein integrierter Verkehr aus Nachtbussen und Linienbedarfsverkehr als eine Art Kompromiss zwischen den räumlichen und qualitativen Erschließungsvorgaben des 5. RNVP und den entstehenden Kosten. Ansätze nur mit Nachtbussen bzw. nur mit Linienbedarfsverkehren können diese Vorgaben nur zu sehr hohen Kosten (über 4 Millionen EUR/Jahr) erfüllen und benötigen dazu einen zeitlichen Vorlauf zur betrieblichen Umsetzung.
Mit abgeschätzten Kosten im Bereich zwischen 1,4 Millionen EUR/Jahr bis 2,5 Millionen EUR/Jahr wäre allerdings auch die Umsetzung des integrierten Ansatzes mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Angesichts der Haushaltslage der Hansestadt Lübeck sind diese zusätzlichen Kosten derzeit nicht abbildbar. Die Reduzierung von Ausgaben an anderer Stelle im ÖPNV-Haushalt ist unrealistisch bzw. nur unter erheblichen Einschränkungen des Busverkehrs am Tage möglich, was vor dem Hintergrund der Verkehrswende kontraindiziert wäre. Die Kostenschätzung für das integrierte Nachtverkehrskonzept entspricht z. B. ungefähr den Mehrkosten, die in VO/2022/11145 für die umfangreichen Angebotsmaßnahmen anlässlich der Eröffnung des Bahnhaltepunkts Moisling beschlossen wurden.
Entsprechend gilt dies auch für die weitere Ergänzung dieses Konzeptes um ein ÖPNV-Taxi. Für die Schaffung eines komplett flächendeckenden ÖPNV-Angebots in der Nachtverkehrszeit wäre das „ÖPNV-Taxi“ zwar eine sinnvolle Ergänzung. Letztendlich empfiehlt die Verwaltung allerdings, den Ansatz nicht weiterzuverfolgen:
- Der parallele Einsatz dreier Systeme im Nachtverkehr könnte für die Fahrgäste sehr verwirrend sein, zumal auch eine Integration des „ÖPNV-Taxis“ in die üblichen Fahrplanauskünfte (ähnlich wie beim Linienbedarfsverkehr derzeit) nicht gegeben ist. Auch eine Integration in die „Lümo“-App ist nicht möglich.
- Die entstehenden Kosten durch die Etablierung des „ÖPNV-Taxis“ sowie der hohe entstehende Verwaltungsaufwand sind nicht durch eine Erschließungsvorgabe des 5. RNVP gedeckt.
Bleibt die Möglichkeit eines reinen „ÖPNV-Taxis“ in der Nacht. Eine Hürde beim „ÖPNV-Taxi“ ist das Thema Verlässlichkeit. Bei allen flexiblen On-Demand-Verkehren ist die Fahrtenverfügbarkeit, gerade in Nachfragespitzen, eine bestehende Thematik. Dies gilt beim „ÖPNV-Taxi“ umso mehr, da die „ÖPNV-Taxi“-Fahrten mit regulären Taxifahrten in einer begrenzten Fahrzeugflotte konkurrieren und die Anzahl der fürs „ÖPNV-Taxi“ bereitstehenden Fahrzeuge vorher nicht klar ist.
Grundsätzlich erscheint es möglich, den „ÖPNV-Taxi“-Ansatz in der Nachtverkehrszeit in der Hansestadt Lübeck auszurollen. Allerdings wäre dieser Ansatz voraussichtlich mit leicht höheren Kosten im Vergleich zu einem „Lümo“-Ansatz, mit einem erheblich höheren Verwaltungsaufwand sowie mit gewissen Risiken bei der Verlässlichkeit des Verkehrsangebots verbunden. Intensive Abstimmungen mit dem Taxigewerbe sind notwendig, sofern der Ansatz weiterverfolgt werden soll.
Die Verwaltung empfiehlt daher zum aktuellen Zeitpunkt keinen der Ansätze zum Nachtverkehr weiterzuverfolgen. Dies bedeutet in der Folge, dass nach dem Auslaufen des Forschungsprojekts, in dessen Rahmen „Lümo“ bisher finanziert wird (bis 30. Juni 2026), kein ÖPNV-Angebot in der Hansestadt Lübeck in der Nachtverkehrszeit (d. h. nach der letzten Sternfahrt, 0:30 Uhr) bestehen wird.