1. Der Bürgermeister wird gebeten, das Ehrenmal „Helm ab zum Gebet“ des Künstlers Richard Emil Kuöhl auf dem Ehrenfriedhof, insbesondere die Umlaufmauer des Denkmals, restaurieren zu lassen. Hierfür ist die haushälterische Ordnung herzustellen.
Antwort:
Im Jahr 2015 ist mit den Untersuchungen der Substanz des Bauwerkes begonnen worden. 2016 und 2019 ist der Krieger gereinigt und die desolaten Fugen erneuert worden. Auch die Bodenplatten wurden bearbeitet. Für die Sanierung der Umlaufmauer liegt ein Angebot aus 2015 über rd. 87 TEUR vor.
Nach Ortsterminen am 29.01.2025 und 09.05.2025 hat die Diplom-Restauratorin M. A., die die Maßnahmen 2016 und 2019 begleitet hat, mit Schreiben vom 12.05.2025 dahingehend Stellung genommen, dass die Natursteinsubstanz des Kriegers „Helm ab zum Gebet“ als nicht akut gefährdet eingeschätzt werde und die Fugen, die 2019 erneuert worden seien sowie auch alle älteren Fugen weiterhin intakt seien. Bewegungen der Verschiebungen der Einzelteile seien nicht erkennbar. Darüber hinaus sei die Steinsubstanz auch schön hell und sauber. Die letzten Maßnahmen hätten die Substanz deutlich aufgewertet. Auch wenn das Denkmal innen marode sein möge, stehe das Denkmal fest.
Der Zustand der Mauer, die um die Skulptur des Kriegers herum eine Rahmung schaffe, sei weiter besorgniserregend. Die Verkehrssicherheit der Mauer sei inzwischen als äußerst kritisch zu bewerten. Weitere Teile seien abgefallen, teilweise seien größere Teile locker bzw. einfach abzunehmen. Es werde dringend empfohlen, die Instandsetzung der Denkmalanlage schnellstmöglich in Gang zu bringen.
Die historische Substanz der Umlaufmauer sei derart stark gestört, dass ein Erhalt unwirtschaftlich erscheine. Das verwendete Material habe für eine etwa 100jährige Standzeit unter erschwerten Bedingungen erstaunlich gut gehalten, sei aber nunmehr nicht mehr haltbar. Zu berücksichtigen sei auch, dass damals gezielt auf günstiges Material zurückgegriffen worden sei, da der teure Naturstein eben nicht ohne weiteres zur Verfügung stand.
Derzeit befindet sich der Bereich 5.660 – Stadtgrün und Verkehr – in Gesprächen mit dem Bereich Archäologie und Denkmalschutz über die Möglichkeit des Rückbaus der Umlaufmauer mit dem Ziel des Rückbaus in 2025. Für die Sanierung der Umlaufmauer sollen Drittmittel (z. B. von Stiftungen, Deutsche Kriegsgräberfürsorge) eingeworben werden.
2. Der Bürgermeister wird gebeten, sämtliche Informationen und Dokumentationen über die Grab- und Denkmäler des Ehrenfriedhofs zusammenzutragen und an mindestens einem Ort gesammelt zu verwahren und zu erhalten.
Antwort:
Dem Bereich 5.660 – Stadtgrün und Verkehr – liegen keine Bauunterlagen über die Grab- und Denkmäler vor. Es ist beabsichtigt im Laufe der nächsten Jahre sukzessive für jedes Bauwerk Baubeschreibungen zu erstellen.
3. Der Bürgermeister wird gebeten, eine einzelne, personenbezogene Prüfung, ob auf dem Ehrenfriedhof Persönlichkeiten oder Künstler geehrt werden, die in kolonialen Strukturen oder im 3. Reich eine Position innehatten oder aus anderen Gründen kritisch eingeordnet werden müssen, extern in Auftrag zu geben.
Antwort:
Eine einzelne Prüfung der kolonialen und nationalsozialistischen Bezüge stellt keine originäre kommunale Aufgabe dar. Eine Überprüfung der rund 2.000 Gräber auf dem Ehrenfriedhof ist mit einem hohem personellem und finanziellem Aufwand verbunden, der weder mit eigenen personellen Ressourcen noch durch die Beauftragung externer Dienstleister zu leisten ist, und sich damit insgesamt als nicht umsetzbar darstellt.
Begründung:
Auf dem Ehrenfriedhof befinden sich laut Angaben des Bereichs 5.660.6 Friedhöfe (siehe Liste VO/2023/12841-02-01, Anlage 2 vom April 2024) etwa 2.000 Ehrenggräber, die sich in zwei Gruppen unterteilen lassen:
- 268 Grabmale, bei denen die beigesetzten Personen nicht zweifelfrei zugeordnet werden können und in einem ersten Schritt die vollständigen Namen und Lebensdaten recherchiert werden müssten. Hier müssten vertiefende Recherchen zum historischen Hintergrund durchgeführt werden. Erst im Anschluss sind historische Kontextualisierungen möglich. Der geschätzte Aufwand liegt für die Ermittlung der Lebensdaten bei mindestens einer halben Stunde pro Person und mindestens einer Stunde für die Prüfung der kolonialen und nationalsozialistischen Bezüge (zusammen 1,5 Stunden pro Person)
- 1.614 Gräber, bei denen die beigesetzten Personen mit vollständigem Namen und Lebensdaten überliefert sind. Der geschätzte Aufwand liegt bei mindestens einer Stunde pro Person für die Prüfung der kolonialen und nationalsozialistischen Bezüge.
Die personenbezogene Prüfung der Ehrengräber auf dem Ehrenfriedhof benötigt nach Einschätzung der Verwaltung ein mindestens dreistufiges Verfahren:
1. Erstellung eines Gutachtens
In einem ersten Schritt müsste durch ein Gutachten geklärt werden, welche kolonialen und/oder nationalsozialistischen Bezüge festgestellt werden können. Das Gutachten sollte dabei auch kontextbezogene Kategorien zur Klassifizierung der kolonialen und NS-Belastung der Personen entwickeln, um Einzelfälle vergleichen und bewerten zu können.
Eine interne Erstellung des Gutachtens ist mit den gegebenen personellen Ressourcen derzeit weder für das Archiv der Hansestadt Lübeck noch für das Kulturbüro leistbar. Bei einer Beauftragung eines externen Gutachtens würden als Vergütung für freiberufliche Historiker:innen gemäß der aktuellen Empfehlung des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (Freelancer:innen – VHD / historikerverband.de) derzeit ca. 75 EUR bis 100 EUR netto pro Stunde anfallen.
Erfahrungsgemäß ist aber auch bei der Beauftragung eines externen Dienstleisters mit einem enormen Zeitaufwand für das interne Personal zu rechnen, etwa durch Aufgaben wie die Bereitstellung des Archivmaterials und die Begleitung der Recherchearbeiten. Eine solche zeitintensive Betreuung durch Mitarbeitende des Archivs der Hansestadt Lübeck ist aufgrund mehrerer vakanter Stellen aktuell nicht möglich, zumal die Umstellung auf die E-Akte personelle Ressourcen bindet.
Auch eine Projektbetreuung durch den/die Koordinator:in der Fachstelle Erinnerungskultur im Kulturbüro (Besetzung zum 01.08.2025) mit etwa 10h/Woche über den geschätzten Zeitraum von einem Jahr würde erhebliche Kapazitäten binden, die für andere dringend benötigte Aufgaben in diesem Bereich nicht mehr zur Verfügung ständen.
2. Einsetzung einer unabhängigen Kommission
Die Prüfung belasteter Personen im öffentlichen Raum (etwa im Kontext von Straßennamen) wurde in den vergangenen Jahren in vielen Städten durch externe Gutachten umgesetzt. Allerdings zeigte sich dabei, dass eine geschichtswissenschaftliche Verortung der überprüften Personen lediglich einen ersten Schritt darstellt, um die Personen und ihre Ehrungen kritisch zu hinterfragen und möglicherweise erinnerungskulturelle Konsequenzen abzuleiten. Daher sollte bei einer Prüfung der kolonialen und nationalsozialistischen Bezüge der Ehrengräber auf dem Ehrenfriedhof eine unabhängige Kommission eingerichtet werden, die Empfehlungen für den Umgang mit den Grabstätten gibt. Hierfür fallen ggf. Reise- und Übernachtungskosten an.
3. Eröffnung eines stadtgesellschaftlichen Diskurses
Ehrungen durch Gräber auf dem Lübecker Ehrenfriedhof bringen zeitgenössische kollektive Norm- und Sinnsetzungen zum Ausdruck. Sie zielen in der Regel auf die Anerkennung der „Leistungen“ bestimmter Personen sowie die gesellschaftliche Erinnerung an diese. Mit dem historischen Wandel verändern sich jedoch auch die Maßstäbe dessen, was als ehrenwert, verdienstvoll oder vorbildhaft anerkannt wird. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei Ehrungen immer auch um geschichtspolitische Akte. Heute können sie jedoch zum Gegenstand gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und Deutungskämpfe werden, denn bei ihrer Neubewertung handelt es sich nicht nur um eine historische Fragestellung, sondern auch um eine politische und moralische. Die Bewertung, Kontextualisierung und der Umgang mit einzelnen Gräberstätten sollte daher in einen breiten gesellschaftlichen Diskurs eingebettet werden, der allerdings nicht allein von der Fachstelle Erinnerungskultur geleistet werden kann.
Für diese Aufgabe wäre eine Agentur mit der Erstellung eines Diskurs- und Vermittlungskonzeptes zu beauftragen. Die Kosten werden auf ca. 50.000 EUR geschätzt.
Kostenschätzung
1. Wissenschaftliches Gutachten |
Prüfung der Personen aus Anlage 1: 402 Arbeitsstunden (100 EUR/Stunde) | 40.200 EUR |
Prüfung der Personen aus Anlage 2: 1.614 Arbeitsstunden (100 EUR/Stunde) | 161.400 EUR |
Mehrwertsteuer 19 % | 38.304 EUR |
| 239.904 EUR |
2. Expert:innen-Kommission |
Fünf Sitzungen mit fünf auswertigen Kommissionsmitgliedern:
Pauschale Reisekosten pro Person: 150 € Pauschale Übernachtungskosten: 100 € Pauschale Aufwandsentschädigung: 250 € | |
| 12.500 EUR |
3. Didaktische Begleitung und Aufbereitung |
Diskurs- und Vermittlungskonzept / Agentur (pauschal) | 50.000 EUR |
| |
INSGESAMT | 302.404 EUR |
Insgesamt ergibt sich ein geschätzter Kostenaufwand in Höhe von 302.404 EUR. Aufgrund der Haushaltslage der Hansestadt Lübeck ist eine Deckung dieser Kosten aus laufenden Mitteln nicht möglich. Der Haushaltsplan 2025 weist aktuell ein Defizit von 86,4 Mio. EUR auf. Die zuvor genannte Kostenschätzung steht somit im Missverhältnis zu den eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten der Hansestadt Lübeck.
4. Der Bürgermeister wird gebeten, die Reinigungs- und Sanierungsarbeiten gemäß des restauratorischen Gutachtens, sowie die Erneuerung der Holzkreuze aus dem 1. und 2. Weltkrieg durch Reinigung und Ersetzen fortzuführen, die Digitalisierung der Friedhöfe und die bereits digitalisierten weiterführenden Informationen öffentlich zur Verfügung zu stellen.
Antwort:
Schriftlich formulierte Pflegepläne sind für die städtischen Friedhöfe nicht vorhanden und werden im Rahmen der Neuausrichtung der städtischen Friedhöfe derzeit erstellt. Neben der Aufnahme aller Grablagen in das Geoinformationssysten proSIRIS GIS ist vorgesehen, auch alle Denkmale aufzunehmen und die Daten, wie unter Frage 2 dargestellt, zu verwahren. Nach der Aufnahme aller Denkmale ist es beabsichtigt, eine Bewertung der kurz-, mittel- und langfristig durchzuführenden Sanierungs- und Pflegemaßnahmen zu erstellen. Etwa 75 % der Grablagen des Ehrenfriedhofes sind bereits im Geoinformationssystem erfasst. Nach Abschluss der Arbeiten, ist es vorgesehen, die Daten öffentlich zur Verfügung zu stellen.