Vorbemerkung:
Funktion des Fragerechts ist es, Auskunft über Fakten zu gewinnen, damit die Mitgliedschaft im Gemeinderat und in den Ausschüssen effektiv wahrgenommen werden kann (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.07.2009 - 4 O 127/09). Nicht maßgeblich für den Umfang oder die Ausgestaltung der Auskunft sind über die Sache hinausgehende oder unangemessene Forderungen, sondern allein sachgemäße und verwaltungseffiziente Auskünfte (Dehn/Wolf, GO SH Kommentar, § 30 GO Abs. 1 Erl. 11).
Mit der vorliegenden Anfrage werden keine Fakten abgefragt, sondern vielmehr dem Bürgermeister ein Fehlverhalten unterstellt (Unwahrheit / verfehltes Kommunikationsverhalten) und dann auf dieser Basis die Beweggründe des Bürgermeisters hierzu erfragt. Das ist vom Auskunftsrecht nach § 30 Abs. 1 GO nicht gedeckt.
Die Anfrage gibt jedoch Gelegenheit, noch einmal klarzustellen, dass ein Fehlverhalten des Bürgermeisters nicht vorliegt.
- Warum hat der Bürgermeister in der Bürgerschaftssitzung am 29.06.2023 offenkundig die Unwahrheit gesagt?
Zunächst ist die Aussage des Bürgermeisters in den Gesamtkontext einzuordnen, in denen sich die Überlegungen zur Zukunft des Heiligen-Geist-Hospitals (HGH) befanden:
a) Die am 04.03.2021 erteilte Baugenehmigung beinhaltete (ausschließlich) die Umsetzung von Brandschutzmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit des HGH, nachdem in 2019 erhebliche Mängel am baulichen, anlagentechnischen und organisatorischen Brandschutz attestiert werden mussten und
b) Die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens zielte damals, nach der gemeinsamen Abstimmung der Beteiligten (Stiftungsverwaltung, GMHL, Planer, Bauordnung) darauf ab, für die im Anschluss an die Mängelfeststellung seit 2019 geplanten und mit der Berufsfeuerwehr abgestimmten, notwendigen Maßnahmen eine „Verbindlichkeit / Rechtssicherheit“ herbeizuführen.
c) Im weiteren Planungsprozess zeigte sich, dass über den Brandschutz hinaus eine viel weitergehende, „grundlegende Instandsetzung für eine 40-jährige Nutzungsdauer“ des HGH notwendig wird. Das im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahren in 2021 genehmigte Brandschutzkonzept war durch die Erweiterung des „Zielbildes“ der Instandsetzung nicht mehr aktuell.
d) Insofern wurde der Baugenehmigungsbescheid nicht durch die Bauordnung aufgehoben, verlor jedoch seine Aktualität und wäre nach 3 Jahren Anfang 03/2024 verfristet und nicht mehr gültig. Die Aktualität des ursprünglichen Baugenehmigungsbescheides war deshalb nicht mehr gegeben, weil die nunmehr erforderlichen Maßnahmen nicht mehr durch die Baugenehmigung gedeckt waren.
e) Nach intensiven Abwägungen der Vor- und Nachteile wurde mit einer der Grundsanierung vorgezogenen Brandschutz-Sanierungsmaßnahme „zur Aufrechterhaltung des HGH-Betriebes bis zu einer grundlegenden Instandsetzung“ dann unter Nutzung des (noch) bestehenden Genehmigungsbescheides begonnen und fristwahrend eine Baubeginnanzeige vorgelegt.
f) Gleichwohl beinhaltet die grundhafte Sanierung des HGH ein neues Brandschutzkonzept. Es wird für die Grundinstandsetzung ein eigenes, neues Baugenehmigungsverfahren durchzuführen sein. Dabei ist unter anderem auch ein aktuelles Brandschutzkonzept auf der Grundlage von in Teilen novellierten Brandschutzvorgaben zur Prüfung und Genehmigung einzureichen. Aktuell werden nur die Interimsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung des HGH-Betriebes durchgeführt. Eine uneingeschränkte Genehmigung für einen Vollbetrieb des HGH liegt deshalb aktuell nicht vor.
Zum Zeitpunkt der Aussage war der Bürgermeister tatsächlich davon ausgegangen, dass das von der Bauaufsichtsbehörde genehmigte Brandschutzkonzept aktuell nicht mehr gültig war, da dieses die nunmehr planerisch notwendig gewordenen Änderungen nicht mehr abdeckte. Insofern ging der Bürgermeister davon aus, dass die erteilte Genehmigung keinen rechtlichen Bestand mehr hatte. Tatsächlich hatte die Bauaufsicht jedoch die Genehmigung nicht aufgehoben. Aufgrund der geänderten Sachlage konnte die Baugenehmigung nicht mehr sinnvoll umgesetzt werden.
2. Der Hauptausschuss der Bürgerschaft hat den Bürgermeister am 09.05.2023 - ca. sieben Wochen vorher - wegen seines verfehlten Kommunikationsverhaltens ebenfalls in der Causa Heiligen-Geist-Hospital gerügt. Ein in der Geschichte der Lübecker Bürgerschaft einmaliger Vorgang.
a) Warum hatte diese Rüge so wenig Einfluss auf das Kommunikationsverhalten des Bürgermeisters?
Der Bürgermeister ist den ihm nach der Gemeindeordnung obliegenden Informationsverpflichtungen stets nachgekommen. In kaum einen anderen Verfahren hat die Verwaltung die Politik derartig umfänglich informiert. Auszugsweise wird verwiesen auf (chronologisch aufsteigend in der Beratungsfolge):
- VO/2022/11544 Vorlage Strategische Neuausrichtung der SeniorInnenEinrichtung (SIE
- VO/2022/11730-01 Antwort auf die Anfrage AM Ramcke (B90/die Grünen): Chronologische Abfolge im Fall Brandschutz Heiligen-Geist-Hospital
- VO/2023/11852 Bericht: Weiterbetrieb einer SeniorInnenEinrichtung (SIE) im Heiligen-Geist-Hospital
- VO/2023/11812-01 Antwort auf die Anfrage von BM Neskovic gem. § 16 GO Bürgerschaft zum APH Heiligen-Geist-Hospital
- VO/2022/11695-01 Antwort auf Anfrage des AM Dr. Flasbarth (B90/Die Grünen). Schließung APH Heiligen-Geist-Hospital
- VO/2023/12266 Bericht: Heiligen-Geist-Hospital - Zukunftsperspektiven
- VO/2023/12467 Bericht: Heiligen-Geist-Hospital – Zukunftsperspektiven
- VO/2023/12672 Vorlage: Erstattung aller bisher geleisteten Brandschutzkosten im Rahmen des Interimskonzeptes der Stiftung Heiligen-Geist-Hospital durch die Hansestadt Lübeck
- VO/2023/12669 Vorlage: Kostenübernahme durch die Hansestadt Lübeck für das durchzuführende VGV-Verfahren zur brandschutztechnischen Ertüchtigung des APH im Heiligen-Geist-Hospital
- VO/2023/12684 Vorlage: Außerplanmäßige Bewilligung gem. § 82 (1) GO-SH zu Gunsten der Stiftung HGH
b) Welche Auswirkungen sieht der Bürgermeister durch solch verfehltes Kommunikationsverhalten und offenkundige Unwahrheiten auf das Vertrauen der Bevölkerung in sein Amt, die Lübecker Bürgerschaft und andere rechtsstaatliche Institutionen?
Es ist kein Fehlverhalten zu erkennen. Die Verwaltung ist gehalten, auf der Grundlage von Fakten, Recht und Gesetz sowie der daraus sich ergebenen Abwägung verschiedener öffentlicher wie privater Belange zu handeln. Zu jedem Zeitpunkt wurden die Regelungen aus der GO-SH, ebenso wie die der Hauptsatzung und der Zuständigkeitsordnung als Grundlage jeglichen Verwaltungshandelns beachtet. Die Verwaltung hat demgemäß öffentlich umfänglich zum vorliegenden Sachverhalt berichtet und ist mit den Betroffenen in den Dialog getreten, oder hat entsprechende Entscheidungen herbeigeführt.
c) Welche Veränderungen beabsichtigt der Bürgermeister auf Basis der Rüge und den erneuten Unwahrheiten für sein Kommunikationsverhalten in der Zukunft?
siehe Antwort zu 2b)