Nachfrage 1:
Warum wurde zu den Forschungsprojekten, den Untersuchungsberichten und den daraus abzuleitenden Ergebnissen bisher im Kulturausschuss nicht berichtet?
Antwort:
Eine systematische Provenienzforschung betreiben die LÜBECKER MUSEEN seit 2016. Wie in der VO/2022/11180-01 erläutert, fand die Untersuchung von eventuell NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut bislang im Rahmen von zwei über jeweils drei Jahre laufenden Projekten statt, die vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg (DZK) finanziert wurden.
Über den Beginn des ersten Projektes (Laufzeit 2016 - 2019) wurde dem Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege in seiner Sitzung am 14.03.2016 bereits berichtet. Zum Abschluss des Projektes wurden die Forschungsergebnisse in der Ausstellung „Der Herkunft auf der Spur“ vorgestellt, die vom 05.05.2019 bis zum 01.09.2019 im St. Annen-Museum und im Museum Behnhaus Drägerhaus zu sehen war. Zudem fand am 16. und 17.5.2019 eine öffentliche Tagung im ZKFL statt, die sich dem Forschungsprojekt und seinen Ergebnissen gewidmet hat („Provenienzforschung in Lübeck. Erwerbungen 1933 bis 1945“).
In seiner Sitzung am 13.5.2019 wurde der Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege sowohl auf die Tagung, als auch auf die Präsentation der Forschungsergebnisse in der Ausstellung hingewiesen. Da hierzu weder Nachfragen gestellt, noch eine entsprechende Bitte geäußert wurde, ist eine dezidierte Vorstellung der Forschungsergebnisse im Kulturausschuss nicht erfolgt.
Der Abschlussbericht zu dem ersten Forschungsprojekt ist über die Forschungsdatenbank proveana.de einsehbar.
Die Fortsetzung der Untersuchungen im Rahmen des zweiten dreijährigen Forschungsprojektes (2019 bis 2022) wurde erst im Oktober 2022 beendet, der Abschlussbericht wird voraussichtlich im April 2023 dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) übermittelt.
Grundsätzlich werden die offiziellen Abschlussberichte zu den Forschungen zunächst vom DZK geprüft und anschließend zur Veröffentlichung freigegeben. Eine öffentliche Vorstellung von Zwischenberichten findet daher nicht statt. In den nicht-öffentlichen Sitzungen des Stiftungsrats der Kulturstiftung wurde jedoch über den Fortschritt und über wichtige Ergebnisse der systematischen Provenienzforschung regelmäßig berichtet.
Zu der Berichterstattung über Restitutionen, die vor der Gründung des Museumsverbundes in 2006 vorgenommen wurden, können die aktuell Verantwortlichen keine konkreten Aussagen machen. Bei den Objekten handelt es sich jedoch offenbar um Einzelfälle, die nicht auf der Grundlage einer systematischen Erforschung der Sammlungen, sondern aufgrund von Rückgabeforderungen oder fokussierten Betrachtungen untersucht wurden. Über diese wurde dem Kulturausschuss vereinzelt berichtet (z.B. am 09.08.2004 zur geplanten Rückgabe des Lübecker Markt-Bildes von Cornelius Springer), bisweilen fanden offenbar auch regelmäßig Berichte statt (z.B. Kirchenglocke aus Staraja Russa, 12.02.2001, 07.05.2001).
Nachfrage 2:
Warum wurde zu den in der Vergangenheit vorgenommenen Restitutionen keine Beschlussfassung der Bürgerschaft für erforderlich gehalten?
Antwort:
Bei den bislang durch den Museumsverbund vorgenommenen drei Restitutionen (2016: Matthias Scheits „Kreuztragung Christi“, 2019: Wappenkissen; 2020: Armorfigur aus Bernstein) handelt es sich um Objekte, bei denen zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass ihr Erwerb in Zusammenhang mit nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen steht, und deren frühere Eigentümer:innen sowie deren Erben zweifelsfrei identifiziert wurden. Zwei der drei Restitutionen erfolgten durch berechtigte Herausgabeforderungen.
Handlungsgrundlage für diese Restitutionen sind die im Jahr 1998 verabschiedeten „Washingtoner Prinzipien“. Mit ihrer Erklärung zur „Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 („Gemeinsame Erklärung“) haben sich Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände zur Verwirklichung der Washingtoner Erklärung bekannt und sich verpflichtet, die Erforschung und Identifizierung von NS-verfolgungsbedingten Kulturgütern zu gewährleisten, die Eigentümer ausfindig zu machen und eine „gerechte und faire Lösung“ zu finden. Die Gemeinsame Erklärung unterstreicht, dass die Identifizierung und Rückgabe von NS-Raubgut zu den Kernaufgaben der öffentlichen Kultureinrichtungen gehört. Mit den bisherigen Untersuchungen und den drei Restitutionen ist der Museumsverbund der Aufforderung zur Erfüllung dieser Aufgabe nachgekommen.
Da gemäß §8 der Hauptsatzung der Hansestadt Lübeck der Bürgermeister über Objekte mit einem Wert bis 25.000 Euro entscheidet, war eine Beschlussfassung durch die Bürgerschaft nicht erforderlich.
Nachfrage 3:
Wann ist mit einem umfassenden Bericht zu den laufenden Forschungsprojekten zu rechnen?
Antwort:
Der Abschlussbericht zu dem Forschungsprojekt zur systematischen Untersuchung 2019-2022 soll im April 2023 dem DZK vorgelegt werden. Die anschließende Prüfung durch das DZK kann erfahrungsgemäß einige Monate dauern. Nach der Freigabe zur Veröffentlichung kann der Bericht in der Forschungsdatenbank proveana.de eingesehen werden. Der Kulturausschuss wird entsprechend informiert.
Der Bericht zu dem aktuellen Projekt zur Erforschung von Human Remains in der Völkerkundesammlung wird erst nach Abschluss des Projektes 2024/2025 vorliegen.
Nachfrage 4:
Es wird darum gebeten, dass die 32 belasteten Objekte, die an die Lost Art Datenbank
gemeldet wurden, einschl. der 11 Objekte, für die derzeit die Restitution vorbereitet wird, aufgelistet mit näheren Informationen dem Kulturausschuss zur Kenntnis gegeben wird
Antwort:
Siehe hierzu Anlage 1 (ausführliche Informationen zu den als bedenklich oder als belastet eingestuften Objekten, die im Rahmen des Forschungsprojektes 2016 – 2019 untersucht wurden).
Eine entsprechende Übersicht mit ausführlicheren Informationen über die Ergebnisse des zweiten längerfristigen Projektes kann erst mit der Freigabe des Abschlussberichtes durch das DZK übermittelt werden. Als Ergebnis dieses Projektes wurden bislang folgende Gemälde an die LostArt-Datenbank gemeldet:
- Karl Blechen: Landschaft mit Lehmkuhlen, o.D. (belastet)
- Heinrich Reinhold: Sorrent, Marina Piccola, vor 1823 (bedenklich)
- Rudolf Levy: Blumenstillleben, um 1925 (bedenklich)
- Ervin Bossanyi: Komposition mit knieender Frau, um 1925 (bedenklich)
- Ervin Bossanyi: Komposition mit Mädchen und Tier, um 1925 (bedenklich).