Vorlage - VO/2021/10726  

Betreff: TESTVORLAGE - OHNE BESCHLUSS -Fahrschein gegen Führerschein
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna Hagen
Federführend:5.610 - Stadtplanung und Bauordnung Bearbeiter/-in: Schreiber, Viktoria
Beratungsfolge:
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
12.01.2022 
Digitale Test-Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck      

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

 

Interfraktioneller Antrag SPD und CDU in der Bürgerschaft am 29.08.2019 (VO/2019/08106):

 

In verschiedenen Städten und Kreisen Deutschlands können Bürgerinnen und Bürger bei Abgabe ihres Führerscheins von ihrer Gemeinde eine entgeltfreie Jahreskarte für den ÖPNV erhalten. Diese Modelle sind zeitlich, organisatorisch und finanziell unterschiedlich ausgestattet.

Der Bürgermeister wird aufgefordert, der Lübecker Bürgerschaft hierzu spätestens im 1. Quartal 2020 zu berichten, und eine Empfehlung für die eventuelle Einführung eines solchen Modells in Lübeck abzugeben.

 

Anfrage des AM Birte Duggen (Bündnis 90/Die Grünen) im Hauptausschuss am 11.08.2020 (VO/2020/09077):

Wie ist der aktuelle Sachstand bzgl. Möglicher Modelle für die Abgabe des KfZ-Führerscheins in HL, gegen eine entgeltfreie Jahreskarte für den ÖPNV?“

 

Verfahren:

Der Bericht wurde dem Senior:innenbeirat vorab zur Kenntnis gegeben und dieser befürwortet ausdrücklich die Durchführung eines Modellversuchs.


 


Begründung

 

Im SH-Tarif, welcher auch in der Hansestadt Lübeck gilt, gibt es für Senior:innen kein einheitliches Angebot. In einigen Kreisen gibt es Seniorenmonatskarten. Die Vergünstigung beträgt im Regelfall 25 % im Vergleich zu einer normalen Monatskarte. Angebote dieser Art sind durch den Aufgabenträger vollständig auszugleichen.

 

Ein Modell zur Abgabe des Kfz-Führerscheins gegen eine entgeltfreie Jahreskarte für den ÖPNV wird in verschiedenen Städten als Pilotprojekt durchgeführt.

 

Der Landkreis Ludwigsburg (537.000 Einwohner:innen, Großraum Stuttgart) hat 2015 mit dem Projekt gestartet, rund 2.450 Tickets ausgegeben (tatsächliche Nachfrage) und nach dem kostenlosen Jahr eine Neukund:innen-Quote von rund 45 % erreicht. Wie viele Senior:innen insgesamt seit 2015 ihren Führerschein abgegeben haben, ist nicht dokumentiert worden. Auch ist nicht bekannt, wie viele Senior:innen ohnehin auf ein Jahresabonnement im ÖPNV wechseln würden. Der Landkreis Ludwigsburg und der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart tragen die Kosten für dieses Modell. Konkrete Aussagen zu den tatsächlichen Kosten konnte der Landkreis nicht nennen.

 

Bamberg (78.000 Einwohner:innen) hat „die Bamberger Einkaufskarte“r 12 Monate eingeführt. Hierbei kann jede Person, die ihren Erstwohnsitz in Bamberg hat, ihren Führerschein abgeben und erhält ein kostenloses Jahresticket. Dieses Ticket gilt montags bis freitags ab 9:00 Uhr, samstags, sonntags und an Feiertagen ganztags. Erhebungsdaten gibt es bei diesem Projekt noch keine.

 

In Recklinghausen (114.000 Einwohner:innen) erhält man seit Mai 2018 bei Abgabe des Führerscheins ein kostenloses Ticket2000 für drei Monate. Wird im Anschluss ein 12-monatiges Abonnement abgeschlossen, werden die letzten drei Monate im ersten Vertragsjahr nicht berechnet. Eine Altersbeschränkung gibt es hierbei nicht. Seit Beginn an haben 114 Personen dieses Angebot genutzt, davon haben 17 Personen im Anschluss ein Abonnement abgeschlossen.

 

Wer aus Altersgründen ab 63 Jahren seinen Führerschein in der Stadt Kaufbeuren (44.000 Einwohner:innen) freiwillig abgibt, erhält im Gegenzug ein einjähriges kostenfreies Abo für den Stadtbus. Im Jahr 2017 haben insgesamt 96 Bürger:innen ihren Führerschein gegen ein Abonnement getauscht, 2018 waren es 62 und 2019  44 Bürger:innen. Die Kosten für ein Jahresabonnement, welche die Stadt Kaufbeuren trägt, belaufen sich auf rund 570,00 Euro pro Abonnement. Diese Aktion wurde unbefristet verlängert.

 

Die Kosten für ein kostenloses Jahresticket ssten von der Hansestadt Lübeck voll getragen werden. Ein ABO-Monatsticket der Stufe 2 kostet derzeit 51,67 Euro. Die jährlichen Kosten würden sich pro Ticket auf 620,04 Euro belaufen. Der Grad der weiteren Inanspruchnahme des Jahresabonnements nach dem kostenlosen Jahr kann nicht prognostiziert werden. Ebenfalls ist es nicht vorhersehbar, ob die Personen auch ohne ein solches Angebot ihren Führerschein abgeben würden und sich ein Busticket mit anschließendem Abonnement kaufen würden.

 

Die Führerscheinstelle der Hansestadt Lübeck führt keine Statistik darüber, wie viele Se-nior:innen (Ü60/65) freiwillig ihren Führerschein abgeben. Die mögliche Anzahl von Se-nior:innen, die ein solches Angebot nutzen würden, kann daher nicht abgeschätzt werden.

 

r das Best-Case-Szenario, orientiert an Ludwigsburg und angepasst an die Lübecker Einwohnerzahl, kann von einer Resonanz von knapp 200 ausgegebenen Tickets im Jahr und einer Kund:innen-Bindung von 45% bzw. 90 Personen ausgegangen werden. Die Kosten für die 200 kostenlosen Jahresmonatskarten beliefen sich auf knapp 158.000,00 Euro pro Jahr. Legt man die Gesamtkosten auf die vermutlich zusätzlich gewonnenen Neukund:innen um, kostet die Neukund:innen-Gewinnung pro Kopf 1.762,00 Euro.

 

Das Worst-Case-Szenario, orientiert an Recklinghausen, hätte eine Resonanz von 108 ausgegebenen Tickets und eine Kund:innen-Bindungsquote von rund 19% bzw. 21 Personen. Die Kosten würden sich auf 85.000,00 Euro pro Jahr belaufen. Die Neukund:innen-Gewinnung kostet in diesem Szenario 4.078,00 Euro pro Kopf.

 

Im Ergebnis ist festzustellen, dass mit Ausnahme des Kreises Ludwigsburg kaum nennenswerte zusätzliche Fahrgäste durch die Einführung eines Modells Monatskarte im Tausch gegen den Führerschein erzielt werden.

 

Es wird vorgeschlagen, ein Modellversuch in Lübeck mit 500 Tickets, mit einer Laufzeit von drei Jahren, durchzuführen. Die ersten 500 Personen im Alter von über 65 Jahren, die ihren Führerschein abgeben, erhalten ein kostenloses Jahresticket der Tarifzone 2. Eine Ausgabe dieser Tickets könnte über die Führerscheinstelle bei Abgabe des Führerscheins erfolgen. Die Kosten i. H. v. rund 315.000,00 Euro r einen Zeitraum von drei Jahren, stehen im Produkt 547001 Aufgabenträgerschaft zur Verfügung bzw. werden in den Folgejahren dort geordnet.

 

Die Höhe der hrlichen Nachfrage für eine Erstinanspruchnahme ist vorab nicht ermittelbar. Ebenfalls ist es zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbar, wie viele Personen nach Ablauf des Modelljahres weiterhin ein Jahresabo für den ÖPNV nutzen werden.

 

Es wird eine Laufzeit von mindestens drei Jahren empfohlen, um die Nachhaltigkeit der Ticketnachfrage ermitteln zu können und damit auch ein Kosten-Nutzenverhältnis ermitteln zu können. Mit Abschluss des Modellversuchs wird ein Bericht hierzu erstellt.

 

 


 


Anlagen