Vorlage - VO/2020/09374-01  

Betreff: Einrichtung verkehrsberuhigter Bereiche und weiterer alternativer Straßennutzungen
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna HagenBezüglich:
VO/2020/09374
Federführend:5.660 - Stadtgrün und Verkehr Bearbeiter/-in: Krause, Andreas
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bauausschuss zur Kenntnisnahme
02.08.2021 
54. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
16.08.2021 
55. Sitzung des Bauausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

 

  1. Antrag AM Arne-Matz Ramcke (Bündnis 90 / Die Grünen) in der Sitzung des Bauausschusses am 16.11.2020 (VO/2020/09374) – „Einrichtung verkehrsberuhigter Bereiche und weiterer alternativer Straßennutzungen“
  2. Antrag AM Carl Howe (GAL) VO/2020/08892 – „Einrichtung von Spielstraßen“

 

Zu 1.:

Die Verwaltung wird aufgefordert, bis spätestens Anfang 2021 hinsichtlich der unten genannten Straßennutzungen (1. 4.) zu prüfen und zu berichten:

  1. Welche straßenrechtlichen und straßenverkehrsrechtlichen Möglichkeiten bestehen jeweils, um diese in Lübeck einzurichten?
  2. Welche Voraussetzungen müssen jeweils erfüllt sein?
  3. In welchen Fällen haben die Gemeinden Handlungshoheit und in welchen sind Landes- oder Bundesebene beteiligt?

 

Zu prüfen sind folgende Straßennutzungen:

  1. Verkehrsberuhigter Bereich allgemein und speziell nach dem Freiburger Modell
  2. Temporäre Spielstraße
  3. Schulstraßen
  4. Begegnungszonen



Zu 2.:

Die Verwaltung möge bis zur nächsten Sitzung des Bauausschusses berichten, welche Straßen verkehrsberuhigt werden sollen, damit Menschen auf engen Gehwegen bei Begegnungen, den gebotenen Mindestabstand von 1,50m einhalten können, ohne auf die Straßenfahrbahn ausweichen zu müssen.

Außerdem möge die Verwaltung in Wohngebieten kurzfristig Spielstraßen einrichten. Vorschläge von Anwohner:innen sind hierbei zu berücksichtigen.

 

 


Begründung

 

Da beide Anträge ähnliche Themen aufgreifen, werden diese in einem gemeinsamen Bericht bearbeitet.

 

Vorangestellt wird der Hinweis, dass in der Straßenverkehrsordnung (StVO) vorgegeben ist, dass die Nutzung der Fahrbahn dem fließenden Verkehr vorbehalten ist. Gequert werden soll diese nur auf direktem Weg. Lediglich in verkehrsberuhigten Bereichen und Spielstraßen kann auf der gesamten Straßenfläche auch gegangen oder gespielt werden.

 

Verkehrsberuhigter Bereich allgemein und speziell nach dem „Freiburger Modell“

 

zu a) + b)

Die straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen sind in der StVO und der dazugehörigen Verwaltungsvorschrift (VwV-StVO) geregelt.

 

Auszug aus den Verwaltungsvorschriften zu den Verkehrszeichen 325.1 und 325.2 Verkehrsberuhigter Bereich:

I. Ein verkehrsberuhigter Bereich kann für einzelne Straßen oder Bereiche in Betracht kommen. Die Straßen oder Bereiche dürfen nur von sehr geringem Verkehr frequentiert werden und sie müssen über eine überwiegende Aufenthaltsfunktion verfügen. Solche Straßen oder Bereiche können auch in Tempo 30-Zonen integriert werden.

 

II. Die mit Zeichen 325.1 gekennzeichneten Straßen oder Bereiche müssen durch ihre besondere Gestaltung den Eindruck vermitteln, dass die Aufenthaltsfunktion überwiegt und der Fahrzeugverkehr eine untergeordnete Bedeutung hat. In der Regel wird ein niveaugleicher Ausbau für die ganze Straßenbreite erforderlich sein.

 

III. Zeichen 325.1 darf nur angeordnet werden, wenn Vorsorge für den ruhenden Verkehr getroffen ist.

 

zu c)

Die Planungshoheit liegt bei der Gemeinde. Eine Umsetzung kann allerdings nur im Rahmen der Möglichkeiten, die durch die Straßenverkehrsordnung vorgegeben sind, erfolgen.

 

 

Verkehrsberuhigter Bereich nach dem „Freiburger Modell

Dieses Modell wird in Freiburg für vorhandene Straßen in älteren Wohngebieten angewandt. Hierbei werden - nach sorgfältiger Prüfung und sofern dies von den Anwohner:innen mehrheitlich befürwortet wird - bestehende Straßen so umgestaltet, dass diese den Anforderungen eines verkehrsberuhigten Bereiches entsprechen. Bestehende Straßen in älteren Wohngebieten weisen meist den üblichen Straßenquerschnitt mit seitlichen, durch Bordstein abgetrennten Gehwegen auf. Um auch hier verkehrsberuhigte Bereiche ohne einen aufwändigen Umbau einrichten zu können, sieht das Konzept der Stadt Freiburg vor, mit einfachen Mitteln einzelne Straßen so umzugestalten, dass diese vom Verkehrsteilnehmer:innen neben der Beschilderung auch im Charakter als "Spielstraße" wahrgenommen werden. Dazu dienen Querstreifen und Poller im Eingangsbereich, farbige Bodenpiktogramme, Einengungen, versetzte Parkplätze und gesonderte Spielbereiche. Durch die damit verbundene Neuaufteilung der Flächen zugunsten der Verkehrssicherheit und der Aufenthaltsqualität kann es dabei zu einer Verringerung von Parkmöglichkeiten in den betreffenden Straßen kommen.

 

In Schleswig-Holstein gibt es diese Möglichkeit des einfachen Umbaus aber nicht. Dazu wurde im aktuellen Erlass des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus vom 10.09.2019 folgendes festgelegt:

 

Ein niveaugleicher Ausbau ist zwar nicht obligatorisch vorgeschrieben, jedoch in Ziff. II der VwV-StVO zu den Zeichen 325.1 und 325.2 als Regelvoraussetzung benannt, da nur auf diese Weise eine überwiegende Aufenthaltsfunktion auch gestalterisch überzeugend vermittelt werden kann. Dementsprechend sollen verkehrsberuhigte Bereiche in der Regel so ausgestaltet sein, dass eine optische und/ oder bauliche Trennung (z.B. Hochborde, durch Verwendung unterschiedlicher/ verschiedenfarbiger Bodenbeläge abgesetzte Gehwege etc.) für unterschiedliche Verkehrsarten zur Verfügung stehender Bereiche unterbleibt. Hierauf soll insbesondere bei der Planung neuer oder der Umgestaltung bestehender verkehrsberuhigter Bereiche hingewirkt werden. Abweichungen von diesen Vorgaben kommen nur in (besonders zu begründenden) atypischen Ausnahmefällen in Betracht. Baulich angelegte Parkbuchten und Parkstreifen sind mit den Gestaltungsvorgaben nach den VwV-StVO zu den Zeichen 325.1 und 325.2 grundsätzlich vereinbar, soweit hierdurch Parkflächen erkennbar abgegrenzt werden und der gestalterische Gesamteindruck einer überwiegenden Aufenthaltsfunktion nicht verloren geht.

Die Entscheidung, ob ein verkehrsberuhigter Bereich eingerichtet werden soll, obliegt der Gemeinde als örtliche Planungsträgerin. Sind die örtlichen und baulichen Voraussetzungen für einen verkehrsberuhigten Bereich erfüllt (vgl. VwV-StVO zu den Zeichen 325.1 und 325.2) so hat die Straßenverkehrsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde die notwendigen Anordnungen zur Kennzeichnung zu treffen.“

 

Zusätzlich zu den erforderlichen baulichen Voraussetzungen (z.B. niveaugleicher Ausbau), die für die Einrichtung von verkehrsberuhigten Bereichen erforderlich sind, wird darauf hingewiesen, dass von den dort Wohnenden die Reinigung und der Winterdienst der gesamten Verkehrsfläche vorzunehmen sind und das Parken nur in gekennzeichneten Bereichen zugelassen ist. Auch ist vielen nicht bewusst, dass die Regelung der einzuhaltenden Schrittgeschwindigkeit auch für den Fahrradverkehr gilt.

 

Temporäre Spielstraße

 

Nach der StVO ist die Anordnung einer Spielstraße unter gewissen Bedingungen in besonderen Einzelfällen möglich. So kann z.B. der Mangel an Spielptzen ein Grund für eine nähere Prüfung sein. Die entsprechende Beschilderung mit VZ 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art + Zusatzzeichen) erlaubt Kindern, auch auf der Fahrbahn und dem Seitenstreifen zu spielen.

 

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Diese Regelung kann auch zeitlich beschränkt angeordnet werden, in der entsprechenden Zeit wäre dann das Befahren der Straße, auch mit Fahrrädern, nicht gestattet. Geparkt werden darf dann ebenso in dieser Zeit nicht und die Kfz wären vorher aus dem Bereich zu entfernen.

 

Zu der Einrichtung von Verkehrszeichen wird in § 45 Abs. 9 StVO ausgeführt: Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. … Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.“

 

Bei der Anfrage nach einer „Spielstraße“ war bislang immer die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereiches gemeint.

Wegen der nicht unerheblichen Einschränkungen für die dort Wohnenden ist diese Art der Beschilderung in Lübeck daher nie direkt nachgefragt worden.

 

 

Schulstraßen und Begegnungszonen

 

Beide Begriffe kennt die StVO nicht!

Als Begegnungszone kann man den verkehrsberuhigten Bereich oder den Shared Space verstehen.

r den Shared Space gibt es folgende Regelung durch unser Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus:

 

Shared-Space-Bereiche lassen sich nur in gemeinsamer Verantwortung der zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden sowie der Polizei nach sorgfältiger Prüfung der örtlichen Gegebenheiten unter besonderer Berücksichtigung der speziellen Sicherheitsbelange von schwächeren Verkehrsteilnehmern in geeigneten Fällen realisieren. Dabei braucht grundsätzlich jede für einen Shared-Space-Bereich vorgesehene Örtlichkeit eine „maßgeschneiderte“sung unter Abwägung aller unterschiedlichen verkehrlichen Faktoren.

 

Hinweis:

Die Einrichtung eines Shared Space wurde bisher nicht beantragt und auch aus verkehrsplanerischer Sicht bisher nicht vorgeschlagen.

Es wurden allerdings im Bericht an die Bürgerschaft vom 5. August 2013 zur Einrichtung von „Shared Space denkbare Einsatzmöglichkeiten angerissen (VO/2013/00748).

 

Von der Verwaltung können mithin keine Straßen benannt werden, für die eine dem Antrag 2 entsprechende Regelung eingeführt werden kann.

Es wird zudem darauf hingewiesen, dass aus Gründen des Gesundheits- und Infektionsschutzes keine straßenrechtlichen oder baulichen Handlungserfordernisse resultieren, wenn aufgrund der vorhandenen Gehwegbreite der Mindestabstand von 1,5 m im Begegnungsfall unterschritten werden sollte.

 


Anlagen


 

Stammbaum:
VO/2020/09374   AM Arne-Matz Ramcke (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN): Einrichtung verkehrsberuhigter Bereiche und weiterer alternativer Straßennutzungen   Geschäftsstelle der Fraktion BÜ90 DIE GRÜNEN   Antrag eines Ausschussmitgliedes
VO/2020/09374-01   Einrichtung verkehrsberuhigter Bereiche und weiterer alternativer Straßennutzungen   5.660 - Stadtgrün und Verkehr   Bericht öffentlich