Die Bürgerschaft hat mit Beschluss aus der 33. Sitzung vom 30.11.2017 bzw. 12.12.2017 (Haushaltsbegleitbeschluss zum Punkt 10.12.17 (Nr. 6) mit VO Nr. 05571 beschlossen:
„Es werden 2 Stellen (140.000,-- Euro) zur Betreuung und Befriedung der offenen Drogen-szene und für die Drogenberatung und Streetworking geschaffen und mit einem Sperrver-merk versehen.
Dem Jugendhilfeausschuss, dem Ausschuss für Umwelt-, Sicherheit und Ordnung und dem Ausschuss für Soziales ist bis März 2018 ein Konzept vorzulegen. Anschließend Beschluss in der Bürgerschaft.
Die Federführung zur Konzepterstellung hat der Bereich 2.530 Gesundheitsamt unter Beteiligung der Sozialen Sicherung, der Jugendhilfe und des Ordnungsamtes.“
a) Ausgangslage
Es handelt sich um die Gewährung von Zuschüssen zur Finanzierung freier Träger für die Drogenberatung und Streetworking.
Zur Vorbereitung des Berichtes fanden diverse Gespräche auf Verwaltungsebene und auch mit den eventuell zu beteiligenden Organisationen AWO-Drogenberatungsstelle (Frau Mechnich) und Sucht-/Wohnungslosenberatung der Vorwerker Diakonie (Herr Ulrich) statt.
Die beiden Beratungsstellen wurden gebeten, einen Konzeptentwurf zu erstellen, da es sinnvoll ist, die beiden Streetworker-Stellen bei den dazu schon vorhandenen Einrichtungen anzusiedeln.
b) Konzept der AWO
Die AWO beantragt insgesamt 2 Stellen, 1 Stelle davon ist eine Streetworker-Stelle, die eindeutig sinnvoll und notwendig ist. Die andere Stelle ist keine Streetworker-Stelle, sondern erweitert die Drogenberatungsstelle, wobei u. a. auch die „normale“ Prävention gestärkt werden soll, was zwar sinnvoll ist, aber insgesamt mit anderen Anbietern und der Stadt, die auch auf diesem Gebiet tätig ist in Umsetzung des Suchthilfeplans, erfolgen muss.
Als sehr sinnvoll anzusehen ist das Ziel, sich dem Programm FITKIDS anzuschließen und die Drogenberatung im Migrationsbereich zu verstärken. Diese Tätigkeiten sind sinnvoll, erfordern aber nicht eine ganze zusätzliche Stelle.
Die Begründung der AWO kann nicht überzeugen. So sind zwar die Fälle in der Polizeistatistik gestiegen, in Diskussionen dazu mit der Polizei wurde aber auch darauf hingewiesen, dass deutlich mehr Kontrollen als früher gemacht wurden, wobei es sich in erster Linie um Kontrollen bezüglich Cannabis-Konsum handelt.
Auch die Angaben aus der BADO-Auswertung 2016 sind insofern nicht zielführend, als es wesentlich mehr Hilfsangebote insgesamt im Bereich der illegalen Substanzen gibt im Vergleich zum Alkoholbereich.
Es ist dabei auch auf den Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom Juli 2017 hinzuweisen, aus dem hervorgeht, dass der Cannabis-Konsum nicht so angestiegen ist, wie immer wieder behauptet wird. So gibt es bei den 12 bis 17 Jährigen im Vergleich zwischen 2004 und 2015 sogar einen Rückgang, wobei in den Jahren 2004 bis 2011 zunächst ein Rückgang um 2% zu verzeichnen war, bei dem danach folgenden Anstieg wurde aber das Niveau des Jahres 2004 noch nicht erreicht. Bei den 18 bis 25 Jährigen befindet sich der Cannabis-Konsum auf dem Niveau von 2004, bei den 18 bis 59 Jährigen lag die 12-Monats-Prävalenz auf dem Niveau des Jahres 2003.
Im Bundesdrogen- und Suchtbericht wird die Anzahl der Todesopfer durch illegale Drogen im Jahre 2016 mit 1.333 angegeben.
c) Konzept der Vorwerker Diakonie
Die Vorwerker Diakonie beantragt insgesamt 2 Stellen, 1 Stelle davon wird mit 2-Zeitanteilen von SozialpädagogInnen besetzt.
Mit den beiden beantragten Stellen soll in der Nähe der schon vorhandenen Einrichtungen der Vorwerker Diakonie in der Innenstadt, die sich mit dem Thema Suchthilfe/ Obdachlosenhilfe befassen, eine zusätzliche niedrigschwellige Einrichtung („Die BAR“) geschaffen werden.
Durch den Streetworkanteil im Konzept sollen Personen aus dem Alkoholbereich bzw. auch aus dem Bereich der Mehrfachabhängigen, die oft durch sehr abweichendes Verhalten auffallen und die durch die vorhandenen Systeme nur schwer erreicht werden können, in die niedrigschwellige Einrichtung vermittelt werden, um sie dann anderen Hilfen zuzuführen (Arbeit, Wohnung, Tagesstrukturierung der Beschäftigung). Besonders hingewiesen wird dabei auf Menschen mit Migrationshintergrund. Vorgesehen ist dabei auch eine Kooperation mit dem Gesundheitsmobil.
Der vorgesehene Einsatz von Streetworkern ergänzt dabei das schon vorhandene System der Sozialen Hilfen der Vorwerker Diakonie sehr sinnvoll.
Aus dem Drogen-Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom Juli 2017 geht hervor, dass bei einer 30 Tage Prävalenz 70,4% der 18 bis 64-jährigen Deutschen Alkohol trinken, ein riskanter Konsum wird bei 21,4% angegeben. Pro Jahr wird pro Kopf in Deutschland 12,14 Liter Alkohol konsumiert (weltweit 6,04 Liter), damit ist Deutschland ein Hochkonsumland. Bei Jugendlichen wird angegeben, dass sie bei den 12 bis 17 Jährigen zu 10% in der letzten Woche Alkohol getrunken haben, bei den 18 bis 25 Jährigen werden 33,6% angegeben.
Seit 2000 wird über eine Zunahme der Krankenhausfälle in Bezug auf vollständig auf Alkohol zurückzuführende Fälle berichtet. Besonders berichtet wird über das fetale Alkoholsyndrom, wobei pro Jahr in Deutschland 10.000 Babys mit alkoholbedingten Folgeschäden geboren werden. Die volkswirtschaftlichen Schäden des Alkoholkonsums in Deutschland werden je nach Berechnungsansatz auf 26 bis 40 Milliarden Euro jährlich geschätzt, der schädliche Alkoholkonsum verursacht für die gesetzliche Krankenversicherung pro Quartal und Fall Kosten in Höhe von 660,-- Euro bzw. 800,-- Euro. Die alkoholbedingte Mortalität in Deutschland wird meist mit ca. 70.000 bis 80.000 Toten pro Jahr beschrieben.
Fazit:
Die bestehenden Basisdaten (siehe oben) zeigen einen zunehmenden Bedarf sowohl in der Suchthilfe im Bereich der illegalen Drogen als auch im Bereich der Suchthilfe der legalen Drogen (hier Alkohol). Besonders zu berücksichtigen ist in beiden Bereichen auch die in den letzten Jahren deutlich zunehmende Problematik im Bereich der Suchthilfe mit den legalen Drogen und illegalen Drogen, die mit der Migration verbunden ist. Hinzuweisen ist des Weiteren darauf, dass in den letzten Jahren die chronische Mehrfachabhängigkeit deutlich zugenommen hat, teilweise steht dabei die Alkoholabhängigkeit im Vordergrund bei gleichzeitiger Nutzung illegaler Substanzen, teilweise ist es genau umgekehrt.
Die von der AWO und der Vorwerker Diakonie vorgelegten Konzepte berücksichtigen genau diese Tatsachen und fügen sich jeweils sehr gut in die schon vorhandene Struktur beider Anbieter ein und ergänzen diese sehr sinnvoll im wichtigen niedrigschwelligen Bereich. Beide berücksichtigen auch die schon mehrfach diskutierte Achse zwischen Krähenteich und Bahnhof, sodass sich beide Maßnahmen ergänzen und dazu sehr geeignet sind, die dort bestehende Problematik nachhaltig zu bearbeiten mit dem Ziel, die betroffene Klientel optimal zu versorgen und zu beraten und die Rehabilitation zu beschleunigen.
Aus Sicht der Verwaltung sollten die beiden von der Bürgerschaft neugeschaffenen Streetworker-Stellen zu gleichen Anteilen an die Drogenhilfe der AWO und die Suchthilfe der Vorwerker Diakonie vergeben werden.
Nach Auskunft des Bereiches 1.102 - Logistik, Statistik und Wahlen ist eine Ausschreibung für die Mittelvergabe bzw. Stellenbesetzung nicht erforderlich.
Das Zuschussbudget der Vorwerker Diakonie und der AWO wird infolgedessen um je EUR 70.000,- zur Besetzung der Stellen erhöht. Gleichzeitig werden auch die Zielvereinbarungen entsprechend angepasst.
Die Besetzung der Streetworkerstellen erfolgt zunächst nur befristet für zwei Jahre; auch die Anpassung der Zuschüsse erfolgt zunächst nur befristet für zwei Jahre.