Auszug - Antrag des AM Lars Lehrke (Die Unabhängigen): Austauschantrag zu Rüge des Bürgermeisters wegen mangelnder Unterrichtung der Gremien  

80. Sitzung des Hauptausschusses
TOP: Ö 7.1
Gremium: Hauptausschuss Beschlussart: geändert beschlossen
Datum: Di, 09.05.2023 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 16:30 - 17:50 Anlass: Sitzung
Raum: Bürgerschaftssaal
Ort: Rathaus, 23552 Lübeck
VO/2023/12074-01 Antrag des AM Lars Lehrke (Die Unabhängigen): Austauschantrag zu Rüge des Bürgermeisters wegen mangelnder Unterrichtung der Gremien
   
 
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsstelle der Fraktion Die Unabhängigen Bearbeiter/-in: Szampanska, Karoline
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Der Vorsitzende erteilt Herrn Ziemann das Wort.

 

Herr Ziemann nimmt Bezug auf die bisherige Erörterung der Thematik im Hauptausschuss und erhebt Einwände gegen die Rüge aus rechtlicher Sicht. Herr Ziemann geht auf zwei für ihn wesentlichen Aspekte ein und führt zum einen aus, dass die formulierten Vorwürfe einer vorsätzlichen Verletzung von Dienstpflichten des Bürgermeisters keine einfache Rüge, sondern eine qualifizierte Missbilligung darstellen würden. Diese könne der Hauptausschuss in seiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter jedoch nicht aussprechen, da ihm die Disziplinarbefugnis fehle. Dies sei vielmehr Sache der Kommunalaufsicht. Zum anderen gibt Herr Ziemann zu den Punkten 3 und 4 des Antrags zu bedenken, dass mit dem nicht erwiesenen Vorwurf der Lüge der Tatbestand der üblen Nachrede gem. § 186 StGB erfüllt sein könnte. 

 

Eine Nachfrage von AM Lehrke zur Zuständigkeit des Hauptausschusses beantwortet Herr Ziemann.

 

Eine Nachfrage von AM Dr. Flasbarth zur Unterscheidung zwischen einfacher und qualifizierter Missbilligung beantwortet Herr Ziemann.

 

Auf Antrag von AM Lehrke wird die Sitzung um 16.56 Uhr für 10 Minuten unterbrochen.

 

Nach Wiedereintritt in die Tagesordnung um 17.06 Uhr teilt Herr Lehrke mit, dass er seinen Antrag aufrechterhält und begründet dies.

 

AM Prieur spricht hierzu und beantragt eine punktweise Abstimmung des Antrags.

 

Der Vorsitzende bittet darum, den anschließenden Redebeitrag von AM Dr. Flasbarth wörtlich zu Protokoll zu nehmen.

 

Wortprotokoll Redebeitrag AM Dr. Flasbarth:

Ich möchte mich bei Herrn Ziemann bedanken für die rechtlichen Ausführungen. Wir glauben in der Tat, dass es sich hier jetzt um eine einfache Missbilligung handelt. Und wenn sich dann im Nachhinein herausstellt, dass es eine qualifizierte ist, dann wird das halt ein Fall für die Kommunalaufsicht. Wir unterstützen den Antrag der Unabhängigen, auch aus unserer Sicht ist das Verhalten des Bürgermeisters zu rügen. Und ich möchte gerne aus einem Protokoll vorlesen. Ein Protokoll, dass öffentlich geworden ist dadurch, dass die Angehörigeninitiative des HGH per Informationszugangsgesetz Zugang zu diesem Protokoll bekommen hat. Und darum darf ich das hier verlesen. Das ist ein Protokoll von einem Treffen am 08.03.2022. An diesem Treffen haben ungefähr zwanzig Leute teilgenommen, auch der Bürgermeister, Frau Hagen, der ehemalige Sozial- und Wirtschaftssenator, einige Bereichsleiter:innen, Abteilungsleiter:innen, externe Planer. Und in diesem Protokoll ist vermerkt, wie gesagt am 08.03. fand das Meeting statt, ist die Aussage vermerkt: „Bisher gilt die Aussage der Bürgerschaft, das HGH wird auch weiterhin ein Alten- und Pflegeheim sein. Abteilungsleiter XY weist deshalb deutlich darauf hin, dass die Bürgerschaft als beschlussfassendes Organ zeitnah zu informieren ist.“ März 22. Also zum einen weist ein Abteilungsleiter deutlich darauf hin, das Wort „deutlich“ steht so im Protokoll, und auch die Protokollierende fand es offensichtlich so wichtig, diese Nachricht aufzunehmen ins Protokoll, so dass es dann alle lesen können. Ich kann es gerne nochmal lesen, im Protokoll steht „Bisher gilt die Aussage der Bürgerschaft, das HGH wird auch weiterhin ein Alten- und Pflegeheim sein. Abeilungsleiterin XY weist deshalb deutlich darauf hin, dass die Bürgerschaft als beschlussfassendes Organ zeitnah zu informieren ist.“ Das war im März. Im März ist außerdem die grundlegende Planung gestoppt worden für das HGH und im März ist auch die Kostenzusammenstellung gestoppt worden. Die letzte Kostenzusammenstellung, die wir bis heute haben, ist aus dem März. Im Juni gab es dann ein weiteres Treffen, ungefähr im gleichen Kreis. Diesmal war auch Frau Steinrücke dabei und nicht Herr Schindler. Und dort steht im Protokoll ganz explizit das vermerkt, was auch der Bürgermeister in seiner Stellungnahme erwähnt hat. Die grundhafte Sanierung und die Umsetzung des genehmigten Brandschutzkonzeptes wurden ganz explizit gestoppt. Das wurde der Bürgerschaft nicht mitgeteilt. Und im September 2022 habe ich dann im Hauptausschuss nach einem Sachstandsbericht zum Brandschutz gefragt. Das konnte oder wollte mündlich nicht beantwortet werden und darum gab es schriftlich im September 2022 die Aussage: „Momentan erfolgt die Erarbeitung einer Kostenzusammenstellung im Sinne einer Machbarkeitsstudie und parallel dazu wird ein Interimskonzept erstellt.“ So, diese Aussage ist aus meiner Sicht zum einen eine Lüge und zum anderen ist sie aus meiner Sicht eine arglistige Täuschung. Es ist eine bewusste Täuschung der Bürgerschaft, denn bis zum September sind wir davon ausgegangen und war der Informationsstand der Bürgerschaft, dass wir in Q1 oder Q2 letzten Jahres ein Konzept bekommen sollten für die Umsetzung des Brandschutzes. Wenn dann auf eine Nachfrage nach dem Brandschutz geantwortet wird, ja wir arbeiten an einer Kostenzusammenstellung im Sinne einer Machbarkeitsstudie, dann ist der Eindruck, den man gewinnen muss, es wird weiterhin am Brandschutz gearbeitet. Stattdessen wurde aber nicht mehr an der Umsetzung des Brandschutzkonzepts gearbeitet. Es wurde die Schließung vorbereitet. Es war die Schließung beschlossen, die Schließung wurde vorbereitet, es bestand ein Aufnahmestopp und es drohte eine Nutzungsuntersagung. Und das Ganze ist ein halbes Jahr passiert nachdem die Mitarbeiter:innen den Bürgermeister darauf aufmerksam gemacht haben. Warum war das eine Lüge? Das war eine Lüge, weil momentan wie in dieser Antwort steht eben keine Kostenzusammenstellung erfolgte. Die Kostenzusammenstellung wurde im März gestoppt. Wir haben den Planer gefragt, „Wann haben Sie gearbeitet an der Kostenzusammenstellung?“ Der Planer hat gesagt „Ich habe im März aufgehört und im Dezember nach dem Bürgerschaftsbeschluss habe ich wieder angefangen. Im September habe ich nicht an der Kostenzusammenstellung gearbeitet.“

  • Ende Wortprotokoll -

 

Herr Groth erläutert mit Bezug auf die Stellungnahme des Bürgermeisters den Ablauf seitens der Verwaltung und stellt klar, dass es in dem vom AM Dr. Flasbarth zitierten Gespräch nicht darum ging, die generelle Planung zu stoppen, sondern ein Interimskonzept mit der Bauordnung abzustimmen, um eine sofortige Nutzungsuntersagung zu verhindern. Herr Groth macht weiterhin deutlich, dass die Verwaltung zu keinem Zeitpunkt eine Planung gestoppt habe, sondern im Rahmen von Prioritätensetzung gehandelt worden sei und dass der Bürgermeister hinsichtlich der Information der Gremien den ihm zustehenden Ermessenspielraum ausgeübt habe.

 

Frau Zunft bemängelt die späte Information durch den Bürgermeister und hinterfragt das ausgeübte Ermessen.

Herr Groth weist darauf hin, dass die Verwaltung auf der Grundlage von Fakten berichtet, wenn der Sachverhalt aufgeklärt ist und die Verwaltung Lösungen anbieten kann. Alles andere sei aus seiner Sicht fahrlässig.

 

An der weiteren Diskussion beteiligen sich AM Duggen, Herr Groth, AM Dr. Flassbarth, AM Luetkens, Frau Jansen, AM Reinhardt, AM Dr. Lengen, Frau Zunft und AM Lehrke.

 

AM Duggen vertritt die Auffassung, des es sich bei der Rüge nicht um eine qualifizierte Missbilligung handeln würde. Sie kritisiert die Ausführungen von Herrn Ziemann hinsichtlich möglicher Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung.

 

AM Dr. Flassbarth bittet, seinen folgenden Wortbeitrag zu Protokoll zu nehmen:

AM Dr. Flassbarth führt aus, dass er sein Auswahlermessen hinsichtlich der Rüge sehr sorgfältig abgewogen habe. Im Weiteren teilt AM Dr. Flassbarth mit, dass er es begrüßen würde, wenn der Bürgermeister rechtliche Schritte einleiten würde, damit von professioneller und offizieller Seite dieses Fehlverhalten aufgeklärt werden könne.

 

Frau Jansen spricht sich dafür aus, die Kommunalaufsicht als neutrale Stelle einzubinden.

 

AM Reinhardt betont, dass bislang in keiner Weise ein Beschluss gefasst worden sei, das HGH zu schließen.

 

AM Dr. Lengen beurteilt das Verhalten des Bürgermeisters als angemessen und besonnen.

 

AM Lehrke erklärt, dass er Herrn Lindenau mit dem Antrag nicht persönlich diskreditieren möchte und dass es sich bei der Rüge seiner Meinung nach nicht um eine qualifizierte Missbilligung handeln würde. Vielmehr gehe es ihm darum, auf die künftige Zusammenarbeit der Verwaltung mit der Politik einzuwirken. 

 

Eine Nachfrage von Frau Zunft zur Ausübung des Ermessens durch den Bürgermeister beantwortet Herr Groth.

 

Zu den Ausführungen von AM Lehrke weist Herr Groth auf den Unterschied zwischen dem Vorwurf einer zu späten und unvollständigen Information und dem Vorwurf einer wahrheitswidrigen Information hin.

Zur Umsetzung des Brandschutzkonzepts nimmt Herr Groth auf die umfängliche Berichterstattung zu der Thematik im Sozialausschuss Bezug und gibt zu bedenken, dass diese Aufgabe einen umfassenden und zeitintensiven Planungs- und Umsetzungsprozess von zwei bis drei Jahren erfordere. Herr Groth führt weiter an, dass fraglich sei, ob die Stiftung als Bauherr in der Lage sei, den finanziellen Umfang der Umsetzung des Brandschutzkonzepts von ca. 8,5 Mio. Euro zu bewerkstelligen.

Im Weiteren unterscheidet Herr Groth zwischen den strategischen Vorgaben der Politik und der operativen Umsetzung durch die Verwaltung und stellt klar, dass die Entscheidung über die Verhängung des Aufnahmestopps alternativlos gewesen sei. Herr Groth spricht sich dafür aus, den Blick in die Zukunft zu richten und sich der Frage zuzuwenden, wie die HL eine moderne Pflege gestalten möchte.    

 

Der Vorsitzende bittet seinen Hinweis zu Protokoll zu nehmen, dass mit den Punkten 3 und 4 des Antrags der Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt sein könnte. Der Vorsitzende äußert erhebliche Bedenken, als Ausschuss darüber so abzustimmen

 

Auf Nachfrage des Vorsitzenden ist der Ausschuss einstimmig mit dern von AM Prieur beantragten Vorgehen einer punktweisen Abstimmung des Antrags einverstanden.

 

Der Vorsitzende lässt über den Antrag ziffernweise abstimmen. 

 

Im Anschluss an die Beschlussfassung gibt Frau Senatorin Hagen bekannt, dass sich der Bürgermeister den Widerspruch vorbehält.
 


Beschluss:

Rüge des Bürgermeisters wegen mangelnder Unterrichtung der Gemeindevertretung zur Situation der SeniorInneneinrichtung im HGH

1. Der Hauptausschuss stellt fest, dass der Bürgermeister trotz Kenntnis einer drohenden Nutzungsuntersagung im HGH seiner Auskunftsverpflichtung nicht nachgekommen ist.

2. Der Hauptausschuss stellt fest, dass der Bürgermeister seiner Auskunftsverpflichtung über den am 06.04.2022 verhängten Aufnahmestopp in der SeniorInneneinrichtung im HGH nicht nachgekommen ist.

3. Der Hauptausschuss stellt fest, dass der Bürgermeister wider besseren Wissen die Unwahrheit zum Brandschutz im HGH behauptet hat, als er im September 2022 schriftlich berichtete, es würde an "Kostenzusammenstellungen im Sinne einer Machbarkeitsstudie" gearbeitet", obwohl er selbst diese Arbeiten bereits im Juni 2022 gestoppt hat.

4. Der Hauptausschuss stellt fest, dass der Bürgermeister durch die wiederholte Nichtbeachtung seiner Auskunftspflicht und die Behauptung von Unwahrheiten wider besseren Wissens die rechtzeitige Befassung der Gremien mit dem Sachverhalt vereitelt hat.

5. Der Hauptausschuss rügt dieses Verhalten des Bürgermeisters.

6. Bürgermeister Lindenau wird aufgefordert, ab sofort die Ausschüsse und die Bürgerschaft über alle wichtigen Angelegenheiten der Selbstverwaltung zu unterrichten und rechtzeitig Handlungsoptionen darzulegen.


 

 

 

 

 

 

Abstimmungsergebnis Ziffer 1

 

einstimmige Annahme

 

einstimmige Ablehnung

 

Ja-Stimmen

9

Nein-Stimmen

6

Enthaltungen

 

Kenntnisnahme

 

Vertagung

 

Ohne Votum

 

 

 

 

 

 

 

Abstimmungsergebnis Ziffer 2

 

einstimmige Annahme

 

einstimmige Ablehnung

 

Ja-Stimmen

9

Nein-Stimmen

6

Enthaltungen

 

Kenntnisnahme

 

Vertagung

 

Ohne Votum

 

 

 

 

 

 

 

Abstimmungsergebnis Ziffer 3

 

einstimmige Annahme

 

einstimmige Ablehnung

 

Ja-Stimmen

3

Nein-Stimmen

7

Enthaltungen

5

Kenntnisnahme

 

Vertagung

 

Ohne Votum

 

 

 

 

 

 

 

Abstimmungsergebnis Ziffer 4

 

einstimmige Annahme

 

einstimmige Ablehnung

 

Ja-Stimmen

2

Nein-Stimmen

7

Enthaltungen

6

Kenntnisnahme

 

Vertagung

 

Ohne Votum

 

 

 

 

 

 

 

Abstimmungsergebnis Ziffer 5

 

einstimmige Annahme

 

einstimmige Ablehnung

 

Ja-Stimmen

9

Nein-Stimmen

6

Enthaltungen

 

Kenntnisnahme

 

Vertagung

 

Ohne Votum

 

 

 

 

 

 

 

Abstimmungsergebnis Ziffer 6

 

einstimmige Annahme

 

einstimmige Ablehnung

 

Ja-Stimmen

9

Nein-Stimmen

6

Enthaltungen

 

Kenntnisnahme

 

Vertagung

 

Ohne Votum