Veröffentlicht am 20.11.2015

Digitalisierung alter Handschriften- und Inkunabelbestände in der Stadtbibliothek

Dank Possehl – Stiftung und beherztem Personaleinsatz kann Umsetzung nun erfolgen

Die Stadtbibliothek Lübeck stellt ab sofort einen Teil ihres bedeutenden Altbestandes, darunter Handschriften und Inkunabeln ins Internet. Nach und nach sollen wertvolle Stücke aus dem Altbestand digitalisiert werden. Ziel der Digitalisierung ist es, den Bestand sowohl für Forschung und Lehre als auch für die breite Öffentlichkeit einfacher zugänglich zu machen. Darüber hinaus kann der sehr alte und wertvolle Bestand der Stadtbibliothek Lübeck dadurch besser geschont werden. Dieses Projekt wurde heute im Rahmen einer Pressekonferenz in der Lübecker Stadtbibliothek erläutert.

„Ich begrüße es sehr, dass die Stadtbibliothek dieses Projekt trotz knapper Personalausstattung in Angriff genommen hat und danke auch der Possehl-Stiftung für ihre finanzielle Unterstützung.“ so Kultursenatorin Kathrin Weiher. „Die langjährige Tradition der Stadtbibliothek Lübeck und der herausragende Altbestand verdienen es, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. Die Digitalisierung ermöglicht, unsere historische Verantwortung für die Zukunft wahrzunehmen.“ Renate Menken, erste Vorsitzende der Possehl-Stiftung Lübeck, ergänzt: „Wir haben dieses Projekt gerne unterstützt, weil es in das Konzept „ Stadt der Wissenschaft“ passt und weil die Bestände der Stadtbibliothek die Exponate des Hansemuseums hervorragend ergänzen.“

Digitalisierungsprojekte dieser Größenordnung sind normalerweise Universitäts- Staats- und Landesbibliotheken vorbehalten. Möglich wurde dieses Projekt nur durch die großzügige Unterstützung der Possehl-Stiftung Lübeck. Damit konnte ein hochwertiger Scanner angeschafft und ein dreijähriger Support- und Wartungsvertrag mit der Firma Intranda für die Software „Goobi“ abgeschlossen werden. „

Aufgrund ihrer fast 400 jährigen Geschichte verfügt die Stadtbibliothek Lübeck über einen wertvollen Altbestand. Der Grundbestand aus 1100 gedruckten Werke und circa 230 Handschriften stammte aus den Beständen der Marien-, Jakobi-, Petri- und Aegidienkirche. Hinzu kamen die Bibliotheken des Rates, der Katharinenkirche und der Lateinschule. Seit 1756 wurde in der neuen Benutzungsordnung festgelegt, dass die Bibliothek aus dem lübeckischen Staatswesen von jeder Veröffentlichung ein Pflichtexemplar bekommen sollte. Später kamen im Zuge der Säkularisierung zwischen 1804 und 1806 noch die mittelalterlichen Bestände des Doms, des Johannisklosters und die später an das Waisenhaus übergegangene Bibliothek des Michaeliskonvents hinzu. Erst ab 1836 gab es einen festen städtischen Etat für die Bibliothek. Ende des 19. Jahrhundert bestanden Vereinbarungen mit verschiedenen Lübecker Vereinen, darunter denen der Juristen, Mediziner, Musiker und Theologen, die ihre Bestände der Bibliothek überließen.

Eine Besonderheit ist auch der umfangreiche Musik-Altbestand der Lübecker Stadtbibliothek. Zum Beispiel die Abendmusiken in der Tradition Buxtehudes von Adolph Carl Kunzen und von Johann Wilhelm Cornelius von Königslöw aus dem 18. Jahrhundert oder das handschriftliche "Chronologische Verzeichnis der öffentlichen Musikaufführungen in Lübeck von 1671 bis 1908" von Carl Stiehl, das einen detaillierten Überblick über knapp 250 Jahre Konzertleben der Musikstadt Lübeck bietet und damit eine wichtige Quelle für die Musikwelt ist.

Trotz erheblicher Kriegsverluste verfügt die Stadtbibliothek noch immer über eine der hochkarätigen Sammlungen Deutschlands und ist mit wohl etwa 150.000 Stücken ab dem 11. Jahrhundert bis zum Jahre 1900 die reichste Altbestandsbibliothek Schleswig-Holsteins.

Zurzeit kann man einige bedeutende Werke im Rahmen der Ausstellung „Lübeck 1500“ im Museumsquartier St. Annen anschauen. Einige dieser Exponate ließen sich digitalisieren und können bereits im Internet besichtigt werden, darunter eines der bedeutendsten Bücher der Stadtbibliothek, das Rudimentum Novitiorum. Dieses älteste in Lübeck gedruckte Buch ist eine Weltgeschichte, 1475 gedruckt von Lucas Brandis als „Grundwissen für angehende Mönche“. Es enthält die älteste gedruckte Weltkarte, die älteste im Original erhaltene Abbildung der Stadt Lübeck und es ist außerdem das älteste in Lübeck und Nordeuropa gedruckte Buch.

Goobi ist die am weitesten verbreitete Open-Source-Software zur Steuerung von Workflows in Digitalisierungsprojekten und begleitet zahlreiche Einrichtungen beim Aufbau einer digitalen Bibliothek: vom Datenimport aus Bibliothekskatalogen und dem Scannen über die inhaltliche Erschließung bis hin zur digitalen Präsentation und Auslieferung anerkannter standardisierter Formate. Vom Buch zur Online-Präsentation.

Die Digitalisierung ist langwierig, weil der Öffnungswinkel der alten Bücher häufig eingeschränkt ist und weil durch den Umgang wertvolle Illuminationen beschädigt werden könnten. Daher muss beim Scannen sehr behutsam vorgegangen werden. Einige Bücher können mit Rücksicht auf ihren Zustand nicht gescannt werden, der größte Teil ist aber benutzbar.

Angela Buske, stellv. Leiterin der Stadtbibliothek und zuständig für die Altbestandsabteilung erklärt, dass das Digitalisierungsprojekt für die Stadtbibliothek eine Kraftaufgabe sei und nur durch den freiwilligen Einsatz vieler engagierter Kolleginnen und Kollegen bewältigt werden könne. „Die Bücher sind Teil unserer kulturellen Identität und sollten einerseits der wissenschaftlichen Forschung dienen, aber auch einer breiten, interessierten Öffentlichkeit zugänglich sein. Die Präsentation im Internet ist für uns ein Quantensprung.“

Die ersten Werke stehen nun auf der Homepage der Stadtbibliothek Lübeck zur Verfügung. So können Nutzer über das Internet von zu Hause aus mit Werken arbeiten, die sie vorher nur unter Aufsicht im Lesesaal einsehen konnten. Die digitalisierten Werke sind ab sofort online über: http://digital.stadtbibliothek.luebeck.de/viewer/ abrufbar. +++