Veröffentlicht am 12.12.2014

Projekt Bürgerarbeit: Fast 3000 Beschäftigungsaufnahmen

Bundesweites Modellprojekt läuft zum Jahresende aus – Jobcenter zieht positive Bilanz

Zum Jahresende 2014 läuft das bundesweite Modellprojekt „Bürgerarbeit“ aus. Das Jobcenter Lübeck zieht jetzt eine positive Bilanz: Seit dem Start des Projektes sind 2951 Arbeitsaufnahmen erfolgt und insgesamt 112 Frauen und Männer wurden als Bürgerarbeiter gesondert gefördert.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales startete am 15. Juli 2010 das Modellprojekt „Bürgerarbeit“. Auch das Jobcenter Lübeck beteiligte sich an dem bundesweiten Programm für eine bessere Integration von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Das Projekt setzte sich aus zwei Phasen zusammen, der Aktivierungsphase und der Beschäftigungsphase. Insgesamt wurden 5970 Kundinnen und Kunden in das Projekt aufgenommen. Das heißt, fast jede bzw. jeder Zweite im Projekt nahm eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf.

Die Kundinnen und Kunden wurden verbindlich für mindestens sechs Monate ins Projekt aufgenommen und von ihrer persönlichen Ansprechpartnerin bzw. ihrem persönlichen Ansprechpartner konsequent begleitet. Für diesen Prozess war eine hohe Kontakt- und Beratungsdichte charakteristisch. Hierfür sollte der Betreuungsschlüssel zwischen Fachkraft und Kundin bzw. Kunde zum Vorteil beider Seiten verbessert werden. Für die Projektlaufzeit wurde daher ein Betreuungsschlüssel von 1:100 angesetzt. Das bedeutete für jede persönliche Ansprechpartnerin bzw. für jeden persönlichen Ansprechpartner, dass die Anzahl ihrer zu betreuenden Kundinnen und Kunden auf 100 gesenkt wurde. Dadurch bestand die Möglichkeit, auf individuelle Handlungsbedarfe deutlichschneller zu reagieren, um zum Beispiel mit einer abgestimmten Qualifikation die Integrationschancen zu steigern.

Lübecks Sozialsenator Sven Schindler würde auch für die Zukunft einen geringen Betreuungsschlüssel bei der Betreuung von Langzeitbeziehern begrüßen: „Das Projekt hat gezeigt, dass durch eine intensivere Betreuung die Integrationsfachkräfte noch mehr auf die Belastungen bei der Arbeitssuche eingehen und die Kundinnen und Kunden bei ihren Bemühungen, die Hilfebedürftigkeit zu beenden, individueller unterstützen können.“

Es wurde intensiv zu Förderleistungen wie zum Beispiel das Vermittlungsbudget (1276 bewilligte Förderungen wie Bewerbungskosten, Reisekosten zum Vorstellungsgespräch, Umzugskosten bei Aufnahme einer auswärtigen Arbeit, Kosten für Arbeitsmittel, Kosten für Nachweise wie Gesundheitszeugnis, Beglaubigungen), Maßnahmen zur Aktivierung und Eingliederung (766 bewilligte Förderungen), Eingliederungszuschüsse (237 gezahlte Zuschüsse), Umwandlung von sozialversicherungsfreier in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse und Existenzgründungsförderung (insgesamt 81 Förderungen) beraten. In 403 Fällen wurde der Erwerb einer beruflichen Qualifizierung gefördert.

Darüber hinaus erfolgte insbesondere zur Unterstützung der Alleinerziehenden eine intensive Netzwerkarbeit und Kooperation mit öffentlichen Einrichtungen. Um eine schnelle und unkomplizierte Vermittlung zwischen den Kundinnen und Kunden des Projektteams und den Arbeitgebern zu gewährleisten, arbeitete das Projektteam mit dem gemeinsamen Arbeitgeberservice von Agentur für Arbeit und Jobcenter eng zusammen.

Vorrang hatte immer die Vermittlung in reguläre Beschäftigung und in Qualifizierungsmaßnahmen. Erst wenn nach der sechsmonatigen Aktivierungsphase die Integration auf einen regulären Arbeitsplatz (noch) nicht möglich war, wurde die Beschäftigungsphase „Bürgerarbeit“ angeboten. Die Bürgerarbeit im engeren Sinne ist eine gemeinnützige Beschäftigung und darf keine regulären Jobs verdrängen. Sie ist sozialversicherungspflichtig mit Ausnahme der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. 49 Bürgerarbeitsplätze standen in der Projektlaufzeit zur Verfügung. Die Palette der Beschäftigungsmöglichkeiten reichte von Helfertätigkeiten im sozialen Bereich bis hin zur Mitarbeit in Sozialgärten. Insgesamt 112 Kundinnen und Kunden erhielten einen Bürgerarbeitsplatz.

Begleitet wurden diese Beschäftigungen durch ein qualifiziertes, individuelles Coaching durch die persönlichen Ansprechpartner des Jobcenters. Ziel blieb auch hier die Verbesserung der Integrationschancen, im besten Falle der Übergang aus der Bürgerarbeit in den regulären Arbeitsmarkt. Die Bürgerarbeiter standen dem ersten Arbeitsmarkt also weiter zur Verfügung und wurden deshalb aufgefordert, sich regelmäßig auf in Frage kommende Stellen zu bewerben. Zehn Bürgerarbeiter konnten so aus der Bürgerarbeit in eine reguläre Beschäftigung übergehen.

Auch Cornelia Gregorczyk begriff Bürgerarbeit als Chance, wieder Fuß zu fassen. Trotz zahlreicher Bewerbungen und erfolgreich abgeschlossener Qualifizierungen konnte die 46jährige Bürokauffrau keine Anstellung im kaufmännischen Bereich finden und fing im August 2012 in der offenen Ganztagsschule Roter Hahn in Travemünde als Bürgerarbeiterin im Bereich Nachmittagsbetreuung an. Frau Gregorczyk erinnert sich: „Die Arbeit zusammen mit den Kindern hat mir von Anfang an viel Freude bereitet. Ich bin selbst Mutter von zwei Kindern, habe aber nie eine Beschäftigung mit Kindern in Betracht gezogen. Das war für mich völlig neu. Erst durch die Bürgerarbeit habe ich einen Einblick erhalten und konnte mir erste Kompetenzen im Bereich Schulassistenz aneignen. Seit August 2013 bin ich sozialversicherungspflichtig als Integrationshelferin bei der Vorwerker Diakonie beschäftigt und dankbar für die Erfahrungen aus der Bürgerarbeit.“

Joachim Tag, Leiter des Jobcenters Lübeck, berichtet: „Durch das Modellprojekt der Bürgerarbeit wurde den Beteiligten eine Beschäftigungsperspektive gegeben. Für die Betroffenen war es sehr wichtig, dass sie in der Bürgerarbeit wieder oder neue Arbeitserfahrungen sammeln konnten, wie im Fall von Frau Gregorczyk. Angesichts der hohen Zufriedenheit aller Beteiligten hat sich der Aufwand ohne Zweifel gelohnt. Die Bürgerarbeiter gewannen an Selbstbewusstsein, fühlten sich wichtig und gebraucht. Die Träger, die Stadt und die Einsatzstellen berichteten von einem hohen zusätzlichen Nutzen, den sie aus der Bürgerarbeit ziehen konnten. Es wurden zusätzliche Leistungen angeboten und die Attraktivität der Angebote wurde gesteigert. Bürgerarbeit hatte und hat nachhaltig positive Wirkungen in Lübeck sowohl für das öffentliche Leben der Hansestadt als auch das für Leben der Bürgerarbeiter.“

„Auch wenn das Bundesarbeitsministerium keine Neuauflage beabsichtigt, so wird derzeit an neuen Programmen nach Angaben des Ministeriums im Rahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF) geplant“, verrät Joachim Tag.

Zahlen, Daten und Fakten

Bürgerarbeitsplätze: Schulassistenten Träger: BQL; Stellen: 23; Beschreibung: Zusätzliche pädagogische Angebote im unterrichtsnahen Raum z.B. Hausaufgabenbetreuung

Besucherservice Verwaltungszentrum, Träger: BQL; Stellen: 1; Beschreibung: Begleitung von Kunden, Abholung von Kunden bei Ansprechpartnern im Vorzimmer, Unterstützung hilfebedürftiger Personen (Rollstuhlfahrer, ältere Menschen, Migranten,...), ergänzende Servicedienstleistungen (z.B. Taxi rufen, kopieren etc.)

Alltagshelfer, Träger: BQL; Stellen: 8; Beschreibung: Begleitung Hilfebedürftiger bei Einkäufen, Arztbesuchen etc.

Unterstützung von Asylsuchenden, Träger: BQL; Stellen: 1; Beschreibung: Betreuung von Asylbewerbern und deren Kindern bei der Alltagsbewältigung

Naturschutz früher und heute, Träger: BQL, Stellen: 1; Beschreibung: Sichtung, Sortierung, Zuordnung, Erfassung und Dokumentation sowie Recherche zum Thema Vogel- und Biotopschutz in Lübeck

Sozialgärtner, Träger: BQL, Stellen: 6; Beschreibung: Herstellung von Obstsäften, Herstellung von Vogel- und Futterhäuschen und kostenlose Abgabe an Kitas und Schulen sowie Pikieren, Pflanzen und Jäten, ebenso Erlernen von verschiedenen Anbaumethoden u.v.m.

Lebendige Geschichte im Lübecker Stadtarchiv, Träger: BQL, Stellen: 1; Beschreibung: Wichtige Archivbestände sollen durch Ordnung und Erschließung dieser Bestände für eine breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Digitale Inventarisierung und Vergabe von Signaturen etc.

Mädchen und Jungen am Start, Träger: Frauen helfen Frauen e.V., Stellen: 2; Beschreibung: Ein zusätzliches Angebot für Kinder/Jugendliche in Lübeck. Aufgabe ist es Mädchen und Jungen in Freizeiteinrichtungen/Bildungsstätten zu begleiten und Kontakte zu den Einrichtungsmitarbeiter/innen aufzubauen, um mögliche Konflikte zu lösen. Alleinerziehende Mütter sollen über Arbeitslosengeld II informiert werden und weitere finanzielle Hilfen erhalten.

Unterstützung von Menschen mit Migrationshintergrund, Träger: Türkische Gemeinde HL; Stellen: 3; Beschreibung: Unterstützung/Begleitung der Migranten bei der Suche nach Kindergärten/Schulen, Begleitung zu Arztterminen und Behördengänge

Zusätzliche Angebote in der Ganztagsschule Travemünde; Träger: Vorwerker Diakonie Stellen: 2; Beschreibung: Aufbau und Betreuung von Bibliotheken, regelmäßiges Erstellen von Elternzeitungen, Ernährungs- und Kochprojekten in Kleingruppen sowie Schaffung und Pflege eines Schulgartens u.v.m.

Kursanbieter/innen, Träger: Vorwerker Diakonie, Stellen: 1; Beschreibung: Die Kursanbieter/innen bieten im Vor- und Nachmittagsbereich zusätzliche Angebote an und erweitern so das Betreuungsprogramm. Inhalte der Kurse sind: Schulgarten, gesundes Kochen und Mobilität. Weiterhin übernehmen die Kursanbieter/innen Tätigkeiten zur Sicherung ihrer Angebote, insbesondere koordinierende, organisatorische und sonstige Tätigkeiten inklusive Vor- und Nachbereitung. Die Kursanbieter/innen führen verantwortlich Aufsicht über die Schüler. +++