Veröffentlicht am 16.11.2006

Ausgrabungen am Haerder-Center: Interessante Funde

Im Rahmen des Abrisses des früheren Modehauses Haerder und der Neuerrichtung eines Einkaufscentrums an gleicher Stelle untersucht der Bereich Archäologie der Hansestadt Lübeck dieses Areal. Die Grabungen sind mit dem Investor des neuen Haerder-Centers, der Firma Tenkhoff Properties GmbH, Berlin, abgestimmt worden. Sie laufen seit dem 26. Juni vorbereitend sowie baubegleitend und sind zunächst bis zum 25. Dezember 2006 terminiert. Nach dem Abriss des Gebäudes werden die Grabungen im Innenhof sowie an der Wahmstraße im Februar 2007 für weitere drei Monate fortgesetzt.

Im Rahmen eines Pressetermins informierte heute Professor Dr. Manfred Gläser über den Stand der bisherigen Ausgrabungen: Schon einen Meter unter dem Fußweg an der Wahmstraße zeigten sich die ersten historischen Mauerwerke, die vom Mittelalter bis zur Neuzeit reichen. Daneben sind Gruben, die ältere Siedlungsstrukturen belegen, aber auch Brunnen, Kloaken und hölzerne Wasserleitungen nachgewiesen worden. Abgesehen von den im Boden konservierten Gebäuderesten sowie den Einrichtungen zur Infrastruktur handelt es sich bei diesem Bereich um ein archäologisch-historisch besonders interessantes Areal, da es zum südöstlichen Erweiterungsgebiet der „Herzogenstadt“ (Gründung Heinrichs des Löwen von 1158/59) gerechnet wird. Hier sollen zudem während des Wiederaufbaus in den 50er Jahren neben Resten des hölzernen Lübeck der Frühzeit auch Palisaden- und Grabenreste beobachtet worden sein, die vielleicht die Siedlungsgrenze des 12. Jahrhunderts bildeten. Ob diese Vermutung zutrifft, werden spätere Untersuchungen zeigen.

Ausgrabungsleiter Burkhard Kümmeke berichtete, dass entlang des Abschnitts Sand- bis Mühlenstraße der Wahmstraße einst zehn Häuser standen – traufständige als auch giebelständige Häuser. Dabei wurde beispielsweise auf dem Grundstück Wahmstraße 14 ein gemauerter Brunnen aus dem Mittelalter entdeckt, der als Wasserreservoir gedient haben könnte. Allerdings gibt es bislang keinen Nachweis dafür, ob der Brunnen an die frühere Brauerwasserkunst angeschlossen war, durch die einst der Großteil der Altstadt mit Frischwasser versorgt wurde und die durch die Wahmstraße führte. Spannend sind auch die Funde zwischen den Grundstücken Wahmstraße 12 und 14: Dort könnte eine Porta, ein Durchgang zur Sandstraße, gewesen sein. Zudem haben die Archäologen die Hypothese aufgestellt, dass einst an dieser Stelle Metall verarbeitendes Handwerk stattfand. Feldsteine und schwarze Verfärbungen im Boden deuten darauf hin und könnten Hinweise auf eine Esse sein.

Bei den Ausgrabungen, die der Investor des Einkaufscenters finanziell unterstützt, gab es für die Archäologen eine große Überraschung: Das jetzige Haerder-Kaufhaus wurde längst nicht so tief gegründet, wie angenommen. Zum Teil wurde das Fundament auf die historischen Kellersockel gesetzt, so dass aus statischen Gründen nur in sicherem Abstand davon gegraben werden konnte. Statt geplanter 3,5 Meter wurde daher nur ein eineinhalb Meter breiter Spalt parallel zur Wahmstraße freigelegt, wobei die Grabungsschnitte zum Teil bis zu vier Meter tief reichen. Dabei wurden tierische Knochen, Münzen und Keramik gefunden.

Das ursprüngliche Aussehen des von Wahmstraße, Sandstraße, Aegidienstraße und Königstraße umschlossenen Baublocks, in dem die Archäologen jetzt tätig sind, ist durch Kriegszerstörung und die Neubebauung nach dem Krieg stark verändert worden. So reichten die früheren Gebäude viel dichter an die Straßen heran als heute. Nach dem Krieg wurden die Keller verfüllt und die Wahmstraße verbreitert. Erste archäologische Untersuchungen in diesem Bereich gab es bereits 1953.

Weitere spannende Erkenntnisse erwarten die Archäologen im Frühjahr, wenn sie ihre Grabungen im Innenhof des Haerder-Komplexes fortsetzen. Bekannt ist, dass dieser Bereich im Mittelalter bebaut war. In den dortigen Kloaken dürften die Archäologen auf weitere Funde stoßen. +++